Robert Gucher: „Ich kann es kaum erwarten“

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FUSSBALL - OEFB, Fototermin AUT(c) GEPA pictures/ Felix Roittner
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Italien-Legionär Robert Gucher bietet sich mit der erstmaligen Einberufung in das Nationalteam eine große Chance. In Frosinone ist der 24-Jährige ein Star, in Österreich noch nicht.

Sie gehören für das Trainingslager in Alicante und dem Schweiz-Testspiel am 17. November erstmals dem ÖFB-Teamkader an. Ist ein Traum in Erfüllung gegangen?

Robert Gucher: Definitiv, ich freue mich riesig darüber. Es gab zwar schon vor einigen Wochen Kontakt zum Verband (der ÖFB wollte Gucher im Heimspiel gegen Empoli beobachten, dieser saß nach einer Verletzung jedoch nur auf der Bank), aber zum jetzigen Zeitpunkt kommt die Einberufung doch extrem überraschend.


In Spanien bleibt nun viel Zeit, sich zu präsentieren. Sehen Sie darin auch Ihre große Chance?

Ich sehe nicht nur diesen Lehrgang als große Chance, sondern auch jedes Spiel bei meinem Klub. Aber klar, ich fahre mit hundertprozentigem Ehrgeiz zum Team, möchte jede Trainingseinheit nutzen, um mich zu präsentieren und in die Gruppe einzufügen.

Welche Teamkollegen kennen Sie denn schon persönlich?

Aleksandar Dragović, Martin Hinteregger, Heinz Lindner, David Alaba und Zlatko Junuzović, anderen werde ich zum ersten Mal begegnen. Ich freue mich auf jeden Einzelnen, mit diesem Team eine Woche zu verbringen, ist eine große Ehre. Ganz ehrlich, ich kann es kaum erwarten.


Sie sind der erste Nationalspieler, den Frosinone Calcio hervorgebracht hat.

Begeisterung und Stolz darüber sind groß, vom Präsidenten über den Sportdirektor bis hin zum Trainer haben mir alle gratuliert. Diese Einberufung ist auch eine Auszeichnung für den Verein, sie macht ihn über die Stadtgrenzen hinaus bekannter.


Mit Aufsteiger Frosinone sind Sie seit dieser Saison Teil der großen Serie A, es gab schon Duelle mit Roma und Lazio. Ihre ersten Eindrücke?

Es ist eine komplett andere Fußballwelt, sie lässt sich mit der Serie B oder Serie C, in der ich mit Frosinone auch schon gespielt habe, nicht vergleichen. Die Stadien sind größer, die Fans um ein Vielfaches mehr. Als Spieler stehst du voll im Fokus, auf und abseits des Platzes. Und ich darf mich hier mit absoluten Topstars messen, die mit einer einzigen Aktion Spiele entscheiden können.


Ist die Serie A denn auch fußballerisch eine andere Welt?

Nein, das nicht. Es ist verglichen mit der Serie B nicht viel anders. Das erste Spiel gegen FC Turin war extrem emotional, da ging mir alles mögliche durch den Kopf. Jedes Kind träumt davon, einmal in dieser Liga aufzulaufen. Aber dann registrierst du, dass immer noch Elf gegen Elf spielen.

Frosinone hat den geringsten Kader-Marktwert, die zweitwenigsten Legionäre der Liga. Kann reine Aufstiegseuphorie genügen, um die Klasse zu halten?

Ein paar Punkte lassen sich bestimmt mit dieser Euphorie erspielen, aber nur damit wird es nicht funktionieren. Euphorie muss auch nicht immer zwingend positiv sein. Gegen Torino etwa (1:2, Anm.) sind wir vor lauter Vorfreude alle mit 200 Prozent gelaufen – ab der 60. Minute hatten wir nichts mehr im Tank und haben zwei Tore erhalten. Bei uns muss jeder Spieler immer alles abrufen, weil wir schlicht nicht diese individuelle Qualität anderer Mannschaften haben. Frosinone kann nur im Kollektiv funktionieren, vor allem in den Heimspielen.

Ihr Klub gilt als besonders heimstark.

Vor der Niederlage gegen Torino waren wir zu Hause zwei Jahre ungeschlagen. Jedes Spiel ist ausverkauft, egal wer kommt. Alessandro Florenzi von Roma meinte nach dem Spiel, es fühle sich an, als spiele man in Frosinone vor 50.000 Fans – dabei sind es „nur“ 10.000.

In Österreich wird regelmäßig über David Alaba, Marc Janko oder Marko Arnautović berichtet, durch Serie A und Einberufung in das Nationalteam rückten Sie in den Fokus. Fühlen Sie sich wie jemand, der endlich jene Aufmerksamkeit erhält, die er verdient?

Mir war es nie wichtig, im Mittelpunkt zu stehen, im Gegenteil. Schon als ich in der Serie C gespielt habe, war ich überzeugt von meinem Weg, wusste, dass ich es irgendwann in die Serie A schaffen werde. Mit dem Erfolg steigt das Interesse. Mir machen Interviews Spaß, sie ehren mich, aber es ist nicht so, dass ich sie davor vermisst hätte.

Frosinone zählt nur knapp 50.000 Einwohner. Sind Sie dort ein Star?

Hier kennt jeder jeden, das ist tatsächlich etwas Besonders. Die Fans haben mich von Anfang an geliebt, mittlerweile kenne ich sehr viele von ihnen persönlich, habe sogar Freunde gewonnen. All das hat einen familiären Charakter. Was die Menschen über den Fußballer Gucher denken, ist mir eigentlich egal. Aber über den Menschen Gucher darf es nur eine Meinung geben. Von mir wird es beim Wunsch nach einem Foto nie ein Nein geben, weil ich noch genau weiß, wie es war, als ich selbst noch um Fotos und Autogramme gefragt habe.


Junge Fußballer träumen von Engagements in Deutschland oder England. Warum hat es Sie nach Italien gezogen?

Ich habe schon als junger Bursche nicht nur den Fußball gesehen. Mein Hobby hat sich zu meinem Beruf entwickelt, das weiß ich sehr zu schätzen. Aber es gibt ein Leben nach dem Fußball und auch eines parallel dazu. In Italien habe ich eine neue Sprache gelernt, andere Mentalitäten und Sitten erfahren.

Sie träumen also von einer langen Karriere in Italien?

Es ist nicht so, dass ich unbedingt in Italien bleiben muss. Ich bin für alles offen, höre mir gerne alles an. Aber momentan passt es einfach, sportlich und menschlich.

Andere Ligen geben zwar immer noch den Takt vor, aber der Calcio scheint sich nach einer schweren Krise erholt zu haben, oder?

Italiens Fußball hat ein riesiges Tief erlebt, das zum Umdenken animiert hat. Heute wird wieder verstärkt auf jüngere Trainer und jüngere Spieler gesetzt, der Aufschwung ist erkennbar. Die Finalteilname von Juventus in der Champions League ist das beste Indiz dafür. Italiens Klubs müssen sich international nicht mehr verstecken.

Steckbrief

Robert Gucher
wurde am 20. Februar 1991 in Graz geboren.

Nach einer Saison beim GAK zog es ihn 2008 nach Italien zu Frosinone Calcio in die Serie B, zuvor war ein Wechsel zu Aston Villa gescheitert.

Es folgten Leihgeschäfte mit Genua (2010) und Kapfenberg (2011), ehe Gucher seit 2012 wieder fix dem Kader Frosinones angehört.

Innerhalb von zwei Jahren gelang der Durchmarsch von der Serie C in die Serie A, in der abgelaufenen Saison wurde der Steirer zum besten Mittelfeldspieler der Serie B gewählt.

Vor wenigen Tagen wurde Gucher von Teamchef Marcel Koller erstmals in den Kader des A-Teams einberufen.

Drei Debütanten

Nach der erfolgreichen Qualifikation für die EM 2016 und dem Vorstoß in die Top 10 der Weltrangliste bereitet sich das ÖFB-Team von 9. bis 15. November im spanischen Alicante auf den Test gegen die Schweiz (17. 11.)
in Wien vor. Neben Robert Gucher stehen mit Andreas Lukse (Altach) und Karim Onisiwo (Mattersburg) zwei weitere Debütanten im Aufgebot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2015)

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