Katzian: "Austria war immer schon Freud und Leid"

PK NOVARTIS-BETRIEBSRAT UND GPA-DJP: KATZIAN
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Gewerkschaftsboss Wolfgang Katzian hat als Präsident die Wiener Austria nach dem Stronach-Ausstieg wieder in ein ruhiges Fahrwasser geführt. Im Interview spricht er über Ziele, die Champions League und Bürgermeister Michael Häupl.

Was haben Sie sich bei Ihrem Amtsantritt 2007 als Austria-Präsident zum Ziel gesetzt?

Wolfgang Katzian: Ich habe die Funktion in einer Phase übernommen, als Frank Stronach gesagt hat, er zieht sich zurück, als nicht klar war, wie es mit dem Verein weitergeht. Ob er es wirtschaftlich schaffen wird und wie wir Rahmenbedingungen vorfinden können, die an erfolgreiche Zeiten der Vergangenheit anschließen lassen. Wir haben neue Strukturen geschaffen, Sponsoren an Land gezogen und den wirtschaftlichen Turnaround geschafft – und wir haben heute kein negatives Eigenkapital. Das war die Überlebensfrage.

Was waren Ihre Beweggründe, sich des Präsidentenamts anzunehmen?

Ausschlaggebend war der Bürgermeister, der gesagt hat, der Frank zieht sich zurück. Es wurde jemand gebraucht, der hingreift und nicht nur redet.

Welche Träume sportlicher Natur verfolgten Sie zunächst?

Wir wollten an die große Tradition des Vereins anschließen. Das erste Ziel war der Meistertitel und der Einzug in die Gruppenphase der Champions League – ein tolles Erlebnis. Wir waren mit Vereinen wie Porto oder Atletico Madrid in einer Gruppe und hatten so auch die Gelegenheit, uns näher anzusehen, wie diese Klubs arbeiten, worauf sie zurückgreifen.

Wird die Austria dort wieder hinkommen?

Ich möchte gern nochmal als Präsident erleben, dass wir in der Champions League spielen, das möchte ich erreichen. Letzten Sommer haben wir gesagt, wir machen einen Neustart: Mit Thorsten Fink wurde ein Trainer geholt, mit dem wir das Ziel vielleicht erreichen können. Wahrscheinlich nicht im ersten Jahr, aber in zwei Jahren wollen wir unbedingt wieder in die Champions League. Der dritte Platz in der Meisterschaft ist heuer nach wie vor das erklärte Ziel. Für nächstes Jahr geht es dann darum, die Ziele nach oben zu schieben. Ich möchte schon, dass die Austria um den Meistertitel mitspielt.

Hat die Austria diese Saison mit Meisterschaft und Cup zwei Chancen auf einen Titel?

Der Cupsieg ist sowieso etwas, das wir als Rekord-Cupsieger immer anstreben. Ich habe selbst auch schon Cup-siege miterleben dürfen. Mir liegt noch immer das Cupfinale vom letzten Jahr in Klagenfurt im Magen, das hätten wir nicht verlieren müssen. Mit Salzburg hätten wir deswegen noch eine Rechnung offen. Es wäre toll, wenn wir das heuer packen.

Es wird viel diskutiert über Sportinfrastruktur in Österreich, die zum Teil im Argen liegt, das betrifft auch den Fußball. Jetzt baut Rapid ein neues Stadion, die Austria schnitzt an der Generali-Arena. Wie wichtig ist neue Infrastruktur?

Aus meiner Sicht ist Infrastruktur der Schlüssel für einen weiteren Erfolg. Ich möchte das nur für die Austria sagen. Als ich die Präsidentschaft übernommen habe, haben wir als erstes Projekt in der Infrastruktur die Osttribüne neu gemacht. Das ganze Innenleben. Wir haben mit einem Teil des Geldes, das wir in der Champions League verdient haben, den Eckenschluss gemacht – und jetzt steht der große Umbau des Stadions bevor, indem wir die Nord- und Westtribüne und den Eckenschluss komplett machen. Das wird ein tolles Stadion.

Es soll auch mehr Fans bringen.

In zwei Jahren, ab 2018, ist das neue Stadion fertig. Das fällt auch gut mit der Tatsache, dass wir die U-Bahn bis zum Verteilerkreis bekommen. Alle Studien haben gezeigt, dass allein die U-Bahn-Anbindung ein Plus an Zuschauern bringt. Wir haben alles genau analysiert und untersucht. Wir sind ein Klub der Ostregion, haben natürlich in Wien die meisten Fans, aber auch in Niederösterreich und im Burgenland, in der nördlichen Steiermark. Umso wichtiger ist, dass die Anreiseinfrastruktur genauso wie die Infrastruktur im Stadion passt. Wir wollen auch ein Klub für die Familie sein und können nicht, flapsig ausgedrückt, Toiletten aus den Siebzigern haben. Es muss ein Erlebnis sein, bei dem das Fußballspiel der Höhepunkt ist, aber auch das Drumherum stimmt. Das neue Stadion wird einer Austria würdig sein.

Gibt es einen Klub mit Vorbildwirkung?

Der FC Porto hat mir imponiert. Wie sie sehr viele junge Spieler holen, entwickeln und dann um sehr viel Geld weiterverkaufen, das ist von der Konzeption sehr toll. Nicht eins zu eins übertragbar, aber zu sagen, wir holen gute Spieler, die sich bei uns entwickeln, das hat mir sehr gut gefallen. Wir haben auch tolle Transfererträge erwirtschaftet. Das müssen wir weiterhin tun. Dann braucht es neben Sponsoreinnahmen auch Transfereinnahmen. Der Verein kann nicht anders existieren.

Junge Spieler gehen immer öfter früh für relativ wenig Geld ins Ausland und sind später Millionen wert. Ein Problem, mit dem auch die Austria konfrontiert ist?

Als Verein hast du es schon schwer durch die Uefa-Bestimmungen. Es kostet viel Geld, Energie, Kraft, junge Spieler zu entwickeln. Und wenn zum richtigen Zeitpunkt, bevor man einem Jungspieler einen Jungprofivertrag geben kann, bei einem Talent ein großer Verein anklopft und es sich holt, dann bekommt man maximal eine Ausbildungsentschädigung. Das tut einfach weh. Daher muss man schauen, wie man das am geschicktesten machen kann. Wie man auf europäischer Ebene eine Diskussion beginnt. Wie die Vereine, speziell jene, die viel Geld und Herzblut in Ausbildung investieren, besser partizipieren können. Mir ist das ein Anliegen, deshalb werde ich mich auch auf den Weg machen und mit der Uefa reden. In möchte in diese Richtung etwas ausprobieren.

Wer ist vom aktuellen Team Ihr Lieblingsspieler?

Ich liebe sie alle, habe ein ganz großes violettes Herz seit meiner Kindheit.

Wie sind Sie Austria-Fan geworden?

Das erste Spiel war ein Osterturnier mit meinem Vater. Wir haben keinen Fernseher gehabt. Wir sind aber davor schon immer am Radio gehangen. Die Austria hat drei Mal verloren. Ich habe heiße Tränen geweint. Der Herr, der damals neben mir gesessen ist, hat gesagt: Wenn du Austria-Fan bist, erlebst du tolle, schöne Stunden, aber auch viel Leid. Er sollte recht behalten. Es gab viele Höhen und Tiefen.

Gibt es eine gewisse Eifersucht gegenüber Rapid, etwa bezüglich Stadion?

Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass Infrastruktur für den österreichischen Fußball insgesamt wichtig ist. Für Wien sowieso. Aber: Ich beschäftige mich nicht jeden Tag mit Rapid. Im Moment haben wir selbst genug zu tun, um gute Rahmenbedingungen für die nächste Saison zu schaffen.

Sind Sie stolz auf die Wahl Fink?

Ich bin sehr stolz. Der Thorsten ist ein toller Typ. Wir haben uns vom ersten Tag an sehr gut verstanden. Ich schätze ihn ob seiner Einstellung, seiner Erfahrung, seiner Sichtweise. Wie er mit Leuten umgeht, wie er den Spielern vermittelt, wo wir hinwollen, wie er die Spieler mitnimmt auf diesem Weg. Auch solche, die anfangs skeptisch sind. Ich glaube, dass das für die Weiterentwicklung wichtig ist. Hoffentlich ist er noch lange Zeit Austria-Trainer.

Ist der Sportdirektor auch ein Glücksgriff?

Anfangs gab es Diskussionen darüber. Aber die, die Franz Wohlfahrt kritisch gegenübergestanden sind, höre ich jetzt nicht mehr. Es ist entscheidend, dass der sportliche Bereich passt. Wir bleiben unserem Vier-Säulen-Modell treu: Kampfmannschaft, Amateure, Akademie und Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wir schauen, dass die Jugendlichen auch eine Ausbildung bekommen. Vom Fußball allein kann man vielleicht nicht leben. Wir machen Sprachkurse für Kinder mit Migrationshintergrund. Wir machen viel und reden nicht so viel drüber.

Die österreichische Liga wird zum Teil kritisiert. Sie sei schlecht, bestehe aus zu vielen Dorfklubs. Ihre Meinung dazu?

Ich glaube, dass die österreichische Bundesliga oft zu Unrecht schlechtgemacht wird, dass auch bei uns sehr gute Fußballspiele stattfinden. Wenn es gelingt, eine Offensive in Richtung Infrastruktur zu starten – diesbezüglich sind ja einige Projekte unterwegs – dann wird das der Liga guttun. Ich würde mir außerdem wünschen, dass große Städte in der Bundesliga vertreten sind. Lask und Wacker Innsbruck gehören in die Bundesliga.

Und welchen Stellenwert hat das Nationalteam für den heimischen Fußball?

Einen sehr hohen, weil es über Vereinsgrenzen hinweg die Fußballfans hinter sich versammelt. Für das Standing des Fußballs in der Gesellschaft ist es sehr wichtig, dass man nicht nur in Vereinskategorien denkt, sondern sagt: Wir sind stolz auf unsere Nationalmannschaft. Der Fußball braucht einen Stellenwert, muss salonfähig sein. Auch, um Sponsoren zu finden. Das geht leichter, wenn der Fußball in der Gesellschaft etabliert ist. Daher ist es wichtig, dass der österreichische Fußball insgesamt erfolgreich ist.

Wie etwa in Deutschland.

Ich bin auch stolz, wenn viele Österreicher in der deutschen Bundesliga spielen. Wenn man sich die Kommentatoren anhört, wie sie über die österreichischen Spieler reden – das hat sich vor ein paar Jahren noch ganz anders angehört, da ist ein Stück Respekt entstanden. Das ist eine gute Basis. Das Problem ist, dass es nach wie vor in Deutschland nicht nur aufgrund der Größe mehr Wirtschaftsunternehmen gibt, die sagen: Fußball ist etwas Wichtiges, wir brauchen ihn in der Gesellschaft und sind bereit zu investieren. Darum haben wir die Situation, dass viele Vereine in der deutschen Liga doppelt so viel wie wir zahlen. Damit kommt es zu Verschiebungen.

Sie haben zu Beginn des Interviews den Herrn Bürgermeister erwähnt. Wie stark spielt die Politik in den österreichischen Sport hinein?

Ich habe meine Funktion bei der Austria nie politisch gesehen. Eine Einmischung findet nicht statt.

Also Michael Häupl ruft nicht an und sagt: Meier soll spielen?

Nein. Aber er freut sich über jeden Sieg mit.

Steckbrief

Wolfgang Katzian,
geboren am 28. Oktober 1956 in Stockerau.

Karriere.
Wolfgang Katzian ist seit 2005 Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, durch Fusion derselben mit der Druckergewerkschaft seit 2006 Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-DJP). Mit Unterbrechungen seit 2006 Nationalratsabgeordneter für die SPÖ. Seit 2005 ist er Mitglied im Präsidium und Weltvorstand des Union Network International. 2009 wurde er Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter.

Seit 2007 fungiert er als Präsident der Wiener Austria.

Clemens Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2016)

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