„Die Fußfessel wäre mein schönstes Weihnachtsgeschenk“

Dominique Taboga und die Kälte der Freiheit: Der Exfußballer sucht einen Weg zurück in die Gesellschaft, die er jahrelang betrogen hat.
Dominique Taboga und die Kälte der Freiheit: Der Exfußballer sucht einen Weg zurück in die Gesellschaft, die er jahrelang betrogen hat.(c) Clemens Fabry
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Als Wettbetrüger wurde Dominique Taboga zu einem der meistgehassten Fußballer. Der „Beckham von Kapfenberg“ steht nun Rede und Antwort.

Sie waren zwischen 2005 und 2013 an 14 Spielmanipulationen beteiligt. Am Ende wurden Sie von den Hintermännern bedroht, waren finanziell ruiniert, hatten bereits den Abschiedsbrief verfasst und „packten aus“. Inzwischen sind außer Ex-Teamspieler Sanel Kuljić alle Beschuldigten des Wettskandals wieder frei. Sind Sie denn überhaupt sicher?

Dominique Taboga: Ein Restrisiko besteht immer. Aber ich habe keine Angst, drehe mich nicht ständig um oder bleibe deswegen nur zu Hause.

Wie manipuliert man ein Fußballspiel?

Bei den Ergebniswetten hat die stärkere Mannschaft mit zwei Toren Unterschied gewinnen müssen. Als Verteidiger sollte man also die Abseitsfallen aufheben, Fouls rund um den Strafraum machen oder auch einmal einen Elfmeter verursachen. Aber ich habe bei Kapfenberg und Grödig gespielt, das waren ja keine Mannschaften, die als Favoriten in ihre Partien gingen. Ich bin nur als Sicherheit auf dem Platz gestanden. Mein Elfmeterfoul gegen Salzburg (Oktober 2013, Anm.) war die einzige „Szenen-Wette“, die einzige wirkliche Handlung, die ich gesetzt habe.

Schiedsrichter Alexander Harkam pfiff den Elfmeter aber nicht, den Sie für Ihren Wettbetrug so dringend gebraucht hätten. Inzwischen gab es mit ihm ein Gespräch.

Er hat sich erkundigt, wie es mir geht. Natürlich haben wir über diese Situation geredet. Er hätte auf Elfmeter entschieden, der Linienrichter hat ihm gesagt, es sei kein Foul gewesen. Er hatte nie den Gedanken, dass irgendein Spiel manipuliert worden wäre.

Dennoch wird weiterhin betrogen, da draußen sind noch „unerkannte Tabogas“.

Hundertprozentig. Ich glaube sogar, dass es schlimmer wird. Die kleinen Zusatzwetten, die Livewetten müsste man verbieten. Ein Beispiel: Man kann sogar wetten, welche Mannschaft den ersten Einwurf ausführt. In Kapfenberg mussten wir als taktische Maßnahme den Ball sofort nach dem Anstoß ins Out schießen, um eine Pressingsituation zu haben. Wenn du so etwas weißt, ist es ja schon Betrug. Der Fußball ist nicht sauber, er hat ein zu gutes Bild in der Öffentlichkeit. Eineinhalb Jahre nach dem Wettskandal hat Grödig Interwetten als Sponsor präsentiert, offiziell heißt es Tipico-Bundesliga und der Teamchef macht Werbung für tipp3. Da ist zu viel Geld im Spiel, auf das niemand verzichten möchte. Auch Schwarzgeld und Doping werden nicht bekämpft.

Es scheint also eine geschützte Werkstätte. Warum betrügt man dann trotzdem?

Mein Antrieb war Geld. Ich wollte immer mehr haben, hatte ein falsches Bild eines Fußballprofis in Österreich. Mein erster Profivertrag in Leoben brachte 1000 Euro netto im Monat. Wenn ich immer wie am Ende in Grödig 5000 Euro verdient hätte, glaube ich nicht, dass ich betrogen hätte.

Sie haben auf zu großen Fuß gelebt.

Das ist mir vor allem im Nachhinein angekreidet worden, ich sehe das anders. Andere Spieler sind zweimal täglich essen gegangen, sind fortgegangen, haben gefeiert. Ich habe mit meiner damaligen Frau eben einen gewissen Lifestyle gepflegt. Wir hatten den Ruf, die „Beckhams von Kapfenberg“ zu sein. Wir waren gut angezogen, ich fuhr ein teures Auto, es war aber geleast. Mit dem Geld haben wir uns etwas geleistet, sind nach New York geflogen. Da haben sich Leute zu wichtig genommen, über mich geurteilt.

Aufgeflogen sind Sie am Ende nur, weil Sanel Kuljić immer gieriger wurde und noch mehr Geld von Ihnen erpresste.

Sanel Kuljić ist für mich das große Fragezeichen. Er hat doch bei ganz anderen Vereinen (u. a. Ried, Austria, Anm.) gespielt. Vielleicht hatte er Schulden, war er spielsüchtig? Hätte er sich mit machbaren Forderungen zufriedengegeben, stünde ich vielleicht heute noch auf dem Fußballplatz und würde Spiele manipulieren.

Die Bundesliga hat Sie lebenslang gesperrt, Sie haben berufen, die Sperre wurde aufgehoben, ein neues Verfahren ist anhängig. Würden Sie es verstehen, wenn Sie in Österreich nie mehr Fußball spielen dürften?

Berufen habe ich, weil es in den Statuten kein lebenslanges Berufsverbot für Fußballer gab. Aber ich würde es nicht verstehen und ich weiß, dass mir Vereine noch Verträge geben würden.

Gab es bereits Angebote?

Keine direkten. Aber ich bin überzeugt, dass die Fußballwelt nicht zu ist. Als Profi schon, ich weiß aber, dass im Unterhaus etwas möglich wäre. Wahrscheinlich als Trainer. Bevor ich mir darüber Gedanken mache, möchte ich strafrechtlich alles abgeschlossen haben. Zehn Monate mit der Fußfessel sind noch offen und ich warte noch immer, dass ich meine Haft antreten darf. Die Fußfessel wäre mein schönstes Weihnachtsgeschenk.

Sie saßen bereits in Untersuchungshaft. Wie lebt man da?

So blöd es klingt: Für mich war es damals der sicherste Ort, viele Hintermänner waren frei. Ich möchte nie wieder 23 Stunden lang tagtäglich eingesperrt sein! Aber ich habe es mir schlimmer vorgestellt, als es dann war. Ich bin gut behandelt worden.

Sie haben gegen jede Regel der Moral und des Fair Play verstoßen. Im Rückspiegel betrachtet: Schämen Sie sich?

Dass ich jeden betrogen habe, der mit Fußball zu tun hat, das ist mir schon klar. Über Scham und Moral habe ich mir, ehrlich gesagt, noch keine Gedanken gemacht. Man baut sich auf jeden Fall eine eigene Welt auf. Was ich mir nie verzeihen kann, ist, meine Kinder und meine damalige Frau in Gefahr gebracht zu haben. Das ist etwas, für das ich mich wirklich schäme.

steckbrief

Dominique Tabogawird am 6. November 1982 in Wien geboren, er wächst in Spratzern bei St. Pölten auf.

Profi-Stationen
Leoben, Kapfenberg, Tromsø, Grödig.

2012
Geburt der Zwillinge Maddox und Levin.

2014 wird Taboga in der Wettbetrugsaffäre zu drei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.

2016 lebt er nach der Scheidung in Salzburg und arbeitet für ein Papier- und Bürowarenfachgeschäft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2016)

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