Dudelsack statt Knüppel aus dem Sack: Das „Derby of Love“

SOCCER - BL, A.Wien vs Mattersburg
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Woanders mag das spielerische Niveau höher sein. Doch wenn die Vienna auf den Sportklub trifft, herrscht eine eigene Atmosphäre.

„Da ist ja fast nirgendwo Polizei!“ Gehen Leute zum ersten Mal zu einem Spiel zwischen der Vienna und dem Sportklub, können diese oft nicht fassen, dass sich hier in einem Derby zwei Fangruppen freundschaftlich gegenüberstehen. Dass man hier die Fans nicht mit Barrikaden trennen muss, weil dies das gemeinsame Philosophieren der beiden Fangruppen nach dem Spiel unnötig erschweren würde.

Hassgesänge oder Gewalt, wie sie bei Austria gegen Rapid vorkommen können, sind hier unbekannt. Wenn die auf den Aufstieg hoffenden Vienna-Fans den diesbezüglich ambitionslosen Sportklub liebevoll als „Wurschtklub“ besingen, zumal es deren Fans eh egal ist, ob ihr Klub siegt, ist das noch der unfreundlichste Akt. Das sogenannte Derby of Love, es ist etwas Besonders.

Es ist auch die einzige Zeit im Jahr, in dem die Hohe Warte in Wien-Döbling bzw. der Sportclub-Platz in Dornbach gut gefüllt sind. Der Alltag in der Regionalliga mit Gegnern wie etwa Mannsdorf, Traiskirchen oder Ebreichsdorf, er kann selbst für die eingefleischten Fans hart sein. Beim Derby of Love aber strömt Wien zu den Kassen. Da können die Stadien mit fast 8000 Zusehern (mehr dürfen nicht hinein) besser gefüllt sein als manches Bundesligaspiel. Da muss man am Sportclub-Platz ewig stehen, um ein Getränk zu bekommen. Oder sich auf der Naturarena Hohe Warte in die Wiese setzen, weil auf den Tribünen alles voll ist. Der alte Witz, in dem der einsame Vienna-Fan bei seinem Verein anruft („Wann findet denn das nächste Spiel statt? – „Na ja, wann wollen Sie denn kommen?“) ist dann vorläufig außer Kraft gesetzt.


Tradition und Familie. Doch was macht den Reiz des Derby of Love aus? Zum einen ist es die Tradition der beiden Teams. Das Nostalgiedenken an die Zeit, als diese Teams nicht nur in Österreich Spitzenvereine waren, sondern auch international reüssierten. Dann sind es die beiden Stadien, die baufällig wirken, aber den Glanz vergangener Zeiten erahnen lassen.

Aber es ist auch der positive Support der Anhänger, manchmal mit für Fußballfans ungewöhnlich selbstsatirischen Untertönen, der die Leute zum Derby bringt. Zudem gibt es den Dudelsackspieler, der inmitten der blau-gelb ausstaffierten Vienna-Fans den Ton anstimmt. Oder das Schlüsselklirren der in schwarz-weiß gehüllten Fans des Sportklubs (den man nach einer Neugründung des Vereins im Gegensatz zum traditionellen Sportclub-Platz mit k schreibt). Zu diesem Derby können Eltern ihre Kinder mitnehmen, ohne Angst vor Ausschreitungen zu haben.

Auch die VIP-Tribüne füllt sich bei diesen Derbys mit Prominenz von Ex-Nationalkickern bis hin zu Ministern. Selbst, dass das Spiel (für eine Regionalligapaarung höchst unüblich) schon live im ORF übertragen wurde, konnte das Zuseherinteresse nicht bremsen.

Ein Derby im Mailänder San Siro mag mehr Kulisse haben, ein Stadtduell in Glasgow mehr Schlachtgesänge, und auch in Wien kann man mit Austria gegen Rapid Fußball auf höherem Niveau sehen. Doch um ein echtes Derby of Love zu sehen, muss man zu Sportklub gegen Vienna in die Regionalliga pilgern. Das nächste Mal am 1. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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