"Kein Spieler ist diese Summen wert"

Franco Foda dirigiert die Mannschaft der Stunde in der österreichischen Bundesliga.
Franco Foda dirigiert die Mannschaft der Stunde in der österreichischen Bundesliga.(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Christian Ort)
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Sturm-Graz-Coach Franco Foda spricht über Taktik, abgewanderte Talente und die Explosion auf dem Transfermarkt.

Fünf Spiele, fünf Siege, Sturm Graz hat gerade den besten Saisonstart der Klubgeschichte hingelegt. Wie halten Sie Ihre Spieler auf dem Boden?

Franco Foda: Ich glaube, meine Spieler sind sehr bodenständig. Sie wissen: Das ist eine Momentaufnahme, der Fußball lebt nicht in der Vergangenheit, man muss sich tagtäglich neu beweisen.

Alle Siege gelangen mit einem Tor Unterschied, in jeder Partie hat Ihre Mannschaft zumindest ein Gegentor kassiert. Wenn man ein Haar in der Suppe finden möchte – ist es die noch unerfahrene Defensive?

Nein. Die Defensivarbeit beginnt ja schon bei den Angreifern. Wir haben im Prinzip von Beginn an mit nur einem gelernten Innenverteidiger gespielt, mit Dario Maresic (17 Jahre alt, Anm.). Wir mussten wegen der vielen Ausfälle kompensieren und umbauen, da haben wir gute Lösungen gefunden, das System etwas verändert. Wenn wir alle Spiele mit einem Tor Unterschied gewinnen, ist es mir eigentlich egal, wie viele Gegentore wir bekommen.

Die Dreierkette ist also nur eine Notlösung?

Das hat nicht nur mit Ausfällen zu tun. Entscheidend ist, wie man eine Dreierkette interpretiert. Sie kann im Spiel auch zu einer Fünferkette, zu einer Viererkette werden. Wir wollten immer im System flexibel sein. Wichtiger für mich ist aber die taktische Ausrichtung. Was wollen wir mit, was wollen wir gegen den Ball machen, wo wollen wir attackieren, wie wollen wir attackieren. Das System sagt nur etwas über die Besetzung der einzelnen Positionen aus.

Die Neuzugänge Thorsten Röcher und Robert Zulj sind aus diesem System nicht mehr wegzudenken.

Wir haben eine gute vergangene Saison gespielt, aber wir hatten keine Stabilität. Wir haben versucht, uns punktuell zu verstärken. Wir wollten einen Linksfuß im Mittelfeld und haben Peter Zulj gefunden, der über großes Talent verfügt, es aber noch nie zu 100 Prozent abgerufen hat. Thorsten Röcher hat im vergangenen halben Jahr eine gute Entwicklung genommen. Wir haben beide zwar speziell ausgesucht, aber das ist nicht gleichbedeutend mit einer Stammplatzgarantie. Im Fußball herrscht das Leistungsprinzip.

Ihr Toptalent Romano Schmid, 17, mussten Sie allerdings an Salzburg abgeben. Wenn einem nicht nur Leistungsträger, sondern auch die besten Jugendspieler weggekauft werden, welche Chance hat man da noch?

Österreich ist ein Ausbildungsland. Das trifft ja nicht nur uns. Und nicht nur Jugendspieler. Klar, wir hätten Romano Schmid gern gehalten, er hat aber von seiner Ausstiegsklausel Gebrauch gemacht. Das muss man leider Gottes so akzeptieren. Er hatte hier eine gute Plattform, hatte schon Spiele bei den Profis absolviert. Ich denke, er hätte sich auch hier gut entwickelt.

Aber sind diese Abgänge nicht frustrierend?

Ich würde nicht sagen, dass man enttäuscht ist, aber es ärgert einen, wenn man gerade einen jungen Spieler herangeführt hat, und dieser dann weggeht. Andererseits zeigt es auch, dass wir in Graz gut arbeiten, dass wir Spieler entwickeln. Wir haben auch noch andere Talente, die nachrücken. Aber gerade, wenn man bei Sturm gut spielt, weckt das Begehrlichkeiten.

Am Sonntag gastiert Meister Salzburg in der Merkur Arena. Können Sie Salzburg über eine Saison lang überhaupt Paroli bieten?

Sie haben die besten Möglichkeiten, das mit Abstand größte Budget und werden klarerweise immer Favorit sein. Wir wissen, was wir können und natürlich auch, was Salzburg kann. Die Tabellenführung wollen wir mit Haut und Haaren verteidigen.

Mittlerweile sind auch die Trainer auf dem Transfermarkt angekommen, für erfolgreiche Coaches gibt es beträchtliche Ablösesummen. Eine überfällige Entwicklung?

Offenbar gibt der Markt das her, es geht immer um Angebot und Nachfrage. Generell nehmen die Summen, die im Umlauf sind, Dimensionen an, die ich als Trainer absolut nicht befürworte. Neymar für 222 Millionen Euro, Dembélé, ein Spieler, der gerade einmal ein Jahr lang nachgewiesen hat, was er kann, für 150 Millionen. Was heute auf der Welt alles passiert, wie viele Menschen Hunger leiden, und hier wird mit so viel Geld herumgeschmissen – also kein Spieler ist diese Summen wert. Ich denke, es ist auch an der Zeit, dass die Fifa eingreift. Oder dass man einen Teil dieser Summen für gute Zwecke abzweigt. Aber irgendetwas muss geschehen, weil gegenüber den Menschen und den Stadionbesuchern lässt sich das nicht mehr vertreten.

Sogenannte Fans sorgten zuletzt wieder einmal für negative Schlagzeilen.

Ich mache mir da überhaupt keine Gedanken, weil es nur Ausnahmen sind. Ich habe auch nicht das Recht, mir über die Fans von Rapid Gedanken zu machen, sondern mir geht es um die Allgemeinheit. Emotionen gehören zum Sport dazu, Gewalt und Ausschreitungen haben in einem Stadion nichts verloren. Als Verein muss man eben versuchen, dieser Minimalanzahl an Fans entgegenzuwirken.

Wie schwer ist es, sich als Trainer manchmal selbst zu beherrschen?

Als Trainer sollte man sich unter Kontrolle haben. Aber es ist nicht immer möglich. Das ist nicht nur bei Trainern so, manchmal macht man Dinge, die man im Nachhinein bereut.

Für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele wurde von Ihrer Mannschaft, immerhin Tabellenführer der Bundesliga, niemand ins ÖFB-Team einberufen, Deni Alar und Stefan Hierländer sind auf Abruf. Ist die Liga zu schwach für das Nationalteam?

Nein. Das Niveau in Österreich ist gut. Man darf nicht den Fehler machen, die Liga schlechter zu machen, als sie ist. Dass Spieler von Salzburg nach Leipzig gehen und dort sofort funktionieren, spricht für ein gewisses Niveau in Österreich. Aber letztendlich entscheidet der Teamchef. Meine Spieler müssen eben Woche für Woche so gut spielen, um sich interessant zu machen.

Steckbrief

Franco Foda
geboren am 23. April 1966 in Mainz. Verheiratet, zwei Söhne (geb. 1989 und 1992).

Profistationen
unter anderem Kaiserslautern (Cupsieger 1990), Leverkusen (Cupsieger 1993), Stuttgart, Basel, Sturm Graz (1997–2001, zweimal Meister, Cupsieger, Champions-League-Teilnahme).

Nationalteam
Für Deutschland absolvierte der Verteidiger zwei Länderspiele.

Trainerstationen
Sturm Graz (2006–2012), Kaiserslautern (2012–2013), Sturm Graz (seit 2014).

Im Schlagerspiel der Bundesliga empfängt der bisher makellose Tabellenführer Sturm Graz heute den noch ungeschlagenen Meister Salzburg (16.30 Uhr, live ORF eins, Sky).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2017)

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