Griechenland: Abwehrbollwerk von ewiger Dauer

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Der Europameister 2004 weicht auch zehn Jahre später kaum von seinem Kurs ab. Eine gefestigte Defensive ist immer noch Trumpf - und in der Offensive wird mit Toren gegeizt.

Wien. Zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass Fußball-Europa sein blauweißes Wunder erlebt hat. Bei der Europameisterschaft 2004 krönte sich Griechenland mit einem 1:0-Finalsieg über Gastgeber Portugal sensationell zum Europameister. Teamchef Otto Rehhagel und seine Spieler wurden in der Heimat anschließend wie griechische Götter gefeiert, das Land befand sich wochenlang in Ekstase.

Noch heute erinnern sich Anhänger der Galanolefki, der Blau-Weißen, gern an jene magische Nacht von Lissabon, wenngleich die große Euphorie längst verfolgen ist. Griechenland wurde in den Folgejahren wirtschaftlich arg gebeutelt, der Fußball symbolisierte für die Hellenen aber zu jeder Zeit einen Anker. 2014 sind die Griechen zum dritten Mal nach 1994 und 2010 für eine Weltmeisterschaft qualifiziert, in Gruppe C heißen die Gegner Kolumbien, Elfenbeinküste und Japan.

Michael Gspurning ist ein echter Griechenland-Insider. Der Torhüter wechselte 2007 von Pasching nach Xanthi, wo er vier Jahre zum Stammpersonal zählte. Nach einem Gastspiel in der nordamerikanischen Major League Soccer in Seattle steht Gspurning seit Jahresbeginn wieder in Griechenland bei Paok Thessaloniki unter Vertrag.

Zehn Spiele, vier Gegentore

Der 33-Jährige ist wie so viele kein Fan des defensiven Spielstils der Griechen. „Dieses Team spielt seit der Ära Rehhagel bestechend auf Ergebnis“, sagt Gspurning, dem die Erfolge der Mannschaft zugleich jedoch großen Respekt abringen. „Sie verfügen nicht über die Einzelkünstler wie andere Nationen, holen aus ihren Möglichkeiten aber das Optimum heraus und haben bei den letzten Großereignissen immer wieder bestätigt, dass sie einfach dazugehören.“

Das Prunkstück der griechischen Auswahl ist nach wie vor die Defensive, die von Dortmund-Innenverteidiger Sokratis dirigiert wird. In der WM-Qualifikation ließ die Mannschaft von Teamchef Fernando Santos in zehn Spielen nur vier Gegentore zu. Auf der Habenseite standen nur zwölf Treffer, was jedoch reichte, um die Slowakei, Litauen, Lettland und Liechtenstein deutlich hinter sich zu lassen. In den Play-offs wurde Rumänien mit einem Gesamtscore von 4:1 letztlich deutlich bezwungen.

Allerdings stellen vier Treffer in zwei Spielen der Griechen eine absolute Rarität dar. In der Regel wird – wie schon 2004, als ab dem Viertelfinale sämtliche Spiele mit 1:0 gewonnen wurden – mit Toren gegeizt. Diese These wurde in der Vorbereitung auf die WM eindrucksvoll untermauert. In vier Testspielen gegen Südkorea, Portugal, Nigeria und Bolivien gelangen nur beim 2:1 gegen die Südamerikaner Treffer.

Dabei soll sich unter dem Portugiesen Santos, der Rehhagel nach der WM 2010 beerbt hat und der sein Amt nach Brasilien niederlegen wird, die spielerische Ausrichtung doch ein klein wenig geändert haben. „Das Hauptaugenmerk liegt immer noch auf einer gestärkten Defensive, aber grundsätzlich lässt Santos doch etwas offensiver spielen“, berichtet Gspurning. Santos, 59, wurde vor vier Jahren unter anderem damit beauftragt, einen notwendig gewordenen Umbau in der griechischen Mannschaft einzuleiten. Zwar strich er etwa Stürmer Angelos Charisteas, den Goldtorschützen der EM 2004, aus dem Kader, eine radikale Verjüngung des Teams blieb allerdings aus. Griechenlands 23 WM-Kicker weisen ein Durchschnittsalter von 28,4 Jahren auf. Sechs Spieler sind älter als 30, Georgios Karagounis ist sogar 37 Jahre alt.

Erfahren, aber zu langsam?

Gspurning sieht im alternden Stamm Vor- wie Nachteile. „Diese Mannschaft verfügt über ungemein viel Routine, spielt schon lange Zeit zusammen. Die Spieler wissen ganz genau, welche Stärken sie besitzen.“ Problematisch könnte der Auftritt gegen Japan verlaufen. „Die Griechen sind bestimmt nicht die schnellste Mannschaft. Ich bin gespannt, wie sie mit den Asiaten zurechtkommen“, sagt der Grazer, der sich mit Prognosen zurückhält. „Für mich ist diese Gruppe am schwierigsten zu tippen.“

Fakt ist: Für die Dauerbrenner Karagounis, Katsouranis, beide 34, und Salpingidis, 32, scheint die Weltmeisterschaft in Brasilien die vielleicht letzte Möglichkeit, sich auf der ganz großen Bühne zu präsentieren. „Und allein aus diesem Grund sollte man die Griechen auf der Rechnung haben.“

AUF EINEN BLICK

Michael Gspurningspielte von 2007 bis 2011 für Skoda Xanthi, 2014 stand er im Tor von Paok Thessaloniki. Ob der Verein die Option auf zwei weitere Jahre zieht, wird sich bis Ende Juni entscheiden. „Ich habe bereits zwei, drei Anfragen anderer Klubs, aber Paok ist mein erster Ansprechpartner.“ Bei der WM trifft Griechenland in Gruppe C auf Kolumbien, Elfenbeinküste und Japan. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2014)

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