Lateinamerika demonstriert Stärke: Europa bangt um Vormachtstellung

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Fünf von sechs südamerikanischen Mannschaften stehen im Achtelfinale, auch Mexiko und Costa Rica beeindrucken. Europa hofft auf seine Stärke in der finalen Phase.

Rio de Janeiro. Amerika feiert sie bereits, die neue Rangordnung im Weltfußball. Noch vor Beginn der K.-o.-Phase steht fest, dass Teams aus Lateinamerika bislang zu den Gewinnern dieser Endrunde zählen. Mit Brasilien, Chile, Kolumbien, Uruguay und Argentinien haben sich fünf Südamerikaner für das Achtelfinale qualifiziert, nur Ecuador scheiterte frühzeitig.

Beachtung finden auch die bisherigen Leistungen von Mexiko und Costa Rica, die ebenfalls souverän die Gruppenphase überstanden haben. „Es zeigt sich deutlich, dass die Mannschaften in unserer Region stärker geworden sind“, behauptet Mexikos Teamchef Miguel Herrera. „Man betrachtet uns jetzt mit mehr Respekt. Wir werden mit anderen Augen gesehen.“

Dass Amerikas Teams eine gute Rolle spielen könnten, damit war schon im Vorfeld zu rechnen. Brasilien und Argentinien müsse man stets zu den Titelkandidaten zählen – im Schatten der Großmächte tun sich dieser Tage aber weitere Nationen auf, die ebenfalls höhere Ziele verfolgen.

Europa hingegen hat im Rennen um den WM-Pokal bereits prominente Ausfälle zu beklagen. So scheiterten etwa mit Spanien und Italien die Finalisten der jüngsten Europameisterschaft – das ist ein Novum der WM-Historie. „Eine Erklärung dafür zu finden ist schwierig“, sagt Frankreich-Teamchef Didier Deschamps. England, das mit nur einem Punkt aus drei Spielen die Heimreise antreten musste, glaubt einen Grund dafür in der Premier League gefunden zu haben. Gespickt mit internationalen Stars sei es für englische Talente schwierig, innerhalb der Liga zu einem Klassespieler zu reifen . . .

Klima, Temperatur, Distanz

Dass sich Europas Teams in Brasilien plagen, haben Experten bereits im Vorfeld prophezeit. Das extreme Klima mit teils hohen Temperaturen und schwankender Luftfeuchtigkeit sowie langen Anreisen zu den Spielorten belastet Europäer mehr als Amerikaner. „Wir sind in Brasilien, südamerikanische Teams akklimatisieren sich wohl besser und vielleicht gibt es ihnen extra Energie, so nah bei der Heimat vor ihnen Fans zu spielen“, meinte Deschamps.

Doch jetzt schon, bevor die finale Phase des Turniers mit den Achtelfinalspielen eingeläutet wird, von einer neuen globalen Rangordnung zu sprechen, wäre verfrüht. Es ist vielmehr die Fortsetzung eines Trends, denn schon vor vier Jahren in Südafrika ist Europa mit „nur“ sechs Mannschaften in der K.-o.-Runde gestanden; ein Negativrekord. Südamerika hingegen demonstrierte schon damals Stärke und brachte nun erneut fünf Mannschaften unter die Top 16. Das Finale bestritten letztlich allerdings Spanien und die Niederlande, Deutschland besiegte Uruguay im Spiel um Platz drei.

Den Titel gewann ein Nicht-Europäer zuletzt 2002 (Brasilien). Zwölf Jahre später ist die Wahrscheinlichkeit eines nicht europäischen Weltmeisters wieder etwas größer, der Turnierraster spielt den Südamerikaner aber nicht in die Hände. Da Brasilien und Chile sowie Kolumbien und Uruguay im Achtelfinale und die Sieger dieser Duelle im Viertelfinale aufeinandertreffen, wird folglich nur ein Team aus diesem Quartett im Halbfinale stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2014)

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