Weltmeister: Götzes Glanztat im Maracanã

Germany's Goetze scores a goal past Argentina's Demichelis, Garay and goalkeeper Romero during extra time in their 2014 World Cup final at the Maracana stadium in Rio de Janeiro
Germany's Goetze scores a goal past Argentina's Demichelis, Garay and goalkeeper Romero during extra time in their 2014 World Cup final at the Maracana stadium in Rio de JaneiroREUTERS
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WM-Finale. Deutschland und Argentinien lieferten sich im Endspiel der Fußball-WM in Brasilien ein Geduldsspiel, geprägt von vergebenen Chancen und Fouls. In der Verlängerung stand Götze richtig – Deutschland ist zum vierten Mal Weltmeister.

Rio de Janeiro/Wien. Mario Götze ist Deutschlands neuer Superstar. Der 22-jährige Bayern-Spieler erlöste die Nation mit seinem Goldtor im Finale der Fußball-WM 2014 gegen Argentinien. Er traf in der 113. Minute des Endspiels, das 1:0 sicherte Deutschland den vierten WM-Titel, zugleich den ersten seit der WM in Italien 1990. Götze jubelte, die Fußball-Welt staunte und Argentinien, bis dahin eigentlich überlegen, war machtlos.
Schon nach wenigen Spielminuten war klar, dass auch dieses Finale ein Geduldsspiel wird. Messi lief, dribbelte, er fand sogar seinen Freiraum. Mascherano, Biglia und Higuain warteten auf Pässe – nur sie kamen sehr selten. Schweinsteiger, Özil und Lahm flankten, sie suchten Müller oder Klose – lange vergebens. Man sah Bewegung, Einsatz, Fouls, das Finale schloss an die 63 zuvor vorangegangenen Spiele an, diese WM bot erfrischenden Offensiv-Fußball.

Argentinien hätte früh jubeln müssen, doch Higuain nahm das Geschenk, eine Kopfball-Vorlage von Kroos, nicht an. Er stand allein vor Neuer (21.), dem besten Torhüter dieser WM – und schoss unbeholfen vorbei. Nur noch Zentimeter waren es wenig später, die Higuains Treffer zum 1:0 annullierten. Er stand nach Lavezzis Maßflanke (30.) im Abseits.



Fouls, umstrittene Härte

Vom Souverän, das die Deutschen beim 7:1 gegen Brasilien ausstrahlten, war nichts zu bemerken. Argentinien war ein anderer, unangenehmer Gegner. Die Gegenwehr war raffinierter, mit immenser Laufarbeit, mit einem bei dieser WM noch nicht gezeigten Einsatz – allerdings unglücklich. Messi hatte das 1:0 (39.) auf dem Fuß, Boateng musste retten. Deutschland hatte Halb-Chancen durch Klose (13.), Müller (25.) oder Schürrle (37.). Doch als Höwedes (45.) den Pfosten mit einem kraftvollen Kopfball traf, herrschte kurz Einhalt.
74.500 Zuschauer sahen im Maracanã ein packendes Finale, dem jedoch das Essenzielle fehlte – Tore. Nach Wiederbeginn diktierte die Albiceleste das Geschehen. Mehrfache Abseitsstellungen (Higuain) stoppten die Angriffe, auch Messi (46.) setzte denn Ball knapp neben die Stange – von Schweinsteiger, Lahm oder Özil war in diesem Moment nichts zu sehen. Die Deutschen wirkten träge.


Eine Szene widersprach diesem Eindruck jedoch vehement. In bester Schumacher-Manier (WM 1982, Battiston, Anm.) rückte Neuer (56.) gegen Higuain zu Werke. Er sprang dem Stürmer mit Armen und Beinen entgegen, es schien brutal – doch der Referee pfiff nicht. Der Ball war gespielt, Higuain konnte noch so schimpfen.
Neuers Einsatz hatte seine Mitspieler jedoch aus ihrem stoischen Dasein geweckt. Müller, Klose, Schürrle – sie bekamen wieder Pässe und Vorlagen, scheiterten aber zusehends an der Abwehr, organisiert von Ex-Bayern-Spieler Demichelis. Die Viererkette mit Zabaleta, Garay und Rojo bot ihre beste Vorstellung bei dieser WM.

Der Glanz des Pokals

Je mehr sich das Spiel der drohenden Verlängerung näherte, desto härter wurde es. Ob versteckt oder offen, das spielte keine Rolle mehr – denn im Zusammenspiel mit der steigenden Nervosität schadete es dem Finale ungemein. Flanken flogen ins Leere, Pässe stimmten nicht mit Laufwegen überein. Der Glanz des am Spielfeldrand „aufgebahrten“ Fifa WM-Pokals schien vielen in gewisser Weise Angst zu machen. Es gab Rückpässe in der deutschen Abwehr, Argentiniens Teamchef reklamierte Handspiel, Schürrle und Klose verstolperten, Messi (75.) verschoss weiterhin die besten Chancen. Kroos (82.) tat es ihm gleich und es sollte der Höhepunkt der finalen deutschen Offensive nach 90 Minuten sein.

Nach den Endspielen 2006 und 2010 ging auch das Finale von 2014 in die Verlängerung als insgesamt Sechstes in der WM-Historie. Es änderte nichts, Schürrle (92.) und Palacio (97.) vergaben. Doch dann schlug Mario Götzes Stunde. Der Bayern-Spieler, 22, stoppte sich eine Vorlage mit der Brust, zog mit links ab und traf zum 1:0.



Löw: Endstation Sehnsucht

Ein ehemaliger Tirol- und Austria-Trainer führt Deutschland zum WM-Titel? Was eigentlich als vollkommen utopisch galt, wurde Sonntagabend Wirklichkeit für Joachim Löw. Der Schwabe steht nun auf einer Stufe mit Sepp Herberger (1954), Helmut Schön (1974) und Franz Beckenbauer (1990), die zuvor Deutschland bereits zum WM-Titel führen konnten. 24 Jahre nach dem letzten WM-Triumph sowie 18 Jahre nach dem letzten EM-Sieg (1996, England) sind die Deutschen wieder Weltmeister.

Die Deutschen präsentierten sich in Brasilien einmal mehr als „Turnier-Mannschaft“. Es begann mit einem 4:0 gegen Portugal, einem wackeligen 2:2 gegen Ghana und einem freundschaftlichen 1:0 gegen die USA. In der K. o.-Phase verlangte Algerien im Achtelfinale (2:1 n. V.) Überstunden. Löw wurde kritisiert, Lahm angeprangert – im Viertelfinale gegen Frankreich (1:0) war davon keine Rede mehr. Mit dem 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien herrschte Eintracht.

In der Löw-Ära hat es Deutschland bei großen Turnieren stets aufs Stockerl geschafft. Nach WM-Platz drei 2006, Vize-Europameister-Titel 2008, sowie den Rängen drei bei der WM 2010 sowie der EM 2012 gelang im fünften Anlauf der ersehnte Triumph.

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