Weltmeister: Die Mission ist noch nicht beendet

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Es gibt Anzeichen, dass Deutschlands Fußballzukunft durchaus eine goldene wird. Bundestrainer Joachim Löw geht von einem wichtigen Schub aus, der DFB-Präsident spekuliert jetzt schon mit dem EM-Titel-Gewinn 2016.

Deutschlands Fußball hat bei dieser Weltmeisterschaft seine ganze Stärke demonstriert, am Ende strahlte der vierte Stern über dem Himmel von Rio de Janeiro. Die 24-jährige Durststrecke ist beendet, die Deutschen dürfen sich erstmals seit 1990 wieder Weltmeister nennen, weil sie bei diesem Turnier Historisches geschafft haben. Wer in Südamerika Brasilien demütigt und Argentinien nach einem bemerkenswert harten Kampf in die Knie zwingt, der darf ruhig ein wenig stolz sein. Der Erfolg der Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw ist ein Triumph des gesamten Verbandes, die größte Fußballvereinigung Europas hat die Herausforderung nicht nur höchst professionell angenommen, sondern die Probleme auch am besten gelöst. Noch besser eben als die Argentinier.

Der deutsche Fußball erlebt blühende Zeiten, die Konstanz, mit der man in den vergangenen Jahren bei Großereignissen ganz vorn mit dabei war, spricht ohnedies für sich. Was fehlte, das war der Pokal. Heute wird ihn die Mannschaft vor dem Brandenburger Tor in Berlin den begeisterten Fans präsentieren, der Empfang wird sicher außergewöhnliche Dimensionen annehmen. Und mitten drin Joachim Löw, der in Brasilien alles richtig gemacht hat und sich nun einen Platz in der deutschen Ahnengalerie gesichert hat. Der 54-Jährige ist einer der Männer der Stunde.

„Auf den Kopf gestellt“

Löw hat sich verändert. Er führt den Titel auch auf das Jahr 2006 zurück. Damals hat er im Windschatten von Jürgen Klinsmann begonnen, „den Laden auf den Kopf zu stellen“, wie es der jetzige US-Teamchef formulierte. Man öffnete sich für moderne Trainingsmethoden, man schaute sogar hinter die Kulissen der erfolgreichen Hockeyspieler, um alles aufzusaugen, was den deutschen Fußball vorantreiben könnte. Herausgekommen ist etwas Großartiges. Mit dementsprechender Anlaufzeit.

Deutschland schickt sich nun an, auf den Spuren von Spanien zu wandeln. Die Iberer haben alle Turniere seit 2008 ziemlich souverän dominiert. Erst in Brasilien wurde offensichtlich, dass Umbau und Verjüngung verpasst wurden. Die Deutschen aber sind mindestens so erfolgshungrig wie die Spanier, der WM-Titel soll erst der Anfang gewesen sein. Wer Wolfgang Niersbach, schon beim WM-Gewinn 1990 in Rom gegen Argentinien als DFB-Pressesprecher hautnah dabei, in Rio de Janeiro zuhörte, der musste die Botschaft klipp und klar verstehen – die Mission ist noch nicht beendet.

Der DFB-Präsident hat den Vertrag mit Joachim Löw schon lange vor der WM in Brasilien verlängert, der Bundestrainer selbst ziert sich da noch. Zumindest folgte noch kein ganz klares Bekenntnis. „Heute Nacht“, sagte er nach dem Finalsieg, „werde ich nicht unbedingt in ein Loch fallen. Und morgen wahrscheinlich auch nicht.“ Für Niersbach aber ist klar: „Löw hat ja selbst Vicente del Bosque zitiert, der Weltmeister geworden ist und als nächstes Ziel ausgab: Ich will Europameister werden.“ Löw bleibe also sicher Bundestrainer? „Ja.“ Möglich aber ist, dass der Mann aus Schönau in Baden nun zum Objekt der Begierde wird. Als Weltmeistermacher kann man sich üblicherweise künftige Aufgaben fast aussuchen.

Fußballerischer Becker-Boom

Der DFB-Präsident freut sich auf erfolgreiche Jahre, er lobt die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Vereinen, er jubiliert über die gute Nachwuchsarbeit. Die nächsten Rohdiamanten, die sind schon im Anmarsch, das Nachwuchsbecken wird nicht austrocknen. „Uns wird dieser Titel für die Zukunft einen Schub geben“, glaubt Löw. Wie schon die WM im eigenen Land 2006. Eine Art Becker-Boom, der nur richtig kanalisiert gehört. Auch Franz Beckenbauer, Deutschlands Fußballkaiser, ist optimistisch. „Die deutsche Mannschaft wird sehr schwer zu schlagen sein...“

Das System Deutschland ist vielleicht von Joachim Löw nicht abhängig, aber der 54-Jährige kennt es so gut wie kein anderer. Miroslav Klose, der WM-Rekordschütze, wird höchstwahrscheinlich in Teamrente gehen. Wer in der Hinterhand eine „Generation Götze“ hat, der muss sich um die sportliche Zukunft keine Sorgen machen. Die Favoritenlast, die haben sich die Deutschen für die kommenden Jahre selbst auferlegt. Wenn das einer meistert, dann die beste Mannschaft der Welt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

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