Nach Schiedsrichter-Blackouts: Blatter lenkt ein

Joseph Blatter
Joseph Blatter(c) GEPA pictures (Gepa Pictures/ Mario Kneisl)
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Der Fifa-Boss hat die Einführung technischer Hilfsmittel nicht mehr ausgeschlossen: "Es wäre unsinnig, sich darüber keine Gedanken zu machen." Der Schweizer entschuldigte sich auch für die Fehlentscheidungen.

Nach der vehementen Kritik an den krassen Schiedsrichter-Fehlentscheidungen bei der WM lenkt Fifa-Präsident Joseph Blatter nun doch ein. Mit einiger Reaktionszeit hat der Schweizer die Einführung von technischen Hilfsmitteln im Fußball nicht mehr ausgeschlossen. "Es wäre unsinnig, sich darüber keine Gedanken zu machen. Wir müssen dieses Thema wieder diskutieren", sagte Blatter am Dienstag in Johannesburg.

Ein erstes Gespräch mit den Mitgliedern des International Football Association Boards (Ifab), der etwaige Änderung für Regeländerung der Fifa-Obrigkeit vorschlägt, soll es bei einem Meeting Mitte Juli in Cardiff geben. Bisher hatte die Fifa die Einführung eines Chip-Balles oder Video-Beweises stets strikt abgelehnt. Für die laufende WM schloss Blatter eine Regeländerung aus. "Wir können nicht für zehn Spiele etwas ändern", sagte der Schweizer.

Im Achtelfinale zwischen Deutschland und England (4:1) am Sonntag hatte Schiedsrichter Jorge Larrionda aus Uruguay ein klares Tor von Frank Lampard nicht gegeben, obwohl der Ball fast einen halben Meter hinter der Linie aufgesprungen war. Nur wenige Stunden später übersahen der italienische Schiedsrichter Roberto Rosetti und dessen Assistent in der Partie Argentinien gegen Mexiko (3:1) vor dem 1:0 der "Gauchos" eine klare Abseitsstellung des Torschützen Carlos Tevez.

Blatter erklärte, er habe sich bei den betroffenen Teams aus England und Mexiko für die schlechten Schiedsrichter-Leistungen entschuldigt. "Ich habe ihnen gesagt: Es tut mir leid, was geschehen ist", erklärte der Fifa-Boss.

Ja zu Torlinien-Überwachung, Nein zu Videobeweis

Das Ifab-Gremium, das als Regel-Hüter des Fußballs fungiert, wäre erst im März 2011 zu seinem nächsten planmäßigen Treffen zusammen gekommen, um über Finanzfragen zu reden. Nach den WM-Vorfällen in Südafrika werden die Regelhüter des Fußballs nun aber schon am 21./22. Juli in Cardiff tagen und über die Einführung möglicher technischer Hilfen für Referees zu diskutieren.

"Das ist ein großes Thema. Die Zukunft des internationalen Fußball ist mit der Kontrolle des Spiels verbunden", erklärte Fifa-Chef Blatter am Dienstag einer Pressekonferenz in Johannesburg, der darauf hinwies, dass in Wales ausschließlich über Torlinien-Technologie gesprochen werde. "Den Video-Beweis wie im Eishockey wird es nicht geben, dafür gibt es im Fußball zu wenige Unterbrechungen", unterstrich der Schweizer.

Fehler der Schiedsrichter könne man auch mit 100 Kameras nicht verhindern, lautet sein Argument. "Das waren keine Fünf-Sterne-Spiele der Schiedsrichter", bemerkte er zum Uruguayer Jorge Larrionda (Deutschland - England 4:1) und zum Italiener Roberto Rosetti. Bis zum Endspiel am 11. Juli betet Blatter geradezu, dass es zu keinen weiteren Aussetzern unter seinen Referees kommt, die seine ansonsten erstaunlich gut laufende Afrika-Premieren-WM überschattet.

"Wir können die Entscheidungen nicht rückgängig machen, jetzt müssen wir nach vorne schauen", meinte Blatter. Materielle und emotionale Schäden aber bleiben. "Es ist ein ökonomischer Aspekt und ein sozialer Aspekt. Deswegen ist das Schiedsrichter-Wesen so wichtig", betonte er. "Wir haben offensichtlich Fehler gesehen. Aber es ist nicht das Ende des Wettbewerbs und nicht das Ende des Fußballs. So etwas kann passieren", sagte der 74-Jährige, der sich für eine vierte Amtszeit wählen lassen möchte.

Bis zum Herbst will er den ganzen Bereich der Referees auf den Prüfstand stellen. "Im Oktober, November werden wir ein neues Modell hervorbringen, mit dem das Spitzen-Schiedsrichter-Wesen verbessert wird", sagte er, der sich nach den Fehlpfiffen in Südafrika sichtlich um seine WM und seinen Sport besorgt zeigte.

(Noch) keine Diskussion über Startplätze

Eine Debatte über die Verteilung der WM-Startplätze 2014 hält Blatter für verfrüht. "Die Diskussion hat hinter den Kulissen schon begonnen, aber lasst uns dieses Turnier zu Ende spielen", sagte der Schweizer. Angesichts des historisch schlechten Abschneidens der 13 europäischen Teams in Südafrika und den guten Leistungen der Vertreter aus Südamerika und Asien wird offenbar auch in Fifa-Gremien schon über eine Umverteilung für das Turnier in vier Jahren in Brasilien diskutiert.

Blatter schloss eine Umschichtung der Startplätze nicht grundsätzlich aus. "Das wird eine interessante Debatte. Ich freue mich darauf", sagte er mit einem Lächeln. Das enttäuschende Abschneiden der afrikanischen Teams wollte Blatter nicht überbewerten. "Es kommt auch immer darauf an, in was für eine Gruppe man gelost wird", sagte der Schweizer. Der Viertelfinaleinzug Ghanas sei ein wichtiger Erfolg. Gastgeber Südafrika, Algerien, Nigeria, Kamerun und die Elfenbeinküste sind in der Gruppenphase gescheitert.

Für die WM 2014 wird damit gerechnet, dass ein Platz von Afrika zum Gastgeber-Kontinent Südamerika wechselt. Mehr WM-Starter dürfte es für die Südamerikaner trotz des Achtelfinal-Einzugs aller fünf Teams in Südafrika nicht geben. "Sie haben ja nur zehn Verbände", sagte Blatter über die kleinste, aber sehr erfolgreiche Fifa-Konföderation. Aus Asien waren zuletzt Stimmen laut geworden, dass trotz des Achtelfinaleinzugs von Japan und Südkorea die vier fixen Startplätze in Gefahr seien.

Blatter warnt Sarkozy

Blatter warnte bei dieser Gelegenheit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und andere Politiker der "Grande Nation" vor jeder Form der Einmischung in die Angelegenheiten des nationalen Fußball-Verbandes. "Politische Einmischung wird von der Fifa geahndet werden. Der französische Fußball kann sich auf die Fifa verlassen, sollte es eine Einmischung geben, auch auf präsidialer Ebene", so Blatter.

Der Schweizer bedauerte den Rücktritt des französischen Verbandschefs Jean-Pierre Escalettes. Der 75-Jährige hatte am Montag seinen Rückzug angekündigt. Die Aufarbeitung des sportlich wie disziplinarisch desaströsen Auftritts der "Bleus" bei der WM in Südafrika war in den vergangenen Tagen zur "Staatsaffäre" geworden.

Sarkozy hatte Starstürmer Thierry Henry zu einem Gespräch empfangen. Alarmiert wurde die Fifa, die nach ihren Statuten jede Form der staatlichen Intervention untersagt, durch die Rücktrittsforderungen von Sportministerin Roselyne Bachelot an Escalettes. Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke hatte bereits eine Warnung ausgesprochen. "Wir schauen genau hin", sagte der Franzose.

(Ag.)

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