Frauensport in der medialen Abseitsfalle

SWITZERLAND BEACHVOLLEYBALL
SWITZERLAND BEACHVOLLEYBALL(c) EPA (JEAN-CHRISTOPHE BOTT)
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Sportlerinnen und ihre Leistungen sind in der Sportberichterstattung im Vergleich zu Männern nicht nur klar unterrepräsentiert, sondern werden auch anders dargestellt.

Zehn Jahre ist es her, seit Fifa-Präsident Joseph Blatter mit seiner Idee aufhorchen ließ, die Aufmerksamkeit für Frauenfußball zu erhöhen. Die Damen sollten engere Kleidung tragen, dann würden sie für Medien und Sponsoren interessanter. Er erntete einen öffentlichen Aufschrei und Kritik der Spielerinnen – trotzdem steht der heute 77-jährige Schweizer zu seiner Aussage. „Schauen Sie sich Volleyball oder Hockey an – die Frauen präsentieren sich als Frauen. Kleider machen Leute. Auf unseren Spielfeldern sieht man den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht“, sagte Blatter vergangenes Jahr in einem Interview mit der „Zeit“.

Das umgekehrte Phänomen war im März 2012 zu beobachten, als der Volleyball-Weltverband wieder einmal die Kleidungsvorschriften für Beachvolleyballerinnen reformierte. Damals war zwischenzeitlich nicht mehr der Bikini Pflicht, sondern es durften auch Shorts und Tops mit oder ohne Ärmeln getragen werden. Plötzlich waren es die Sportlerinnen, die betonten, an ihrem knappen Outfit festhalten zu wollen. „Der Bikini ist im Beachvolleyball tief verankert. Viele wurden zwar erst durch die Ästhetik der Frauenkörper angelockt, sind dann aber dabei geblieben, weil sie auch den Sport schön finden“, erklärte etwa die Deutsche Laura Ludwig. „Leute so für sich zu gewinnen halte ich für legitim.“


Geschlechterstereotype. So unterschiedlich die beiden Aussagen sind, sie zeigen, dass Frauensport eng mit Weiblichkeit und Körperlichkeit verknüpft ist. Auch in der Berichterstattung darüber wird die Verbreitung traditioneller Geschlechterstereotype unterstützt, wobei Sportlerinnen in Medien generell unterrepräsentiert sind. Diese Tatsachen sind ausführlich wissenschaftlich belegt. So ermittelten 2006 die deutschen Sportsoziologinnen Ilse Hartmann-Tews und Bettina Rulofs von der Sporthochschule Köln aus mehreren internationalen Inhaltsanalysen zentrale Charakteristika der Sportberichterstattung über Frauen, die bis heute als Referenz für diesbezügliche Untersuchungen herangezogen werden. Sie kamen zum Schluss, dass in der tagesaktuellen Berichterstattung in Fernsehen und Zeitungen der Nachrichtenanteil von Frauen deutlich unter jenem der Männer liegt, was sich nur kurzfristig während Großereignissen wie den Olympischen Spielen deren tatsächlicher Partizipationsquote nähert. Gleichzeitig erfolgt die Repräsentanz bevorzugt in geschlechtstypischen Sportarten. Männern werden eher Teamsportarten zugeschrieben, Frauen dagegen Individualsportarten wie Tennis oder Skifahren, die keinen direkten körperlichen Kontakt zur Gegnerin erfordern. Bei Sportlerinnen werden neben der Leistung oftmals das Privatleben sowie die Ästhetik thematisiert. Dies spiegelt sich vor allem in der bildlichen Darstellung wider: Fotos von Athletinnen zeigen diese zwar oft in einem sportlichen Umfeld, jedoch deutlich seltener bei direkter Sportausübung. Als Beispiel wird häufig ein Name genannt, der auch in privaten Diskussionen zu diesem Thema gern fällt: Anna Kournikowa. Über die russische Tennisspielerin wurde während ihrer aktiven Karriere laufend berichtet, und sie erlangte weltweite Bekanntheit– allerdings nicht aufgrund ihrer Leistungen und Erfolge, denn Einzelturnier gewann Kournikowa kein einziges. Ausschlaggebend waren ihr Aussehen und zahlreiche freizügige Fotos.

Die Aktualität der Studienergebnisse für Österreich belegen punktuelle Untersuchungen des Vereins 100% Sport. Im Rahmen des Vienna-City-Marathons 2012 etwa lag der Anteil der Berichterstattung über Läuferinnen inklusive Fotos in untersuchten Tageszeitungen zwischen 22 und 37,5 Prozent. 19 Fotos mit männlichen Protagonisten standen acht mit weiblichen gegenüber, davon zeigten jedoch lediglich zwei aktive Sportausübung. Allerdings beeinflusste der in allen Zeitungen thematisierte „Geschlechterkampf“ zwischen Paula Radcliffe und Haile Gebrselassie das Verhältnis klar zugunsten der Frauen. Ein noch drastischeres Verhältnis (93 zu 7 Prozent) ergab 2011 eine mehrwöchige Untersuchung der Onlineportale von Tages- und Wochenzeitungen.


100% Sport. Der Verein 100% Sport nahm seinen Anfang 2004 und firmiert seit drei Jahren unter diesem Namen als Kompetenzzentrum des Sportministeriums für die „Förderung der Geschlechtergleichstellung in allen sportlichen Belangen“. Hauptziel ist die Chancengleichheit im und durch den Sport, dies beinhaltet neben Zugang zum Sport, Besetzung von Gremien und Ressourcenverteilung explizit auch die Gleichstellung in Sachen Medienpräsentation. In Podiumsdiskussionen und auf Tagungen werden die erhobenen Daten regelmäßig mit Medienvertretern wie auch mit Sportfunktionären diskutiert. „Wir zeigen die bestehenden Ungleichheiten auf und wollen ein Bewusstsein dafür schaffen“, erklärte Leiter Christian Haberl gegenüber der „Presse“.

Die Frage nach der Präsentation bzw. Darstellung von Sportlerinnen ist deshalb eine elementare, weil Leistung im Spitzensport nicht allein durch das Erreichen eines Ergebnisses besteht, sondern sich erst konstituiert, wenn sie durch ein Publikum auch als Leistung anerkannt wird. Angesichts der genannten Erkenntnisse ist Handlungsbedarf gegeben, jedoch sind die Mechanismen der kulturellen Reproduktion der Geschlechterordnung zu komplex, als dass bislang eindeutige Bedingungen für die Auflösung formuliert werden konnten. Der Vorschlag, den Frauenanteil in den männlich dominierten Sportredaktionen zu erhöhen, ist dazu nur ein notwendiger Schritt. Schließlich ergaben Befragungen unter Sportjournalisten, dass insbesondere die vermuteten Interessen und Bedürfnisse des mehrheitlich männlichen Publikums die entscheidenden Kriterien im Produktionsprozess darstellen.

Es sollte dennoch möglich sein, dass sich an Frauensportberichterstattung in den nächsten zehn Jahren mehr ändert, als an Joseph Blatters Meinung dazu in den vergangenen zehn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2014)

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