Totilas: Die Dressur hat ihr Wunderpferd wieder

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GERMANY EQUESTRIANAPA/EPA/ROLF VENNENBERND
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Nach zwei Jahren Pause meldete sich Dressurpferd Totilas mit Reiter Matthias Rath in eindrucksvoller Manier im Sandviereck zurück.

Totilas, das Wunderpferd. Es ist dieser Beiname, der Glanz und Glamour verspricht und jedem Auftritt des Rappen vorauseilt. Allerdings gab es seit den Deutschen Meisterschaften im Juni 2012 lange Zeit keinen einzigen davon. Umso größer ist die Freude bei den Dressurreitfans, dass sich der Hengst und Reiter Matthias Rath rechtzeitig vor den am Samstag beginnenden Weltreiterspielen in Caen nach zweijähriger Verletzungspause in Bestform zurückmeldeten. Acht Starts brachten ebenso viele Siege, zuletzt dominierte das Duo eindrucksvoll beim CHIO Aachen und gewann souverän den Grand Prix als auch den Grand Prix Special. Totilas bestach im Sandviereck mit Ausdruck, Dynamik und Leichtigkeit vergangener Erfolgstage und belehrte mit seinem fulminanten Comeback all seine Kritiker – und es waren nicht wenige – eines Besseren. Ob der langen Pause war der Hengst gleich mehrfach als „Fall für die Weide“ abgeschrieben worden.

Von Genugtuung wollte Rath dennoch nicht sprechen. „Nach der langen Durststrecke bin ich einfach nur froh, mit Totilas wieder loslegen zu können“, erklärte der 29-Jährige, der nie an der erfolgreichen Rückkehr gezweifelt hat. „Die Frage war nur, wann es wieder geht.“ Von der bestechenden Performance sei er dann allerdings auch ein wenig überrascht worden. „Totilas ist etwas ganz Spezielles, aber das konnte niemand erwarten. Es war wie ein Traum.“ Doch es wäre nicht das Wunderpferd, wenn Kritiker nicht trotz Bestleistungen auch diesmal einen Makel finden würden. In diesem Fall war es der Verzicht auf die Kür.

CHIO-Sportdirektor Frank Kemperman sprach von Brüskierung der Organisatoren und Zuschauer, drohte gar mit Klage. Letztlich hielt die Ground Jury fest, dass die Schonung für die WM im Einklang mit den Regeln erfolgte, da sich ohnehin vier deutsche Reiter für das Finale qualifiziert hatten, aber nur drei startberechtigt waren.


Großer Hype, viel Kritik. Seit dem Wechsel nach Deutschland steht Totilas unter besonderer Beobachtung, wurde das Pferd doch mit Prunk und Vorschusslorbeeren überschüttet. 2010 zahlte Paul Schockemöhle gemeinsam mit der ehemaligen Dressurreiterin Ann Kathrin Linsenhoff die Rekordsumme von zehn Millionen Euro, die Vorstellung erfolgte in einer eigens einberufenen Pressekonferenz – bis heute einmalig im deutschen Pferdesport.

Der Hengst erhielt seine eigene Homepage, auf der es nicht nur alle erdenklichen Fanartikel zu kaufen, sondern auch die täglichen Erlebnisse des Pferdes in Ich-Form zu lesen gab. Die Show erntete begeisterten Beifall, aber ebenso harsche Kritik. „Dieser Hype ist bei diesem Pferd naturgegeben, wir können da nichts beeinflussen“, verteidigte sich Rath. „Wenn man vorn mitreitet, hat man die Verpflichtung, seinen Sport in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ich kann die Kritik an unserer Vorgehensweise nicht verstehen.“

Ruhe kehrte auf dem Gestüt in Kronberg im Taunus jedenfalls nie ein. Wurde das öffentliche Interesse zunächst bewusst geschürt, wuchs es rasch zum unkontrollierbaren Selbstläufer – befeuert von Missgunst und Neid. Alsbald kam Schadenfreude hinzu. Statt den mit Weltrekorden und Titeln gesäumten Weg fortzusetzen, begann für Totilas und Neo-Reiter Rath eine Pleiten-, Pech- und Pannenserie allererster Güte. Kleinere Verletzungen erschwerten die Umstellung, dann musste Rath mit Pfeiffer'schem Drüsenfieber für die Olympischen Spiele 2012 passen. Zudem langte eine inzwischen abgewiesene Klage der Tierschutzorganisation Peta wegen des Einsatzes der in Deutschland verpönten Rollkur, die auf eine extrem enge und tiefe Kopf-Hals-Stellung baut, ein. Mit Ende 2012 wurde das Duo schließlich sogar aus dem deutschen Dressurkader gestrichen. Am Tiefpunkt angelangt verletzte sich Totilas dann im März des vergangenen Jahres beim Deckakt am Knie. Über ein Jahr verging bis zum Comeback, begleitet von ständigen Spekulationen um den Gesundheitszustand. „Seit Totilas in Erscheinung getreten ist, ranken sich Gerüchte um dieses Pferd. Da ist jeder Satz zu viel“, kritisierte Vater Klaus Rath.


Wertsteigerung. Mit Medaillen in Caen könnte sich nun die Lücke schließen, schließlich kam Totilas 2010 als dreifacher Weltmeister aus den Niederlanden. Darauf hoffen nicht zuletzt auch die Eigentümer. Die lange Wettkampfpause hat die Nachfrage für den Samen des 14-jährigen Hengstes regelrecht einbrechen lassen. Bis zu 8000 Euro kostet eine tiefgefrorene Portion – ein rentables Geschäft, obgleich nach dem letzten Vorfall nur noch außerhalb der Saison gedeckt wird. Siege sind weiterhin die beste Werbung, den Titel als teuerstes Pferd in einer olympischen Disziplin ist Totilas nämlich längst los. Letzten Dezember übersiedelte Sprungpferd Palloubet d'Halong für kolportierte 18 Millionen Euro nach Katar. Im Gegensatz zu Totilas wird dieses seinen Preis nicht mehr einbringen, handelt es sich doch um einen Wallach.

Österreich mittendrin

Die 7. Weltreiterspiele finden von 23. August bis 7.September in Caen statt. In der Normandie wird ein Rekordstarterfeld von 1298 Teilnehmern aus 74 Nationen erwartet.

Österreichs Delegation umfasst 34 Athleten und ist erstmals in allen acht Disziplinen (Springen, Dressur, Vielseitigkeit, Fahren, Distanzreiten, Voltigieren, Reining und Para-Dressur) vertreten. Bislang gab es drei rot-weiß-rote Medaillen: 2006 holten die Voltigierer einmal Silber und zweimal Bronze.

Weltverbandspräsidentin Haya bint al-Hussein erklärte indes überraschend ihren Verzicht auf eine dritte Amtszeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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