Ludger Beerbaum: "Das Reiten ist meine Droge"

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Mit der Global Champions Tour machte der weltbeste Springreiter in Ebreichsdorf Station: Ludger Beerbaum. Der Deutsche erzählt über seine Liebe zu Pferden, die Kunst des Springens und verrät, warum er trotzdem kein Lieblingspferd hat.

Herr Beerbaum, eine Legende besagt, Sie hätten das Reiten einst auf einem Esel gelernt. Er war aber ein guter Lehrer, bei all Ihren Erfolgen.

Ludger Beerbaum: Ja, das stimmt schon irgendwie. In dem Stall stand tatsächlich ein Esel, aber dass er mein Lehrer war, ist dann doch ein bisschen weit hergeholt. Ich bin vielleicht drei-, viermal wirklich mit ihm geritten.

Woher rührt dann diese Liebe zu Pferden?

Ach, da gibt es viele Gründe, aber eines gleich vorweg: Pferde und ich, das war keineswegs Liebe auf den ersten Blick. Ich bin zwar auf einem Bauernhof aufgewachsen, aber mir fehlte die Nähe zu Pferden. Mir wurde das einfach nicht in die Wiege gelegt. Auch die ganzen lauten Kommandos, das war nichts für mich. Ich hatte auch Angst. Erst durch einen Freund, der mich mitgeschleppt hatte zu den Tieren und zu Reitstunden, merkte ich, dass da dann doch mehr war. Ich entdeckte eine Leidenschaft, da war auf einmal großer Respekt da.

Wie aber wird man Springreiter, wie trainiert man dafür? Ist es eine hohe Kunst?

Das ist wie vieles im Leben, mehrere Wege führen nach Rom. Anfangs bin ich mitgelaufen, geritten, habe es probiert. Bei einem Reitverein habe ich dann gemerkt: ,Du stellst dich ja gar nicht so viel dümmer an als die anderen.‘ Das ist mir damals so richtig bewusst geworden, ab diesem Moment wollte ich immer mehr. Nach einem Jahr wurde ich bei einem Wettbewerb schon Dritter, dann folgte der erste Sieg. Interesse und Fokus stimmten, der Weg war vorgegeben – sehr zum Leidwesen meiner Eltern. Es ist ja nicht billig, zudem verschlingt Springreiten, ja der ganze Pferdesport, auch sehr viel Zeit. Ich machte die Matura, studierte BWL – doch dann machte ich Pause und blieb bei meinen Pferden.

Und wie erlernt man die Kunst, das Meistern jedes Parcours oder das Springen über 1,60 Meter hohe Hürden?

Tägliches Training, die steten Abläufe, Ausnahmen gibt es kaum, Ausreden gar nicht, außer das Pferd oder ich sind verletzt. Damit es aber nicht zu kompliziert wird, sage ich, wie es denn wirklich funktioniert: Es ist eine spezielle Art der Kommunikation. Stellen Sie sich Gasgeben und Bremsen bildlich vor, dazu das Vorwärtsreiten. Ob Schritt, Trab oder Galopp, Letzterer ist für uns essenziell. Ganz simpel, der Kurs ist ja vorgegeben. Das üben Sie, wir zählen die Schritte vor der Hürde, bis es passt. Ich halte mich dann an die Mischung aus Gasgeben und Bremsen – und mit viel Gefühl geht's los.

Wie wählen Sie das richtige Pferd aus? Es ist ja kein Rennwagen, der auf die jeweilige Strecke abgestimmt wird. Sie haben vier Vierbeiner im Einsatz – Chaman, Carinou, Chiara, Zinedine. Ist es eine Qual der Wahl?

Das ist eine höchst sensible Angelegenheit, sie verlangt Temperament, Charakter, es bedarf des Gefühls – es ist wie bei einem Menschen. Es kommt auf die Stärken des Pferdes an, auch auf den Ort. In Wien sind etwa Chaman und Chiara im Einsatz, das hängt vom Verlauf der Global Champions Tour ab. Ich führe und möchte nach Lausanne auch in Wien gewinnen, gute Karten auf den Gesamtsieg haben für das Finale in Katar – und daher kommen die stärksten Pferde dran. Es ist eine Frage der Saison, deren Verlauf, und freilich hängt es auch vom Gesundheitszustand der Tiere ab. Sie sind alle auf einem Topniveau.

Wie würden Sie die Global Champions Tour beschreiben, Formel 1 der Springreiter ist ja nur ein Begriff der Populärkultur.

Stimmt, dieser Vergleich hinkt. Es ist eine globale Serie – nur die USA fehlen noch, kommen aber 2015 dazu –, in der die Top 30 der Springreitwelt dabei sind. Das bürgt für hohes Niveau, gute Qualität, spannende Events. Dafür gibt es auch sehr gutes Preisgeld – 100.000 Euro für einen Sieg. Es gibt vierzehn Stationen, jetzt ist Ebreichsdorf dran. Mal sehen, ob ich die Serie gewinnen kann. Die Tour ist das Highlight des laufenden Jahres, und wenn Sie etwas Plakatives wollen: Es ist wie die Champions League im Fußball, aber keine WM oder EM. Und schon gar nicht Olympia.

Hugo Simon schwärmte immer von E. T., seinem Paradepferd. Sie hatten auch Dutzende Springpferde, haben Sie denn nicht auch einen absoluten Liebling?

Nein! Das gibt es bei mir nicht. Es mag komisch klingen, wenn man Geschichten über E. T. hört oder kennt. Ich habe und hatte viele gute Pferde und ich kann, ich will da keines rausstellen, hervorheben. Classic Touch, PS Priamos, Goldfever – da gibt es so viele, mit denen ich große Erfolge gefeiert habe. Ich kann zudem nicht sagen, Einzelgold bei den Olympischen Spielen in Barcelona ist mir wichtiger als das Teamgold von Atlanta oder Sydney. Ich kann auch nicht eines meiner eigenen Kinder hervorheben, weil ich sie ja alle liebe. Das mit den Legenden und Sagen, das ist nicht so meines.

Sie sind nicht nur Reiter, sondern haben auch eine Hengststation – ist das Züchten für Sie ein Hobby, ist der Verkauf von Turnierpferden lukrativ?

Vorsicht, da muss man ganz klar trennen. Das Züchten braucht Faible, Herzblut, Muße – für mich ist das ein Hobby. Ich bin Reiter, die Hengststation in Hörstel ist ein Weltklasseprojekt, das Pferde hervorbringt, die weltweit hoch im Kurs stehen. 1600 Stuten wurden im vergangenen Jahr vorgestellt. Das ist eine höchst respektable Zahl. Es macht Spaß.

Sind Sie durch das Reiten reich geworden?

Reich? Ich kann jedenfalls immer all meine Rechnungen bezahlen. Reichtum ist für mich relativ.

Sie haben alles gewonnen, was diese Disziplin zu bieten hat, sitzen seit 30 Jahren im Sattel – wie behält man da die Motivation?

Es ist der Spaß, der ist mein größter Antrieb. Ich suche mir Herausforderungen, jeden Tag immer neue. Auch habe ich enorme Freude am Springen. Vor 30 Jahren gab es eine Handvoll Sieganwärter, jetzt sind es zwei Dutzend. Erfolge sind mein Antrieb, es ist wie großer Appetit, Reiten ist meine Droge. Natürlich zwickt es dann und wann, auch hast du nicht jeden Tag Freude oder Lust, aber ich habe es hingekriegt. 2012 hatte ich mir als bestes Datum gesetzt, um aufzuhören. Aber ich war bei den Sommerspielen in London nicht dabei. Also habe ich meinen persönlichen Vertrag noch einmal bis Rio de Janeiro 2016 verlängert. Aber was dann passiert, ist offen.

SPRINGREITHIT

Coup mit der Champions-Tour
Die Global Champions Tour machte erstmals im Racino Station. Das Event, das die Top 30 der Welt präsentiert, wurde in 100 Länder live übertragen, Es war die größte Pferdesportveranstaltung, die es in Österreich je gab. Den Coup organisiert hat Reitlegende Thomas Frühmann.

Steckbrief

1963
wurde Ludger Beerbaum in Detmold, Deutschland geboren.

4
Er ist einer der weltbesten Springreiter, gewann viermal Olympia- und WM-Gold, er ist siebenfacher Europameister.

2004
Das bei Olympia in Athen gewonnene Teamgold wurde wegen Dopings bei seinem Pferd Goldfever aberkannt.

2014
Abseits der Parcours führt der Familienvater eine Hengststation und verkauft Turnierpferde. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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