Tokio 2020: Wiederauferstehung Japans mit Olympia in Fukushima

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RNPS IMAGES OF THE YEAR 2008(c) REUTERS (� Toru Hanai / Reuters)
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Im Rahmen der Sommerspiele will auch Fukushima Wettkämpfe veranstalten. Die Base- und Softballidee klingt gut, stellt aber das Konzept der Japaner infrage.

Masao Uchibori hat das gesagt, was lange Zeit jeder dachte, aber keiner aussprechen wollte. „Wir brauchen ein Ziel, um zeigen zu können, wie weit sich Fukushima erholt hat.“ Er bezog sich auf die Olympischen Spiele 2020, und so war klar, wovon genau der Gouverneur der Präfektur Fukushima sprach. Wenn Tokio in fünf Jahren die Sommerspiele veranstaltet, sollen seiner Meinung nach auch Base- und Softballspiele hier ausgetragen werden. Hier in Fukushima, wo das seit März 2011 havarierte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi täglich reichlich radioaktive Strahlung ausstößt.

Da die Spiele in Japan wohl teurer werden als veranschlagt, wird der gesamte Veranstaltungsplan neu überdacht. 14 Sportarten könnten auf Städte außerhalb Tokios verlegt werden. Dadurch wäre das eigentliche Konzept nicht nur weniger kompakt, sondern es stellt die Frage der Sicherheit auf ganz neue Weise. Doch möglich machte es die Agenda 2020 des Internationalen Olympische Komitees. Sie hat zum Ziel, Spiele günstiger, transparenter, liberaler zu machen. So erhalten Ausrichter höhere finanzielle Unterstützung und: Wettkämpfe können fernab der Host-City ausgetragen werden.

Das bringt Tokios Organisationskomitee nun in Verlegenheit. In der Bewerbungsphase hatten sich die Offiziellen weit aus dem Fenster gelehnt. Einerseits tönte man, die Spiele 2020 würden wie der Vorgänger 1964 zu einem Symbol der Wiederauferstehung werden. Was einst die endgültige Erholung von der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs markiert hat, soll in fünf Jahren das Abschließen mit der verheerenden Kombination aus Erdbeben, Tsunami und der Reaktorkatastrophe in Fukushima sein. Zur Erinnerung: Im März 2011 verloren über 300.000 Menschen ihre Heimat, 20.000 starben.

Japans Premierminister, Shinzo Abe, versprach bei einer Liveübertragung in die ganze Welt: Vom havarierten Atomkraftwerk in Fukushima gehe für Tokio keine Gefahr aus. Es sei so weit weg, dass gar nichts passieren könne. Dieser Widerspruch zwischen der Tränendrüse in Bezug auf 2011 und der Versicherung, dass Fukushima ohnehin kein Problem mehr darstelle, ließ Tokios Konzept bislang heuchlerisch aussehen. Zumal man gleichzeitig damit warb, dass mehr als 80 Prozent der Wettkämpfe in einem Acht-Kilometerumkreis des Olympischen Dorfs steigen würden. Nichts sollte in Fukushima stattfinden. Jetzt dient es plötzlich als Aushängeschild?

Symbolwirkung der Spiele

Eine Kombination aus Finanzierungsengpässen in Japan und den jüngsten Reformen des IOC geben dem Organisationskomitee nun die Gelegenheit, die Spiele zu einem Symbol der Wiederauferstehung zu machen. Masa Tayaka, Sprecher des Organisationskomitees, sagt: „Mehrere Lokalregierungen haben uns angesprochen, weil sie Wettkämpfe austragen wollen. Und unser Präsident, Yoshiro Mori, hat auch gesagt, dass das eine gute Idee sein könnte.“ Den Namen Fukushima erwähnte Tayaka in einem 40-minütigen Gespräch nur einmal. Tunlichst vermied er, konkret zu werden. „Derzeit sind wir dabei, den Plan zu überdenken“, so Tayaka weiter. Man wolle zwar grundsätzlich an der Idee festhalten, die meisten Wettkämpfe nah am Stadtzentrum Tokios auszutragen, aber die Wiederauferstehung Japans nach 2011 sei weiterhin zentrales Motiv dieser Spiele. Tokios Bürgermeister, Yoichi Masuzoe, sagte in ähnlichem Ton: „Olympia soll der Welt zeigen, wie sich die betroffene Region wiederaufgebaut hat. Wir wollen kooperieren.“

Nur muss Tokio der Welt dann auch erneut unter Beweis stellen, dass die Spiele den hochtrabend auferlegten Sicherheitskriterien genügen. Zwar sind bei Weitem nicht alle Gebiete in Fukushima und dem Nordosten Japans von hoher Strahlung betroffen. Aber das Kraftwerk, in dem es im März 2011 zu Kernschmelzen in drei Reaktoren gekommen ist, raucht weiterhin kaum kontrolliert vor sich hin. Wind und Regen können jederzeit Radioaktivität in andere Gebiete tragen.

So sehr man sich in Fukushima und den anderen Präfekturen Tohokus, wie die zerstörte Region im Nordosten Japans heißt, um das Austragungsrecht einiger Wettkämpfe bemühen wird, dürften sich die Organisatoren jetzt um neuerliche Prüfungen der Sicherheitslage sorgen. Das kann nur gut für den Nordosten des Landes sein, und in dieser Hinsicht auch für Olympia 2020. „Wir haben ein viel breiteres Konzept, was die Erholung von der Katastrophe von 2011 angeht, als dort ein paar Wettbewerbe zu ermöglichen“, sagte Masa Tayaka. Was normalerweise als Floskel rüberkommt, mit der man sich zu nichts Konkretem verpflichtet, könnte in diesem Fall tatsächlich eine weitreichende Bedeutung haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2015)

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