Schach: „Carlsen ist nur ein Mensch“

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Bei den Vienna Chess Open ist Simen Agdestein zu Gast. Der Norweger über seine kuriose Karriere und Weltmeister Magnus Carlsen.

Wien. Der prunkvolle Festsaal des Wiener Rathauses gehört dieser Tage Königen, Damen und Bauern, denn bis Sonntag werden in diesem ehrwürdigen Ambiente die Vienna Chess Open ausgetragen. Insgesamt rund 850 Teilnehmer aus 52 Nationen zählt die 19. Auflage des Schachfestivals, Anfänger und Hobbyspieler messen sich ebenso wie Profis in den verschiedenen Turnierkategorien. Auch Österreichs Nummer eins, Markus Ragger, kann bei freiem Eintritt auf die Finger geschaut werden. Der Weltranglisten-55. aus Kärnten hat erst im Juli mit der Elo-Zahl von 2688, die der Bestimmung der Spielstärke gilt, eine neue österreichische Bestmarke aufgestellt und liefert sich parallel zum Hauptturnier ein Duell mit dem aserbaidschanischen Großmeister Shakhriyar Mamedyarov, Nummer 22 der Welt.

Auch abseits der Spielbretter findet sich ein prominenter Gast: Der norwegische Großmeister Simen Agdestein betreut in Wien ein Nachwuchsteam. Der 48-Jährige ist als einstiger Trainer von Weltmeister Magnus Carlsen bekannt, dabei blickt er selbst auf eine ebenso eindrucksvolle wie kuriose Sportkarriere zurück. 1985 erhielt er als erster Norweger den Großmeistertitel, zugleich lief er achtmal für das Fußball-Nationalteam auf – einmal sogar gegen Österreich. Im Mai 1989 kam es beim Freundschaftsspiel in Oslo zum Zusammentreffen mit Andreas Herzog oder Heribert Weber. „Daran kann ich mich nur dunkel erinnern“, sagt Agdestein im Gespräch mit der „Presse“. „Das alles ist so lange her, es fühlt sich an wie ein anderes Leben.“

An der Seite des Genies

Eine schwere Knieverletzung beendete im Alter von nur 25 Jahren Agdesteins Fußballkarriere und damit auch den inneren Spagat zwischen den grundverschiedenen Sportarten. Dem Schach blieb er treu, neben seiner Karriere als Spieler begann er an einer Sportschule Kinder zu unterrichten. Bei einem Nachwuchsturnier stach ihm dann der neunjährige Magnus Carlsen ins Auge. „Seine Begabung habe ich gleich beim ersten Mal erkannt“, erinnert er sich. „Ich habe seinem Vater damals gesagt, dass er vor seinem 14. Geburtstag Großmeister werden würde.“ Den Titel erlangte Carlsen bereits mit 13, 2006 stach der Schüler dann den Meister aus und sicherte sich die norwegische Meisterschaft. „Ich habe Magnus nichts beigebracht, ich habe ihn nur motiviert und inspiriert. Um so gut wie er zu werden, muss es von innen kommen“, meint Agdestein bescheiden. Seit 2010 führt Carlsen die Weltrangliste an, markierte zudem die höchste Elo-Zahl (2882). 2013 sicherte er sich gegen den Inder Viswanathan Anand den WM-Titel und verteidigte ihn im Vorjahr erfolgreich.

Doch nicht nur aus sportlicher Sicht sei Carlsen, der auch modelt, ein Gewinn für den Schachsport. „Er macht einen fantastischen Job und hat Schach ungemein populär gemacht“, sagt Agdestein. „In Norwegen streiten sich die Fernsehsender darum, seine Spiele zu übertragen.“ Dass der 24-Jährige mit seiner kühlen Art zuweilen als arrogant wahrgenommen wird, kann sein ehemaliger Trainer nachvollziehen. „Magnus gibt sich ganz verschieden, je nachdem ob er mit Freunden unterwegs ist oder in der Öffentlichkeit steht.“

Wie lange sich Carlsen auf dem Thron halten wird, wagt Agdestein nicht zu prognostizieren. Unschlagbar sei der Weltmeister nicht. „Er ist auch nur ein Mensch, wenn auch ein sehr talentierter.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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