Deutschland: Traum von Olympia ist zerplatzt

Olympia-Fahne in Hamburg
Olympia-Fahne in Hamburg(c) APA/dpa/Bodo Marks
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Die Hamburger wollen nicht, dass ihre Stadt Austragungsstätte olympischer Sommerspiele wird. Die unklare Finanzierung war wohl ein großes Hindernis.

Hamburg/Berlin. November 2013, Schauplatz Bayern. Das schöne München und seine Umgebung sollen Austragungsort eines internationalen Großereignisses werden. Es geht um die Olympischen Winterspiele 2022. In vier Regionen werden die Bürger schließlich zu den Urnen gerufen. Ihr Votum wird die Kritiker freuen, die Befürworter fassungslos zurücklassen. Die Mehrheit der Bevölkerung erteilt dem Wunsch nach einem großen Sportevent auf deutschem Boden nämlich eine Absage. „Ich glaube, in ganz Deutschland sind Olympia-Bewerbungen mit dem heutigen Tag vom Tisch“, sagte der Landtagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Ludwig Hartmann, damals.

Mit dieser Einschätzung sollte der Politiker Recht behalten. Hamburg wollte es dennoch versuchen. Erst im heurigen Frühjahr hatte der Deutsche Olympische Sportbund entschieden, dass sich die Hansestadt – und nicht Berlin – für die Olympischen Sommerspiele 2024 bewerben sollte. Doch davor galt es noch ein Referendum abzuhalten.

Sonntagnacht kam schließlich das Ergebnis: 51,6 Prozent der Bürger lehnten eine Bewerbung für Olympia ab. Die Wahlbeteiligung in der Hansestadt (rund 1,3 Millionen durften abstimmen) lag bei 50,1 Prozent.

Sportler zeigen sich enttäuscht

Für Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz ist das Votum eine herbe Niederlage. Schließlich galt Scholz als treibende Kraft des Projekts. Er akzeptiere das Ergebnis, auch wenn er sich eine andere Entscheidung gewünscht hätte, so der Politiker. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm das Ergebnis „mit Bedauern zur Kenntnis“.

Ziemlich frustriert und mit Unverständnis reagierte die deutsche Sportwelt. Man ziehe über Sotschi und Doha her, sei aber selbst nicht in der Lage, Sportereignisse dieser Dimension auszurichten, kommentierte der Chef des Deutschen Leichtathletikverbandes, Clemens Prokop, die Niederlage. Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, sagte: „Es scheint so, dass der olympische Gedanke und Deutschland im Moment nicht zusammenpassen.“ Beim Internationalen Olympischen Komitee in Lausanne gab man sich indes keinen Illusionen hin. Angesichts der Diskussionen im Vorfeld sei man über das Ergebnis nicht überrascht. Die genauen Gründe der Absage dürften vielfältig sein. Zum einen produzierten der Fifa-Skandal und eine mögliche Korruption bei der Fußball-WM-Vergabe an Deutschland zuletzt reichlich negative Schlagzeilen. Zum anderen wird Deutschland mit voller Wucht von der Flüchtlingskrise getroffen, hinzu kamen zuletzt noch die Terroranschläge von Paris. Weiters hätte die Bewerbung Hamburgs Milliardenkosten nach sich gezogen. Berechnungen des rot-grünen Senats beliefen sich auf Ausgaben von mehr als elf Milliarden Euro. Den Plänen nach sollte die öffentliche Hand 7,4 Milliarden Euro schultern, 1,2 Mrd. Euro allein die Stadt. Doch vom Bund gab es noch gar keine fixe Finanzierungszusage, im Gegenteil. In Berlin beobachtete man die Pläne der Hamburger mit Skepsis.

Gleichzeitig konnten die Bürger Hamburgs in den vergangenen Jahren beobachten, wie Deutschland bei Prestigeprojekten versagte. Einer der Skandalbauten steht in der Hansestadt selbst. Das Konzerthaus Elbphilharmonie hätte ursprünglich 77 Mio. Euro kosten sollen, die Eröffnung war für 2010 geplant. Inzwischen sind die Ausgaben auf rund 790 Mio. Euro explodiert. Das erste Konzert soll nun im Jänner 2017 stattfinden. (ag/nst)

AUF EINEN BLICK

Die Mehrheit der Hamburger hat sich in einem Referendum gegen eine Bewerbung ihrer Stadt für die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2024 ausgesprochen. Die veranschlagten Kosten für das Projekt beliefen sich auf mehr als elf Mrd. Euro. Die Politik nahm das Votum mit Bedauern zu Kenntnis. Die Sportwelt zeigte sich fassungslos. Schon vor zwei Jahren hatten die Bürger Bayerns eine Bewerbung für die Winterspiele 2022 abgelehnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2015)

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