Sport, ein Zukunftsmodell?

Leo Windtner sieht einen Weg für den Sport in Österreich.
Leo Windtner sieht einen Weg für den Sport in Österreich.Die Presse
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Vielen Kindern gilt Sport nichts mehr, Bewegungsarmut wird zudem auch durch unverständliche Sparmaßnahmen forciert – dabei sind Spaß und Gesundheit eigentlich unbezahlbar.

Der Sport in unserer Gesellschaft steht am Scheideweg. Während sich die Spitze in Richtung immer extremerer Leistungen und Dimensionen – im Sinn von höher, weiter, schneller – entwickelt, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich die Realität in der Bevölkerung ins Gegenteil verkehrt. Vielen Kindern gilt Sport nichts und sogar die fortschreitende Bewegungsarmut wird durch unverständliche Sparmaßnahmen, etwa bei Schulskikursen, noch verstärkt. Man muss sich die Frage stellen: Ist Sport ein Zukunftsmodell für die Breite der Gesellschaft oder verkommt er zu einer Nische für Extreme?

Der Mensch kann ohne Sport leben, aber nicht ohne Bewegung. Bewegungsfreude muss daher bereits im frühen Kindesalter vermittelt werden. Sport bereichert sodann die Bewegung mit dem Leistungs- und dem Sozialaspekt, etwas gemeinsam zu erreichen. Eine Studie des Bundesinstitutes für Sportwissenschaft untersuchte die gesellschaftliche Relevanz des Sports in Deutschland. Darin wird klar festgestellt, dass die Zukunft des Sports in unserer Gesellschaft eng mit der Förderung des Spitzensports zusammenhängt. Demnach sind 90 Prozent der deutschen Bevölkerung der Ansicht, dass Spitzensportler eine Vorbildfunktion insbesondere in puncto Leistungswillen haben. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Studie der Österreichischen Sporthilfe, demnach sind 82,4 Prozent der Ansicht, dass Spitzensportler Werte wie Leistung vermitteln.


Sport ist sehr wohl Kultur. 66 Prozent der Deutschen freuen sich, wenn Athleten Olympia- oder WM-Gold gewinnen. Menschen mit Migrationshintergrund werden sogar signifikant glücklicher durch Erfolge als solche ohne Migrationshintergrund, der Spitzensport übt somit eine Integrationsfunktion aus. Das beste Beispiel dafür liefert ja auch das Fußballnationalteam.

23 Prozent werden durch Erfolge anderer selbst zum Sport animiert, bei den bis zu 30-Jährigen sind es 32 Prozent. Ohne Spitze keine Breite, und Investitionen in den Spitzensport rechnen sich, zwar nicht unmittelbar finanziell, aber bringen der Gesellschaft viel. Es werden Vorbilder geschaffen, es sind quasi Bewegungsanimateure.

Doch es wäre zu kurz gegriffen, die Bedeutung des Sports lediglich auf die Bewegung und die gesundheitliche Relevanz zu reduzieren. Sport vermittelt wichtige Werte in der Gesellschaft, verbindet Generationen, Kulturen und fördert die Gemeinsamkeit. Er spornt an, fördert Kommunikation, Solidarität und Begeisterung für eine gemeinsame Sache. Sport ist Kultur. Sport verbindet Ziele, Bedürfnisse und Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft: Selbstwertgefühl mit Verantwortungsbewusstsein; Lebensfreude mit der Bereitschaft, sich anzustrengen; Teamfähigkeit mit Individualismus; Kommunikations- und Konfliktfähigkeit; Kritikfähigkeit mit sozialem Engagement; das Streben nach Erfolg mit der Fähigkeit, Niederlagen zu verkraften. Damit ist Sport nicht Anhängsel der Gesellschaft, quasi das Sahnehäubchen am gesellschaftlichen Leben, sondern ein wichtiger Baustein und Grundpfeiler, der gemeinsam gefördert werden muss.

Doch auch im Sport sind Gefahren zu erkennen. Wie so oft ist es das Extreme, das Gesundheit oder Moral schädigt. Durch immer extremere Entwicklungen bei der Ausübung des (Spitzen-)Sports werden auch Verletzungen immer schwerwiegender. Gleichzeitig erreichen die Vermarktung des Sports und damit die Geldsummen, die bei Großereignissen für Topstars bewegt werden, ungeahnte Höhen. Nicht zuletzt ist der Sport natürlich ein Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsplätze und damit auch Wohlstand sichert. Die Ergebnisse einer Studie des Sports-Econ-Austria-Instituts für Sportökonomie (SpEA) sprechen eine deutliche Sprache: Die Sportwirtschaft ist direkt oder indirekt für eine Wertschöpfung von 17,1 Milliarden Euro im Jahr verantwortlich. Das sind sechs Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung bzw. jeder 17. in Österreich erwirtschaftete Euro kommt aus dem Sport. Insgesamt werden 330.000 Jobs gesichert, das heißt, jeder dreizehnte Arbeitsplatz.


Der nötige Schulterschluss. Insgesamt kann die Frage zum Einstieg, ob Sport ein Zukunftsmodell sei, mit einem klaren Ja beantwortet werden. Allerdings brauchen wir einen nationalen Schulterschluss, der den Sport in der Breite und in der Spitze umfasst. Egal, ob es die tägliche Turnstunde, die notwendige Infrastruktur oder Ausrichtung von Großereignissen betrifft. Wenn wir Sport fördern, bekommt die Gesellschaft ein Vielfaches zurück: in harten Euro, aber vor allem in Identität, Gesundheit, Zusammenhalt und Begeisterung. Werte, die eigentlich unbezahlbar sind.

Zur Person

Leo Windtner
(*30. August 1950 in Linz), Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich und ehrenamtlicher Präsident des Österreichischen Fußballbundes.

Energie AG
Der Absolvent des Welthandelstudiums begann 1978 bei der Kraftwerke AG (OKA), der heutigen Energie AG. 1985 wurde er Abteilungsleiter, 1994 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor.

Sport
Von 1989 bis 1996 war Windtner Präsident der Sportunion Oberösterreich, ab 1999 ÖFB-Vizepräsident und ist seit dem Rücktritt von Friedrich Stickler im Februar 2009 Chef des ÖFB.

Privat
Der Obmann der St. Florianer Sängerknaben ist verheiratet, hat drei Töchter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2016)

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