Schwedische Hausmannskost mit einem Filetstück

Auch wenn sie es vom Teamchef abwärts leugnen – Schweden steht und fällt mit Zlatan Ibrahimović. Die EM 2016 wird keine Ausnahme sein.

Nein, man könne eben nicht behaupten, Schweden habe die EM-Teilnahme nur Zlatan Ibrahimović zu verdanken, erklärte Teamchef Erik Hamren. Sein Superstar erzielte im Qualifikations-Play-off gegen Dänemark (Gesamt 4:3) drei der vier schwedischen Tore, hat sein Land also praktisch im Alleingang nach Frankreich geschossen und einmal mehr den Eindruck hinterlassen, Schweden steht und fällt mit Ibrahimović. Für Hamren war dennoch der Teamgeist entscheidend.

Aber das muss der schwedische Coach wohl sagen. Erstens, weil er vor allem auf Spieler aus der heimischen Liga setzt. Sein Argument dafür lautet: „Ein guter Koch kann auch aus einer Wurst eine gute Mahlzeit machen.“ Und zweitens, weil die Qualifikation für Frankreich ein äußerst dramatisches Unterfangen war. Dass die Skandinavier den Umweg über das Play-off nehmen mussten, hat auch mit Österreich zu tun. Hinter dem ÖFB-Team (28 Punkte) und Russland (20) landete Schweden in Qualifikationsgruppe G nur auf Platz drei.

Zwar schaffte es Hamrens Truppe nach Enttäuschungen gegen Russland (0:1) und Österreich (1:4), das Ruder rechtzeitig zum Play-off herumzureißen, der Teamchef steht wegen seiner Personalpolitik und Taktik aber weiterhin in der Kritik. Auch die beiden Testspiele im März überzeugten nicht. Gegen Tschechien wurde remisiert (1:1), gegen die Türkei fehlte Ibrahimović, prompt setzte es eine Niederlage (1:2).


Größen der 1990er. Vor der EM wird noch gegen Slowenien und Wales getestet, in Frankreich wartet auf die Schweden dann alles andere als eine leichte Aufgabe. In Gruppe E treffen sie auf Italien und Belgien, der Auftakt gegen Irland am 13. Juni in Saint-Denis wird aber das Schlüsselspiel sein. Das sagt auch Hamren: „Irland und wir sind die Außenseiter. Der Sieger hat gute Chancen aufzusteigen.“ Obwohl Schweden als 36. in der Fifa-Weltrangliste hinter den EM-Gegnern liegt, hat Hamren den Aufstieg als Ziel ausgegeben. In die K.-o.-Phase einer EM haben es die Schweden zuletzt 2004 geschafft (Viertelfinale), 2008 scheiterten sie bereits in der Vorrunde, 2012 sogar als Gruppenletzter. Ihr bestes Ergebnis erreichten sie als EM-Gastgeber 1992 mit einem Halbfinale.

Doch mit Größen der 1990er-Jahre wie Ravelli, Brolin, Larsson und Dahlin ist das heutige Team nicht zu vergleichen. Es fehlen Spieler, die bei ihren Vereinen regelmäßig auf europäischem Topniveau gefordert sind. Viel wird also davon abhängen, wie sehr Ibrahimović in Torlaune ist. „Wir haben eine gute Chemie zwischen unserem Weltklassespieler und dem Team gefunden“, meinte Hamren. Er war es auch, der Ibrahimović 2010 zum Kapitän gemacht hat. Zu klären ist noch, ob der Superstar mit John Guidetti (Celta Vigo) oder Marcus Berg (Panathinaikos Athen) das Sturm-Duo bilden wird.


Abschiedsvorstellung. Bei der Personalie des Teamchefs gibt es bereits Klarheit. Hamren, 58, verabschiedet sich nach der EM. 2009 hat er von Lars Lagerbäck – siehe Interview rechts – übernommen, sein Nachfolger wird Norrköping-Coach Janne Andersson.

Außerdem wird spekuliert, ob demnächst auch die Ära des 34-jährigen Ibrahimović (111 Länderspiele) im Nationalteam zu Ende geht. Die Wettquoten, dass er als amtierender Europameister seine Entscheidung verkünden wird, liegen bei eins zu 50 – für Ibrahimović wohl eher Ansporn denn Grund zur Resignation. Und selbst wenn sich die Skandinavier früh aus Frankreich verabschieden sollten, könnte es für den „Elchkick“ eine große Zukunft geben. Schweden triumphierte im Vorjahr bei der U21-EM.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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