Doping: Russlands Sport droht die nächste Hiobsbotschaft

CYCLING - Tour of Austria 2016
CYCLING - Tour of Austria 2016(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Philipp Brem)
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Die Wada-Kommission präsentiert heute den Untersuchungsbericht zu mutmaßlich manipulierten Proben während der Winterspiele in Sotschi 2014. Internationale Anti-Doping-Experten fordern den kompletten Rio-Ausschluss.

Toronto/Wien. Erst heute Nachmittag wird Wada-Chefermittler Richard McLaren in Toronto seinen Untersuchungsbericht zu den Vorwürfen um manipulierte Dopingproben russischer Sportler bei den Winterspielen 2014 in Sotschi präsentieren, doch vorab durchgesickerte Informationen lassen bereits auf ein erneutes Erdbeben in der Sportwelt schließen. Alles deutet darauf hin, dass der Jurist Beweise vorlegen wird, dass damals positive Dopingproben von höchster Stelle vertuscht worden sind.

Die kursierenden Geschichten klingen nicht minder kurios wie erschreckend. Durch ein Loch in der Wand sollen die Dopingproben im Labor von Sotschi zur Manipulation in ein Hinterzimmer gereicht worden seien. Mehrere Dutzend russische Athleten sollen gedopt an den Start gegangen sein, 15 davon am Ende sogar Medaillen gewonnen haben.

Doch damit nicht genug: Offenbar soll der Bericht auch über die Winterspiele hinausgehen und weitergehende Ausführungen zu Doping in Russland enthalten, etwa in den Sportarten Schwimmen, Kanu und Leichtathletik.

Die Vorwürfe beziehen sich auf Informationen aus erster Hand: Grigori Rodschenkow hatte als früherer Leiter des Dopinglabors in Sotschi Einblick in alle wichtigen Prozesse des Systems und fungierte als Kronzeuge. Rodschenkow ist mittlerweile aus Russland geflüchtet und lebt in den USA.

Zerreißprobe für IOC

Drei Wochen vor der Eröffnung der Sommerspiele in Rio droht dem IOC und Präsident Thomas Bach eine Zerreißprobe. Der Deutsche hatte stets null Toleranz proklamiert, sich bislang aber gegen einen Komplettausschluss Russlands ausgesprochen. „Das IOC muss die richtige Balance zwischen kollektiver Verantwortung und individueller Gerechtigkeit finden. Es ist offensichtlich, dass man einen Badminton-Spieler nicht für Manipulationen eines Offiziellen oder eines Laborleiters bestrafen kann“, sagte Bach und betonte: „Jeder, der nicht involviert war, kann nicht für das Fehlverhalten anderer bestraft werden.“

Eine Reihe von Anti-Doping-Experten sieht dies jedoch anders und fordert angesichts der systematischen Durchführung und staatlicher Deckung drastische Maßnahmen. Noch vor der Veröffentlichung des Berichts hat eine Allianz mehrerer nationaler Anti-Doping-Agenturen unter Führung der USA und Kanadas einen Brief an das IOC aufgesetzt, in dem dieses zu einer Entscheidung bis zum 26. Juli aufgefordert wird, dem NOK und den Sportverbänden Russlands die Teilnahme an den Spielen in Rio zu verwehren. Das Schreiben soll umgehend verschickt werden, sollten sich die Verdachtsmomente am Montag bekräftigen.

Russland wittert Verschwörung

Russland wittert hinter den jüngsten Entwicklungen hingegen eine westliche Verschwörung. „Das gleicht den Wirtschaftssanktionen (in der Ukraine-Krise, Anm.), die aufgrund unbestätigter Tatsachen gegen uns verhängt wurden. Doping ist nur ein Vorwand, um Konkurrenten auszustechen. Anstifter sind wohl die USA“, empörte sich Dmitri Swischtschjow, Chef des Sportausschusses im Parlament, und auch Sportminister Witali Mutko kritisierte den Vorwurf des Staatsdopings. „Schauen Sie in die USA: Der siebenfache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong hat gedopt, und niemand hat eine Kommission geschaffen, um das Land auszuschließen.“ (ag./swi)

AUF EINEN BLICK

Die Wada-Kommission wird heute den sogenannten McLaren-Bericht vorlegen. Bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 sollen Dutzende russische Sportler dank manipulierter Proben gedopt an den Start gegangen sein, 15 sogar Medaillen gewonnen haben. Womöglich erstreckt sich das Dopingsystem auch auf weitere Sportarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2016)

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