Der kühne Kroate Marin Cilic besiegt bei den US Open Mitfavorit Andy Murray.
New York. Es schien fast so, als wäre es ein Sieg wie jeder andere gewesen. Nachdem Marin Cilic den Briten Andy Murray in drei Sätzen im Achtelfinale der US Open aus dem Bewerb genommen hatte, schrie er kurz auf und ballte die Fäuste. Dann marschierte er in Richtung Netz, um die Gratulation des Verlierers entgegenzunehmen. Der Jubel war verhalten, wer auf große Emotionen des 20-jährigen Kroaten wartete, wurde enttäuscht.
Dabei sorgte Cilic mit dem Sieg über die Nummer zwei der Welt für die bislang größte Sensation im Herrenbewerb des letzten Grand-Slam-Turniers des Jahres. Murray stand im vergangenen Jahr in New York im Finale und galt auch heuer als einer der größten Herausforderer von Titelverteidiger Roger Federer (Schweiz).
Doch von einer Sensation wollte der jüngste der 50 besten Herren der Weltrangliste nichts wissen. „Ich habe gut gespielt. Und wenn ich gut spiele, kann ich jeden schlagen“, lautete die kurze Erklärung von Cilic für seinen Überraschungssieg. Der Kroate wird Ende des Monats seinen 21. Geburtstag feiern, auf dem Tennisplatz und in den Pressekonferenzen wirkt der 1,98 Meter große Tennisspieler aber bedeutend reifer. Gegen Murray sah sich Cilic nur einmal mit einer heiklen Situation konfrontiert, als er bei 4:5 im ersten Satz zwei Satzbälle abwehren musste, ehe er schließlich souverän 7:5, 6:2, 6:2 gewann.
Ivanisevic als Entdecker
Beeindruckend dabei: die Nervenstärke des Kroaten, dessen Aufschlag als seine größte Waffe gilt. Die Satzbälle wehrte er mit einem Ass und einem direkten Punkt ab. Und im letzten Game, in dem gerade Außenseiter oftmals die Nerven verlieren, servierte Cilic zwei weitere Asse. „Ich versuchte, gar nicht viel nachzudenken, sondern spielte einfach mein Spiel durch“, sagte er nach dem Match.
Mit dem Sieg über Andy Murray gelang Cilic der größte Erfolg seiner Karriere, er zog zum ersten Mal in das Viertelfinale eines Grand-Slam-Turniers ein. Trotzdem ist der 20-Jährige kein unbeschriebenes Blatt im Tenniszirkus. Im chinesischen Chennai sorgte er zu Jahresbeginn mit dem Turniersieg für eine Überraschung; in Wimbledon unterlag er dem Semifinalisten Tommy Haas nur knapp.
Tennisprofi wurde Cilic im Alter von 15, als ihn der frühere Wimbledon-Sieger Goran Ivanisevic in das italienische San Remo zum Training einlud. Dort zeigte sich Bob Brett, ehemaliger Trainer von Ivanisevic, sofort begeistert von dem Teenager und bot ihm die Zusammenarbeit an. „Goran hat ein unglaubliches Auge, wenn es um das Erkennen von riesigen Talenten geht“, sagte Brett damals. 2006 führte Cilic bereits die Weltrangliste der Junioren an, 2007 drang er als 18-Jähriger erstmals in die Top 100 der Herren vor. Mittlerweile steht er auf Position 17.
Das Duell der 20-Jährigen
Viele sehen den Kroaten schon bald deutlich weiter oben stehen. „In fünf Jahren wird Cilic die Nummer zwei der Welt sein“, sagte der ehemalige Profi Jim Courier bereits im Vorjahr. Stärker schätzt der US-Amerikaner lediglich den Argentinier Juan Martin del Potro ein. Del Potro ist ebenfalls 20 Jahre alt, im Viertelfinale spielen die beiden gegeneinander.
Von der Spielanlage könnten sie sich ähnlicher kaum sein. Beide sind 1,98 Meter groß, beide geben als größte Waffe den starken Aufschlag an. Bislang war Del Potro erfolgreicher, er hat sich in den Top Ten etabliert und steht auf Rang sechs der Weltrangliste.
AUF EINEN BLICK
■Marin Cilic, geboren am 28.September 1988, sorgte bei den US Open für die bislang größte Sensation im Bewerb der Herren. Er besiegte den Briten Andy Murray souverän in drei Sätzen.
■Der Kroate ist der jüngste Spieler unter den 50 besten der Weltrangliste. im Viertelfinale des Turniers in New York trifft er auf Juan Martin Del Potro. Der Argentinier ist um fünf Tage älter, also ebenfalls erst 20 Jahre alt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2009)
