Wie sich Österreichs Sport selbst zerfleischt

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In Österreich wird eine Sport-GmbH als einzige Förderstelle geplant. Manch Rio-Förderung ist kurios, die Dachverbände bleiben ein Tabuthema - eine schonungslose Bestandsaufnahme.

Österreichs Sport betreibt eine neue Form der Selbstzerfleischung. Nach den Sommerspielen in Rio begann das große Abrechnen. Ob provokant durch den Leichtathletikpräsidenten, der öffentlich mit eigenen Athleten hart ins Gericht ging. Ob ungeheuer skurril durch Peter Schröcksnadel, der manche Förderung als „falsch“ einstufte. Und die Frage, die sich Sportminister Hans-Peter Doskozil nun stellt, wie es denn mit dem Spitzensport, seiner parteipolitisch verfilzten Organisation und einer neuen, sinnvollen Vergabe von Fördergeldern mit dem Ende des Gießkannenprinzips weitergehen sollte, droht die Nation weiter zu spalten.

Doskozils Erzählungen klingen hervorragend, sie versprechen das Mitwirken von Experten. Auch wird er getrost bei der Suche nach geeigneten Koordinator-Nachfolgern für Schröcksnadel schnell fündig. Und dennoch, installiert der Minister Prime-Sportarten und riskiert so die finanzielle Konzentration auf bei Olympia aussichtsreiche Sparten, droht eine neue Kontroverse. Dann würden einige Disziplinen in Österreich verschwinden – selbst der Geldsumpf des gelebten Föderalismus könnte sie nicht retten. Sportler müssten dann vorher Leistung bringen, um Gelder zu erhalten. An sich logisch, nur der Aufschrei hierzulande ist enorm.


Verlangen, Hingabe, Willen. Eine unabhängige Sport-Austria-GmbH ist als einzige Ausgabestelle von Förderungen geplant. In ihr sollen Institutionen wie Sporthilfe, Team Rotweißrot etc. entweder aufgehen oder endgültig gelöscht werden. Das spart viel Geld, für unnötige Administration, Mieten oder Spitzengehälter SPÖ-naher Generalsekretäre. In diesem Punkt ist mit Polit-Widerstand zu rechnen, ohne Gesetzesnovelle und parlamentarische Zustimmung ist so eine Reform aber nicht zu bewerkstelligen. Deshalb bleibt die Zusammenlegung der drei Dachverbände Askö (SPÖ), ASVÖ (überparteilich) und Union (ÖVP) eine Illusion.

Geld allein garantiert keine Medaillen. Es ermöglicht bessere Zugänge, Trainings, Infrastrukturen, lockt fähige Trainer an. Es bietet Perspektiven, doch der eigentliche Antrieb – Verlangen, Hingabe, Interesse, Willen und Können –, den müssten Athleten schon selbst mitbringen. Ihnen im Nachhinein vor die Nase zu halten, dass ihre Leistung auf Touristenniveau gewesen sei, hat einen schalen Beigeschmack. Wer hielt sie für förderwürdig, wer bestimmte die teils haarsträubenden Summen – siehe Faksimile – für pardon: unter Garantie erfolglose Starter – im Projekt Rio? Wer evaluierte ihren aktuellen Leistungsstand?

Es gibt an diesem Punkt kein Umhinkommen: Österreich muss sich entscheiden. Will das Land Spitzensport mit (Sommer-)Medaillen oder erträgt es weiterhin das alle vier Jahre wiederkehrende Gejammer mitsamt notorischen Beschwichtigen ahnungsloser Funktionäre und schlechter Trainer?

Dass Schröcksnadel, 75, zum Abschied einige der 21 Sportarten im Projekt Rio infrage stellt, etwa Triathlon oder Schwimmen, mag für die Betroffenen horrend unfair anmuten. Auch kann der Tiroler selbstherrlich die zwingende Notwendigkeit eines sündhaftteuren Wildwasserkanals in Wien hinterfragen, und diese Kritik müssen sich diese Sparten gefallen lassen. Die erbrachten Ergebnisse geben ihm Anlass zu dieser Sicht.

Deutschland pumpt jährlich 150 Millionen Euro in den Sport, Australien 229 Millionen Euro. UK-Sport, also Englands Sportstelle, verteilt 400 Mio. € – in manchen Ländern gedeiht der Prime-Sport, in anderen wurde der Institutionen-Wildwuchs unterbunden. Österreich sollte diesen Schritt in Erwägung ziehen, es würden neue Ressourcen frei. Die Feststellung von Insider Peter Kleinmann ist alarmierend und legt offen, wie krank Österreichs Sport wirklich ist. „Wir haben ein jährliches Sportbudget von 80 Millionen Euro aus der besonderen Sportförderung. Davon wandern 50 Prozent zu 60 Fachverbänden, 45 Prozent zu drei Dachverbänden und fünf Prozent zu Stellen wie ÖOC, BSO und dem Paralympische Komitee. Aber von den 45 Prozent der Dachverbände landet nur ein kleiner Teil beim Sport.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2016)

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