Das Spiel mit den Sportmillionen

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Minister Doskozil bestätigt, dass fragwürdige Förderprojekte über 18.294.154,33 Euro nun auf Sinn und Zweck geprüft werden. „Absolut Sportfremdes“ werde nicht weiter unterstützt.

Wien. 18.294.154,33 Euro – diese Summe fließt jährlich aus dem Sportetat in sportfremde Projekte. Über 18 Millionen Euro, das ist knapp der Umfang eines kompletten Projekts Rio, das vier Jahre lang mit diesem Betrag auskommen musste. Sportinsider Peter Kleinmann hat die Zahl eruiert, „Die Presse“ hat den Ball aufgenommen und die Spur des Geldes verfolgt. BSO-Vizepräsident Michael Eschlböck kannte die Zahlen – und bestätigte sie.

In Österreich ist Ursachenforschung eine hohe Kunst, die betreibt nun auch Sportminister Hans Peter Doskozil. Ihm ist der Geldfluss auch bekannt, 18.294.154,33 Euro, die Zahl – sie stimmt. Gerald Pangl, Doskozils Sportsprecher, sagt: „Die in den Berichten angeführten Projekte sind Gegenstand einer umfassenden Evaluierung.“ Ein neu installierter Beirat aus dem Sportministerium prüfe Zweck und Sinnhaftigkeit, „absolut sportfremde Projekte werden in Zukunft nicht mehr mit Mitteln des Sportministeriums unterstützt“.

Das Netz der Dachverbände

Wer aber stellte diese Anträge, wer profitiert davon? Vor allem, seit wann laufen Zahlungen über 200.000 Euro jährlich nach Indien, Bhutan oder den Libanon, um dort etwa Karate- und Selbstverteidigungskurse in Frauenhäusern zu bezahlen? Wer organisiert Aktionen wie Bewegt im Park (71.250 €), Integration und Inklusion (419.298 €) oder Maßnahmen für mehr Bewegung im Kindergarten- und Volksschulalter (10,706.105 €) – warum bezahlt das der Sport und nicht das Bildungs-, Sozial- oder Integrationsministerium? Auch die „Koordination des bundesweiten Netzwerkes zur Bewegungsförderung“ mutet durchwegs parteipolitisch an, 2.931.000 Euro teuer.

Die Antworten aus dem Sportministerium bergen gehörig Zündstoff. Die „Koordination des bundesweiten Netzwerks“ werde laut Doskozil über den Bundes-Sportförderungsfonds abgewickelt. Die meisten dieser Projekte liefen „in Zusammenarbeit mit den Dachverbänden“, also Askö, Asvö und Union. 2013 wurde der Fonds mit der Gesetzesnovelle installiert – und trägt damit ohnehin die Finanzierung der Sportverbände. Seit 2010 stehen dafür 80 Mio. Euro pro Jahr zu Verfügung. Die eigentliche Aufteilung: Spitzensport 50 Prozent, Breitensport 45 Prozent und fünf Prozent für „zentrale Fördernehmer“.

2,2 Millionen Euro seit 2005

Dieses Netzwerk für Bewegungsförderung wurde 2005/6 als Initiative Fit für Österreich ins Leben gerufen. Ziel sei es gewesen, „qualitätsgesicherte Angebote zu schaffen, mit denen Menschen einen Einstieg zu Bewegung und Sport finden“, steht in der Antwort des Sportministers. Heute heißt diese Einrichtung Fit Sport Austria, die Logos der Dachverbände prangen auf der Website . . .

Die Unterstützung von „Projekten außerhalb Österreichs“ sei Teil internationaler Abkommen, sie sind jährlich zu beantragen. Dass das Sportministerium „seit 2005 jedes Jahr 200.000 Euro“ – von derzeit rund 40 Mio. Euro an verfügbaren Förderungsmitteln –, für internationale Entwicklungsarbeit ausgibt, dürfte allerdings vielen Eltern, Klubs, Nachwuchsarbeitern, Trainern, Funktionären und Spitzensportlern, die um jeden Cent streiten müssen, durchaus zusätzliches Kopfzerbrechen bereiten.

Pro Projekt belaufen sich hierbei die Summen auf bis zu 30.000 Euro. Und die Einreicher? Es sind zumeist Entwicklungshilfeorganisationen – abrufbar: www.sportministerium.at – oder Sportlerinnen wie Sabrina Filzmoser (Judo) und Alisa Buchinger (Karate), die ihre engagierten Eigeninitiativen in Bhutan, Nepal oder Indien verwirklichen. So sind seit 2005 2,2 Mio. Euro für soziale, wertvolle und vom Ansatz her vollkommen richtige Ideen geflossen. Warum bezahlt das Österreichs Sport?

Doskozil erklärt, nach „gezieltem Einsatz mit höherer Effizienz“ zu streben. Dadurch soll ab sofort mehr Geld beim Sportler ankommen. Dass aktuell zu viel Geld in Verwaltung, Administration und Projekte fließt, ist kein Geheimnis, sei aber für ihn der Hebel zur Neuaufstellung von Förderungen.

All die Überweisungen muten für manche als „Systemfehler“ an, für andere ist es „Freunderlwirtschaft“. Österreichs Sport scheint auch eine Neidgesellschaft zu sein. Wenn es stimmt, dass beim BSO-Meeting am Freitag, bei dem Rudolf Hundstorfer als Präsident gewählt worden ist, kein einziger ÖSV-Vertreter in eines der Gremien gewählt worden ist, hat es System. Erfolg ist, nicht nur im Hinblick auf mehr Fördergelder, verpönt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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