Rennen auf der Streif in Kitzbühel sind stets ein Spektakel, genießen können sie jedoch nicht einmal Olympiasieger. Matthias Mayer sagt: „Diese Strecke ist eine beinharte Geschichte.“
Große Mengen an Naturschnee, Sonne, ein blauer Himmel und eine pickelharte Streif: Kitzbühel präsentiert sich während dieser Hahnenkamm-Woche von seiner attraktivsten Seite. Eine willkommene Abwechslung in diesem Weltcupwinter, der schon so viele Rennen quer durch Europa auf Kunstschnee gesehen hat beziehungsweise Absagen ob Schneemangels in den USA hinnehmen musste.
Schon die Trainings, das zweite und zugleich letzte am Donnerstag entschied der Norweger Aleksandar Aamondt Kilde für sich, waren beste Werbung für den Skisport und die Gamsstadt. Freilich, nicht nur der TV-Konsument, auch die Athleten begrüßen die winterlichen Bedingungen. „Zugegeben, so macht es schon mehr Spaß“, gesteht Matthias Mayer. Wobei, Spaß und Kitzbühel vertragen sich hier eigentlich nur abseits der Strecke.
Die Streif verlangt Respekt und Ehrfurcht, vom unbekümmerten Youngster genauso wie vom coolen Routinier. Und wirklich anfreunden tut man sich mit diesem Berg, der schon viele Helden geboren und noch viel mehr Tragödien geschrieben hat, nie. „Trainingsläufe“, sagt Mayer, „bringen in Kitzbühel nicht wirklich viel.“Schließlich werde man das bedrückende Gefühl nicht los, „dass man hier zum ersten Mal hinunterfährt“. Das liegt mitunter daran, dass sich die Strecke jedes Jahr, jeden Tag, in einem veränderten Zustand präsentiert. Schnee, Temperaturen, Pistenbeschaffenheit, Streckenführung – es gibt viele Variablen, viele Gefahren.
Weiche Knie
An sein erstes Mal auf der Streif erinnert sich praktisch jeder Läufer, die Premiere am Hahnenkamm ist ein einschneidendes Erlebnis. Mayer: „Ich stand im Starthaus, hatte weiche Knie und hab nur versucht, irgendwie gesund ins Ziel zu kommen.“ Das Resultat: Platz 40 in der Abfahrt.
Das bekannteste und gefährlichste Skirennen der Welt wird seit jeher zelebriert; Mausefalle, Hausbergkante, Traverse und Zielschuss sind ein Begriff. Aber sind sie für die Fahrer ein Genuss? Mayer überlegt kurz, sagt: „Wenn du auf die Mausefalle zufährst und alles in diesem einen Moment perfekt ist, dann kannst du den Augenblick eine Zehntelsekunde genießen. Aber gewöhnen sollte man sich nicht daran, sonst wird's gefährlich.“ Das Fazit des 26-jährigen Draufgängers: „Die Streif ist eine beinharte Geschichte.“
Der Schweizer Carlo Janka sieht das ähnlich. 2009 machte er mit der Streif erstmals Bekanntschaft. Im gleichen Jahr stürzte sein Teamkollege Daniel Albrecht nach dem Zielsprung schwer, erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma und lag drei Wochen im Koma. „Die Folgejahre waren nicht einfach, ich musste mich Schritt für Schritt an diese Strecke herantasten.“ Mittlerweile verspürt Janka sogar so etwas wie Vorfreude. „Ich habe das Gefühl, dass ich sie im Griff habe, wirklich attackieren kann“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“. In Sicherheit wiegen dürfe man sich allerdings nie: „Machst du einen Fehler, hat das Konsequenzen.“
Selbst für Janka ist nicht etwa der Heimklassiker in Wengen, sondern Kitzbühel das Nonplusultra im Skiweltcup. „Die Streif ist die Streif. Kitzbühel ist das Rennen, das du als Abfahrer unbedingt einmal gewinnen willst.“ Am Wengener Lauberhorn hat der 30-Jährige 2010 gewonnen, in Kitzbühel war er 2016 Abfahrtsdritter. „Aber es geht noch schneller.“
2. ABFAHRTSTRAINING KITZBÜHEL
1. Aleksander Aamodt Kilde (NOR) 1:56,33 Min.
2. Hannes Reichelt (AUT) +0,02 Sek.
3. Kjetil Jansrud (NOR) 0,07
4. Valentin Giraud Moine (FRA) 0,14
5. Max Franz (AUT) 0,16
6. Erik Guay (CAN) 0,26
7.Romed Baumann (AUT) 0,42
8. Mattia Casse (ITA) 0,69
9. Adrien Théaux (FRA) 0,73
10. Johan Clarey (FRA) 0,85
Weiter: 12. Matthias Mayer (AUT) 0,93, 22. Daniel Danklmaier 1,58 26. Christian Walder (AUT) 1,78, 28. Vincent Kriechmayr (AUT) 1,84.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2017)