"Du musst ein Stier auf dem Platz sein, ein echter Rafael Nadal"

(c) Franz Irschik
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Die Dichte im Rollstuhltennis wird höher, die Matches werden immer besser. Mittendrin: Nico Langmann, 20. Gerade hat der Wiener die Top 20 geknackt.

Die Presse: Seit Herbst des Vorjahres sind Sie Heeressportler, trainieren mit Ihrem Coach Oliver Hagenauer im Westen Wiens. Wie meint es das Leben als Tennisprofi mit Ihnen?

Nico Langmann: Es ist schwieriger, als sich viele vorstellen. Ich reise zwar zu vielen Turnieren, aber es ist nicht so, dass man dabei irgendetwas von der Welt sieht. Das ist auch nicht der Sinn der Sache. Ich bin auf Dienstreisen, es geht darum, Leistung abzuliefern. Es ist auch emotional ein sehr anstrengendes Geschäft. Nach jedem Match, nachdem du drei Stunden Mann gegen Mann gekämpft hast, gilt es, den Fokus wieder neu aufzubauen. Aber es ist ein wunderbares Leben, ich möchte es nicht missen.

Bei Ihrem Heimturnier vor einer Woche haben Sie erstmals den Sprung in die Top 20 der Weltrangliste geschafft. Wie hart war der Weg dorthin?

Sehr hart. Nach den Paralympics in Rio, bei denen ich in der ersten Runde verlor, sah ich viele Probleme vor mir, aber keine Lösungen. Ich habe nicht gewusst, wie ich mit so einer Nervosität umgehen soll, wie ich meinen Fokus halten kann. Viele offene Fragen ohne wirkliche Antworten.

Was hat sich seither verändert?

Ich habe mich von Grund auf neu definiert, meine ganze Persönlichkeit auf dem Platz, mein ganzes Spiel. Ich habe damit begonnen, mich 24 Stunden am Tag mit Tennis zu beschäftigen. Es ist wirklich so: Du musst ein Stier auf dem Platz sein, ein echter Rafael Nadal, kämpfen, kämpfen, kämpfen. Denn im Endeffekt ist es ein Zweikampf. Alle Spieler auf der Tour fliegen rund um die Welt, um andere Leute zu schlagen, das ist nun einmal unser Geschäft. Aber abseits des Platzes bin ich immer noch ein netter Bursche. (lacht)

Ein Sprung vor allem im mentalen Bereich also.

Ja. Die Profieinstellung wurde mir sehr gut vermittelt. Ich habe viele neue Werkzeuge bekommen, wie ich meine Emotionen, meine Nervosität in den Griff bekomme und sie für mich nutzen kann. Alles Sachen, die man langsam und hart erarbeiten muss. Wie natürlich auch die Schläge, die Ausdauer. Das ist ja das Schöne am Tennis, dass es so facettenreich ist.

Man könnte meinen, Behindertensportler verfügen schon durch ihre Lebensgeschichte – Sie waren bei Ihrem folgenschweren Autounfall zwei Jahre alt – über außergewöhnliche mentale Stärke.

Natürlich haben alle Behindertensportler eine Geschichte. Ich glaube aber nicht, dass das auf dem Platz einen Unterschied macht. Die Behinderung beschäftigt mich im Leben so wenig, ich gehe halt nicht, sondern rolle von A nach B. Und das ist auch schon alles. Kämpferqualitäten habe ich sicher viel eher durch den Sport als durch die Behinderung.

Die vier Grand-Slam-Turniere sind den Top acht der Welt vorbehalten. Was fehlt noch dafür?

In den Top 20 zu sein hilft mir bei keiner Vorhand, bei keiner Rückhand. Dass ich in einem Jahr die Nummer eins bin, ist nicht sehr wahrscheinlich. Aber nach Rio habe ich mich sehr weit von der Weltspitze entfernt gesehen. Ich dachte sogar, ich hätte nicht einmal mein damaliges Ranking (34., Anm.) verdient, weil ich gegen Leute verlor, die hinter mir lagen. Aber so schnell wie ich mich verbessert habe, glaube ich, dass ich in einem Jahr den einen oder anderen aus den Top Ten sehr ärgern kann.

Rollstuhltennis boomt geradezu, die Dichte wird höher, die Matches werden immer besser.

Ein Wahnsinn, was es in den vergangenen drei, vier Jahren für einen Schub gegeben hat. In den Top 20 schlagen die Spieler mit 170 km/h auf und haben Returns, mit denen sie Gegner einfach wegspielen. Auch die Beläge machen einen großen Unterschied. Auf Rasen oder bei tiefen Sandplätzen etwa musst du dein Gewicht so verlagern, dass sich die kleinen Räder nicht eingraben, du musst koordinativ sehr gut drauf sein, um in den Kurven keinen Schwung zu verlieren. Und von den Spielanlagen gibt es auf der Tour alles: die schwedischen Serve-and-volley-Spezialisten ebenso wie die argentinischen Grundlinienfighter. Es ist wirklich eine Riesengeschichte geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2017)

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