Doping-Prozess Mayer: Infusionen im Wachs-Container

WALTER MAYER
WALTER MAYER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (Herbert Pfarrhofer)
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Der ehemalige ÖSV-Trainer Walter Mayer wurde erneut schwer belastet. Ein Wachstechniker will ihn bei einer verdächtigen Aktion erwischt haben. Das Urteil wird es erst im Herbst geben.

Der Doping-Prozess gegen Walter Mayer am Wiener Landesgericht wird sich bis in den Herbst hinein ziehen. Ursprünglich wollte Richterin Katharina Lewy das Urteil am Mittwoch verkünden, doch zahlreiche als Zeugen geladene Personen blieben am dritten Verhandlungstag entschuldigt fern - darunter auch Langlauf-Olympiasieger Christian Hoffmann, der Biathlon-Olympia-Dritte Wolfgang Perner und Humanplasma-Geschäftsführer Rudolf Meixner.

Zu Beginn des dritten Prozesstages stellte das mittlerweile auf drei Juristen angewachsene Anwaltsteam von Walter Mayer rund eine halbe Stunde lang insgesamt zehn Anträge, allen voran jenen "auf Freispruch wegen mangelndem Straftatbestand". Danach folgten die Vernehmungen der ersten drei Zeugen, wobei gleich der erste, der 42-jährige Frühpensionist Bernhard M., die Glaubwürdigkeit des mitangeklagten Dachdeckers Karl Heinz R. erschütterte.

Glaubwürdigkeit des Dachdeckers leidet

R., der sich schuldig bekannte, hatte den mitangeklagten ehemaligen ÖSV-Langlauf- und Biathlon-Spitzentrainer Walter Mayer vor eineinhalb Wochen zu Prozessbeginn schwer belastet. M. widersprach aber mit seiner Aussage am Mittwoch der Darstellung des Dachdeckers, dass er bereits im Jahr 2005 einen Kontakt zwischen dem mitangeklagten Apotheker mit R. hergestellt haben soll. "Ich habe Heinz mit dem Apotheker zusammengebracht, aber 2005 auf keinen Fall", betonte der Frühpensionist, dass er den Apotheker erst "im Frühjahr 2006" kennengelernt habe. Den Kontakt zu R. habe er erst danach im Jahr 2006 hergestellt, seine Lebensgefährtin bestätigte diese Angaben vor Richterin Lewy.

Allerdings widerrief M. mit diesen Angaben auch seine Aussage bei einer Beschuldigtenvernehmung durch die Soko Doping im März 2009, wonach es im Vorfeld der vom Dopingskandal durch ÖSV-Langläufer und -Biathleten überschatteten Olympischen Winterspiele 2006 in Turin eine Lieferung an Mayer durch R. mit Dynepo gegeben habe. Der Frühpensionist merkte dazu an, dass dies nicht möglich gewesen sein könne, "da Dynepo erst 2007'' erhältlich gewesen sei.

Der mitangeklagte R. blieb bei seiner Darstellung, dass die Kontaktaufnahme zum Apotheker über M. bereits Ende 2005 erfolgt sei. "Der (Apotheker, Anm.) war ja kein unbeschriebenes Blatt in der Szene", erklärte der Dachdecker, dass ihm der Apotheker bereits seit "2004" als Bezugsquelle für Dopingsubstanzen bekanntgewesen sei. Ein Fitness-Studioinhaber in Kärnten könne dies bezeugen.

Lächelnder Mayer glaubt weiter an Freispruch

Mayer verfolgte diese sich widersprechenden Ausführungen mit einem Lächeln und war sich danach sicher, dass er freigesprochen werde. "Die Ermittler der Soko Doping haben wie Journalisten Dinge zu prüfen, ob sie wahr sind. Die Ermittler sind also entweder verrückt oder nicht fähig, ihren Beruf auszuüben", gab der 54-jährige Salzburger zu Protokoll und kündigte bereits "viele Folgeprozesse" an, die er nach seinem Freispruch führen werde.

Gredler: "Habe nie gedopt"

Als erster Sportler, den der ehemalige ÖSV-Betreuer Walter Mayer dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien zufolge mit illegalen Doping-Mitteln versorgt haben soll, ist am Mittwochnachmittag im Doping-Prozess gegen Mayer der Ex-Biathlet Ludwig Gredler vernommen worden. Der zweifache Medaillengewinner bei Weltmeisterschaften und fünffache Teilnehmer an Olympischen Winterspielen versicherte, er habe "in meiner ganzen 20 Jahre langen Karriere" nie gedopt und damit auch niemals von Mayer etwas Verbotenes übergeben bekommen.

Der 2008 vom aktiven Sport zurückgetretene Gredler, der inzwischen beim Österreichischen Skiverband (ÖSV) als Biathlon-Trainer tätig ist, erzählte sinngemäß, er sei aus allen Wolken gefallen, als während der Olympischen Winterspiele in Turin 2006 bei einer Razzia im österreichischen Mannschaftsquartier verdächtige Substanzen wie Blutbeutel und Hämoglobinmessgeräte sichergestellt wurden: "Ich hätt' mir nie gedacht, dass jemand von uns ein Zeug mitgehabt hätte, etwas Verbotenes."

Er habe mit seinem damaligen Zimmerkollegen Daniel Mesotitsch während der Razzia noch "gescherzt", bis der damalige Trainer Alfred Eder sie ersucht hätte, ruhig zu sein, weil im Zimmer seines Mannschaftskollegen Wolfgang Perner etwas gefunden worden sei, gab Gredler zu Protokoll: "Ich hab' das gar nicht geglaubt bis nach Mitternacht." Perner, 2002 in Salt Lake City Olympia-Dritter im Sprint, habe ihm auf eine entsprechende Frage mit folgendem Satz geantwortet: "Ja, sie haben was gefunden."

Auch ohne Doping in die Weltspitze

Als Staatsanwältin Nina Weinberger dem 43-Jährigen das Buch des ehemaligen Sportmanagers und rechtskräftig abgeurteilten "Doping-Sünders" Stefan Matschiner vorhielt, demzufolge Spitzensport ohne Doping unmöglich sei und verbotene leistungssteigernde Praktiken zum Tagesablauf eines erfolgreichen Profisportlers genau so gehören sollen wie das Frühstücken, betonte Gredler: "Dem kann ich überhaupt nicht zustimmen. Ich selber habe nie etwas Verbotenes gemacht in diese Richtung." Mit modernen Trainingsmethoden wären "sportliche Spitzenleistungen bis zur Weltspitze" sehr wohl ohne Doping möglich, erklärte der Tiroler.

Die Frage der Staatsanwältin, ob er als aktiver ÖSV-Trainer im Zeugenstand unter Wahrheitspflicht zugeben würde, wenn er je gedopt hätte, bejahte Gredler: "Ich bin ein ehrlicher Mensch."

Walter Mayer habe er zuletzt "2006 oder 2007 auf der Rollerstrecke in Ramsau" gesehen. Dieser hätte mit seinem Trainingsplänen nie etwas zu tun gehabt. Mayer habe - was den Biathlon betrifft - aber seines Wissens die "Ramsau-Gruppe" mit "Perner und Wolfgang Rottmann trainingsplanmäßig unterstützt", so Gredler. Diese beiden Biathleten waren 2007 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) auf Lebenszeit von den Olympischen Spielen ausgeschlossen worden, weil man sie in Bezug auf die Vorgänge in Turin als des gemeinschaftlichen Gebrauchs von Dopingmittel bzw. verbotenen Methoden als überführt erachtete.

Vor der Zeugenbefragung Gredlers hatte die ehemalige Lebensgefährtin des mitangeklagten Dachdeckers und Bodybuilders Karl Heinz R. Mayer belastet. Die 45-jährige Frau, die R. im Jahr 2008 einer anderen Frau wegen verlassen hatte, bestätigte dessen Angaben, denen zufolge bei ihnen zu Hause EPO im Kühlschrank gelagert worden sei: "Ich hab' gewusst, dass was da ist und immer wieder was fehlt. Es sind Leute gekommen, und es war weniger da." Auch hätten "Heinz und Mayer ganz offen über Doping geredet".

Einer dieser Abnehmer sei Walter Mayer gewesen, berichtete die Zeugin unter Wahrheitspflicht. Ende 2005 oder Anfang 2006 (und damit unmittelbar vor den Olympischen Spielen in Turin, Anm.) sei er ihres Wissens zweimal vorbeigekommen und habe etwas mitgenommen.

Infusion im Wachs-Container

Die Lebensgefährtin von R. war am Mittwochnachmittag aber nicht die einzige Zeugin, die Walter Mayer schwer belastete. Der Finanzbeamte Johannes Obererlacher, der bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City als Wachstechniker der ÖSV-Biathleten dabei war, erzählte von einer Beobachtung, die er am 17. Februar 2002 gemacht habe. Er habe Mayer, damals als Nordischer Sportdirektor im ÖSV, und Olympiasieger Christian Hoffmann an jenem Tag bei der Verabreichung einer Infusion in einem Wachs-Container ertappt.

"Es war der Tag des Staffelrennens für die Langläufer über 4 x 10 km", sagte der 48-Jährige zu Beginn seiner Ausführungen. Er habe sich diese Olympia-Entscheidung an der Strecke ansehen wollen und sei deshalb zum Wachs-Container der Biathleten gegangen, um sich Langlaufski zu holen. Die Tür zum Container, in dem die Ski der Athleten gelagert und mit "sehr teuren Wachsen" präpariert wurden, sei jedoch "schwer zum Aufsperren gegangen", erst nach "mehreren Versuchen" sei sie aufgegangen - und dann habe er "zwei Personen im Container gesehen: Walter Mayer und Hoffmann Christian, der als Schlussläufer über 4 x 10 km teilgenommen hat".

"Hoffmann Christian ist auf einer Gymnastikmatte am Boden gelegen, und Walter Mayer hat ihm eine Infusion verabreicht (...). Ich war überrascht, dass kein Arzt anwesend war", gab Obererlacher zu Protokoll. Die Situation sei für alle Beteiligten "unangenehm" gewesen. "Für mich war das überraschend, weil ich nicht gedacht hätte, dass ich im Container jemanden vorfinde, weil er zugesperrt war. Diese Situation ist nie wieder besprochen worden."

Er habe anschließend beobachtet, wie "Mayer den Infusionsmüll in einem Mistkübel entsorgt hat. Ich hatte das Gefühl, sie ertappt zu haben. Der Vorfall trug maßgeblich zu meinem Ausscheiden aus dem ÖSV bei", erklärte der Finanzbeamte, der auch den Eindruck hatte, dass die ÖSV-Verbandsspitze die Machenschaften Mayers geduldet habe, weil dieser ja für historische Erfolge im Langlauf- und Biathlon-Bereich bei Weltmeisterschaften und Olympischen Winterspielen gesorgt habe.

"Die Methoden von Mayer sind nie hinterfragt worden. Nur die Verträge mit seinen Kritikern sind nicht verlängert worden", betonte Obererlacher. Und da sich seine persönliche "Anti-Doping-Einstellung" mit einer derartigen Verbandspolitik nicht vertragen habe, "wollte ich selber, dass mein Vertrag nicht verlängert wird".

Mayer erbost: "Racheakt"

Mayer reagierte erbost auf die Ausführungen des ehemaligen Wachsspezialisten. "Es ist ausgeschlossen, dass ich alleine mit Hoffmann im Container war", sagte der 54-jährige Salzburger und sprach von einem "Racheakt" Obererlachers, der bei den Winterspielen 2002 "gegen die Trainer rebellieren wollte", um nach Olympia selber eine Trainingsgruppe in Obertilliach betreuen zu können.

Obererlacher ließ sich von diesen Verleumdungsvorwürfen aber ebenso wenig beeindrucken wie Richterin Katharina Lewy, die nur trocken feststellte, dass Mayer wieder einmal behauptete, dass ein Zeuge, der ihn belastet hatte, die Unwahrheit gesagt haben soll. "Das, was ich gesagt habe, entspricht den Tatsachen", beteuerte Obererlacher. "Es besteht kein Grund, irgendwelche Geschichten herzuzaubern."

Fakt ist, dass schon die Olympischen Spiele in Salt Lake City von einem ÖSV-Dopingskandal überschattet wurden. In den USA waren am 28. Februar 2002 in einem vom ÖSV-Langlauf-Team genutzten Privathaus von einer Putzfrau Geräte zur Durchführung von Bluttransfusionen gefunden worden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) sperrte deshalb Walter Mayer, damals Rennsportdirektor für Langlauf und Biathlon, bis 2010 für Olympische Spiele.

(APA)

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