Vor 50 Jahren wurde die Berliner Mauer gebaut, sie trennte Ost und West auch im Sport. Viele Karrieren zerbrachen an ihr, andere wurden erst ermöglicht - nicht alle Sportler litten unter der Mauer.
500 Meter weiter lassen sich jeden Tag unzählige Menschen ablichten. Sie posieren, lachen, justieren die Blitze ihrer Kameras. Die Überreste in der Niederkirchnerstraße im Ostberliner Ortsteil Mitte sind heute beliebt. Vor fast genau 50 Jahren begann der Bau der Berliner Mauer, die abtrünnige DDR-Bürger von der „Republikflucht“ gen Westen abhalten sollte. Bis dahin, dem 13. August 1961, und zu geringeren Zahlen danach verließen über drei Millionen Menschen das Land, viele davon illegal und unter großer Gefahr.
Sie war das Symbol der Teilung der deutschen Nation: Am 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer. Kurz nach Mitternacht errichten an diesem Tag Sicherheitskräfte der DDR an der Grenze zwischen West- und Ostberlin provisorische Sperren. (c) Dapd (AP)
Sie ziehen Stacheldraht, reißen das Straßenpflaster auf, schieben Barrikaden zusammen. (c) Dapd (Eddie Worth)
Bald darauf ist Westberlin förmlich eingemauert. Die Mauer reißt Familien und Freunde auseinander, schneidet Ostberliner von ihren Arbeitsplätzen im Westteil ab. Die Grenze bleibt bis 1989 blockiert. (c) Dapd (Archiv)
Wie kam es zum Bau der in der DDR-Propaganda „antifaschistischer Schutzwall“ genannten Mauer? Die DDR kämpft 1961 ums Überleben. Immer mehr Bewohner flüchten – meist über die offene Grenze in Berlin – in den Westen, wo das „Wirtschaftswunder“ blüht. Allein 1960 kehren 200.000 Menschen dem "Arbeiter- und Bauernstaat" den Rücken. Vor allem junge, gut ausgebildete Menschen gehen. (c) Dapd (BStU)
Der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht setzt Arbeitsgruppen ein, die Möglichkeiten zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms besprechen. Um aufkommende Gerüchte über einen bevorstehenden Bau einer Mauer zu entgegnen, versichert er noch am 15. Juni bei einer Pressekonferenz: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. (c) AP (SPREMBERG)
Am 12. August beschließt der Ministerrat der DDR „zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und Westberlins“ die Einführung von Grenzsperren. Die UdSSR hatte ihre Zustimmung für den Mauerbau gegeben.Die Westmächte versuchen nicht, den Mauerbau zu verhindern: Niemand will einen Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion riskieren. (c) EPA (-)
Die Anlage, die die DDR-Bevölkerung am Verlassen des Landes hindern soll, ist komplex: An den meisten Stellen handelt es sich in der endgültigen Form um einen doppelten Mauer- oder Stacheldrahtzug. In den Zwischenräumen befinden sich Bewachungstürme, Alarmdrähte, Beleuchtungsanlagen und Gräben. (c) AP
Die Mauer umfasst rund 160 Kilometer. Auf 43 Kilometer Länge verläuft sie durch das Berliner Stadtgebiet. Im Stadtgebiet gibt es acht Grenzübergänge, außerhalb sechs. (c) AP
Der Erste, der beim Fluchtversuch an der Mauer getötet wird, ist der 24-Jährige Günter Liftin. Er wird am 24. August erschossen. Letztes Todesopfer ist der 20-jährige Chris Geoffrey. (c) AP
Insgesamt versuchen in den fast 30 Jahren ihres Bestehens rund 5000 Menschen, die Mauer zu überwinden. Mindestens 136 werden dabei getötet. (c) AP (Klostermeier)
Der Fall der Mauer kommt noch plötzlicher als ihr Bau. Am 9. November 1989 liest Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, auf einer Pressekonferenz von einem Stück Papier die Aussage ab, die nur Stunden später dafür sorgt, dass die Mauer fällt: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden. (...) Die zuständigen Abteilungen Pass- und Meldewesen der Volkspolizeikreisämter in der DDR sind angewiesen, Visa zur ständigen Ausreise unverzüglich zu erteilen." Auf die Nachfrage eines italienischen Journalisten, wann die Regelung in Kraft treten soll, antwortet er: "Ab sofort, unverzüglich!" (c) EPA
Die Nachricht verbreitet sich schnell, DDR-Bürger strömen in Massen an die Grenzübergänge. Die Grenzwächter haben die Anweisung, die Menschen auf den nächsten Tag zu vertrösten. Doch unter dem Druck der Menschenmassen öffnen die verunsicherten und schlecht informierten Grenzer schließlich die Schlagbäume. (c) EPA (STR)
Wenig später klettern Berliner aus Ost und West auf die Mauer, und beginnen im übermütigen Taumel, Stücke herauszumeißeln. Die Trennung der Deutschen ist de facto Geschichte. (c) AP (JOCKEL FINCK)
Als die DDR ihre Bürger einmauerte
Flüchtlinge kamen aus allen gesellschaftlichen Gruppen. Auch Sportler zählten dazu, obwohl gerade sie viele Privilegien genossen. Neben dem Kontakt zum Ausland kamen sie schneller als andere an ein Auto, ihnen waren Devisenkäufe erlaubt, wirtschaftlich waren sie gut abgesichert. Trotzdem: Der Abschlussbericht des „ZOV Sportverräter“ vom Dezember 1989, der „Zentrale Operative Vorgang“ zur Bespitzelung abtrünniger Athleten durch die Staatssicherheit, berichtet von 615 geflüchteten Personen. Sportler, Trainer und Ärzte wagten das Delikt „Republikflucht“, das eines der schwersten überhaupt war. Wer erwischt wurde, den erwarteten harte Strafen.
Ein paar hundert Meter südlich der Mauerreste in der Niederkirchnerstraße wird hiervon erzählt. Im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD, läuft bis zum 28. August erstmals eine Ausstellung, die sich mit den vom DDR-Regime so genannten „Sportverrätern“ auseinandersetzt. 15 Sportler, die auf die eine oder andere Weise direkt mit den Beschränkungen durch die Berliner Mauer zu tun hatten, porträtiert die mexikanische Künstlerin Laura Soria. Der Ansatz ist immer der gleiche: Ein Mensch erzählt von seinem Leben, seinen Auslandsreisen mit der Nationalmannschaft, seinen Plänen. Und dann dieses kilometerlange Gebilde aus Beton, das in jeder einzelnen Geschichte als zentrales Menetekel stand.
Peter Kottes Lebensgang passt ins Bild. 1954 geboren, alle Fußball-Auswahlmannschaften durchlaufen, dreimal DDR-Meister mit Dynamo Dresden, 21-facher Nationalspieler. 1981, während einer Reise zum Europapokalspiel im holländischen Enschede, wurde Kotte und zwei Kollegen ein Angebot vom 1. FC Köln unterbreitet. Noch in der Nacht könnten sie „abhauen“, für ein Handgeld von 100.000 Deutsche Mark. Die drei überlegten, lehnten aber ab, vereinbarten Stillschweigen. Kurz darauf wurde Kotte verhaftet und verurteilt, weil er das West-Angebot nicht gemeldet hatte. Er erhielt Berufsverbot. Mit seiner Familie durfte er nicht über das Thema sprechen, Kotte verstand die Welt nicht mehr. „Ich wollte eigentlich immer nur Fußball spielen, alles andere war unwichtig“, sagt er in einem Video im Ausstellungssaal bedrückt.
Zwei Jahre später, 1983, stieg Kotte mit seinem neuen, zunächst unterklassigen Verein Fortschritt Neustadt in die zweite Liga auf. Gespannt besorgte er sich vor der Saison die „Neue Fußballwoche“, das Sportecho der DDR, das jede Mannschaft mit Fotos vorstellte. Kottes Bild war retuschiert, sein Gesicht durch ein anderes ersetzt, und seine Karriere praktisch beendet. „Wer weiß, wie sich die Dinge sonst entwickelt hätten“, sinniert er. Vielleicht wäre ein Job bei Dynamo Dresden wieder möglich gewesen, auch noch nach der Wende. Aber dazu kam es nicht.
Vor 50 Jahren wurde die Berliner Mauer gebaut. Während Deutschland die historische Teilung längst überwunden hat, werden an mehreren Schauplätzen der Welt neue Mauern gebaut oder erhalten. Ein Überblick.
Auf gut 3000 Kilometern prallen die Gegensätze zwischen der Supermacht USA und dem Schwellenland Mexiko aufeinander. Die im Volksmund "Tortilla Curtain" (Tortilla-Vorhang) genannte Grenze ist mit mehr als einer Million Überquerungen täglich die verkehrsreichste der Welt - und für die Vereinigten Staaten ein Krisengebiet direkt vor der Haustür.
Zwischen 2006 und 2010 errichteten die USA einen mehr als tausend Kilometer langen Sperrzaun, der teils mit Kameras, Flutlicht und Bewegungsmeldern ausgestattet ist.
Im Jahr 2002 begann Israel mit dem Bau einer Sperranlage, um sich von den Palästinensergebieten im Westjordanland abzugrenzen - zum Schutz vor Anschlägen, lautet die offizielle Erklärung. (c) EPA (Jim Hollander)
Die großteils aus Betonstelen und Wachtürmen bestehende Anlage soll sich eines Tages rund 730 Kilometer lang durch das Heilige Land ziehen. Bisher sind gut 400 Kilometer gebaut. (c) REUTERS (� Baz Ratner / Reuters)
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag erklärte den Zaun im Juli 2004 für illegal und verlangte den Abriss, ebenso wie später die UN-Vollversammlung. Israel weist die Forderungen zurück. (c) REUTERS (Baz Ratner / Reuters)
Zypern ist seit einem Staatsstreich griechisch-zypriotischer Nationalisten und einer anschließenden türkischen Militärintervention 1974 de facto geteilt. Im April 2008 wurde in der Hauptstadt zwar der bekannte Grenzübergang an der Einkaufsmeile Ledra-Straße geöffnet, Nikosia bleibt aber vorerst weiter die letzte geteilte Hauptstadt der Welt.
Kottes Schicksal steht für viele Sportler, die nicht einmal einen Fluchtversuch unternehmen mussten, um unter der Mauer zu leiden. Andere nahmen die Hürde und waren dennoch nie ganz frei, wie die Schwimmerin Renate Bauer, geborene Vogel, die auch Teil von Laura Sorias Ausstellung ist. Mehrmals wurde Bauer Welt- und Europameisterin, holte 1972 in München Olympiasilber in der 400-m-Lagenstaffel. 1979 floh sie mithilfe von Freunden über Ungarn nach München. Das systematische Doping an ihrem Körper während ihrer Karriere hatte sie abgeschreckt. DDR-Mediziner entwickelten neue Substanzen und testeten an ihren Sportlern. „Man war ein Versuchskaninchen.“ Diese Praxis sollte der DDR durch Erfolge in der Sportwelt zu internationalem Ansehen verhelfen.
Wegen ihrer Vorbildfunktion als Spitzensportlerin, die der ehemalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht einmal mit „Diplomaten im Trainingsanzug“ beschrieben hatte, durfte Bauer zudem nicht frei sprechen. „Uns wurde vorgeschrieben, was wir zu sagen hatten.“ Äußerungen über das Ausland etwa waren tabu. Nach ihrer Flucht gab Bauer dem ORF ein Interview, in dem sie über die Geheimnisse der Sportförderung der DDR sprechen sollte. 1972 hatte das Land als drittes im olympischen Medaillenspiegel abgeschlossen, ein Platz vor dem Klassenfeind aus Westdeutschland. Bauers Familie, die sie nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, lebte weiterhin im ostdeutschen Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz). So verschwieg sie dem ORF die politischen Dopingpraktiken. Bei Einsicht ihrer Stasi-Akten nach der Wende erfuhr Bauer, dass elf inoffizielle Stasi-Mitarbeiter auf sie angesetzt waren. Teilweise stand sie im Westen unter Personenschutz.
Doch nicht alle Sportler litten unter der Mauer. Zahlreiche Athleten jener Generation, die zur Zeit des Mauerfalls 1989 jung waren, verdankten wohl auch der bis dahin abgeschotteten Politik des Ostens ihre Karriere. Alexander Zickler, ehemaliger deutscher Teamspieler, Stürmer bei Salzburg und beim Lask, zählt dazu. „Die Ausbildung in der DDR war ausgezeichnet. Wer sportlich nach vorn kommen wollte, hatte kaum Grund, die DDR zu verlassen“, sagt er im Interview. Als die Mauer fiel, war Zickler fünfzehn Jahre alt, entscheidende Jahre hatte er in einem Sportinternat mit einem stark wissenschaftlichen Ausbildungsansatz verbracht, den der Westen noch nicht zu bieten hatte.
Die die kommunistische Führung der Tschechoslowakei wappnete sich im Jahr 1961 wegen der Vorgänge in Berlin für einen Atomkrieg, berichtet der Historiker Jaroslav Láník vom Militärhistorischen Institut in Prag.
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff mahnt zum weltweiten Einsatz für Freiheit und Demokratie. Bürgermeister Wowereit bezeichnete den Mauerbau als traurigsten Tag der jüngsten Geschichte Berlins.
Nach drei Millionen, die die DDR verlassen hatten, griff das KP-Regime zum äußersten Mittel. Eine Mauer quer durch Berlin sperrte 28 Jahre lang die eigene Bevölkerung ein. Hunderte starben bei Fluchtversuchen.