E. T. auf Knopfdruck herausgeholt

Tennis. Tiger Woods im Banne von Federers Magie. 3. US-Open-Sieg, 9. Grand-Slam-Titel.

New York (-er). Da lag er nun, rücklings hingestreckt, Hände vorm Gesicht, fassungslos - im Siegesglück. Die neue Jubelpose von Roger Federer, der zum dritten Mal ensuite die US-Open gewonnen, den BA-CA-Trophy-Star Andy Roddick 6:2, 4:6, 7:5, 6:1 besiegt und den 9. Grand-Slam-Titel geholt hatte. Aus seiner Loge klatschte das Pendant als Nonplusultra seiner Branche, Golf-Tiger Woods, begeistert Beifall. Ein E. T. hatte erstmals live verfolgt, wie der E. T. des Tennis sich mit dem Rücken zur Wand befreit, Zauberbälle ausgepackt und den Herausforderer am Ende zum Statisten einer Spielkunst degradiert hatte, die sich der Vollkommenheit näherte. Eben das, nicht nur der Triumph, hatte Federer so überwältigt, dass er sich vor der Fan-Kulisse ausgebreitet hatte. "Ich hab' diese kleine Pause verdient gehabt nach diesem Finale!"

Just als es schien, als hätte Roddick ein Rezept gefunden, Roger zu entzaubern, machte es plötzlich Klick bei Federer. Kaum hatte er gewankt, verunsichert gewirkt, fehlerhaft, dass es menschelte, holte er auf Knopfdruck den Übermenschen aus seinem Fundus, in dem es alles gibt, was man im Tennis braucht. Bei 2:3, 0:40, eigener Aufschlag, hämmerte Federer dem fast ohnmächtigen Roddick die Bälle um die Ohren, wehrte noch einen vierten Breakball ab, um nicht nur auszugleichen, sondern zu signalisieren: Bursche, wenn du denkst, du hast mich, wird dir Hören und Sehen vergehen. Und so war's auch. Federer zauberte Gewinnschläge aus den unmöglichsten Winkeln aus dem Ärmel, als wär's ein Kinderspiel. Zum 6:5 nahm er Roddick zu Null den Aufschlag ab. Der Rest war Formsache. Fast eine Demütigung.

Wär's nicht Federer, der erklärt, wie das funktioniert, ganz simpel, plausibel, als würde er das Einmaleins der Perfektion präsentieren, man würd' so einen Star für arrogant halten. Bei Roger ist's anders. Wenn er sagt, dass es eben seine Zeit dauert, bis Körper und Geist so weit sind, um zu lesen, wo 230-km/h-Aufschläge von Roddick landen und wie man sie beantwortet, hat das Kopf, Hand und Fuß. Und man kann's nachvollziehen, weil er es vorexerziert. Anschauungsunterricht, wie man Bomben mit Hirn, Herz und Gefühl entschärft. Federer ist fähig, das Spiel im Spiel in einen anderen Stock zu heben, quasi in die Beletage, womit das Tennis des Gegners - zumindest auf Rasen und Hartplatz - so wirkt, als wär's dagegen das Mezzanin.

Das ist nicht nur Frage des Könnens, das Roger hat ("Ich beherrsche jeden Schlag, hab aber lernen müssen, den richtigen zur rechten Zeit zu spielen!"), sondern auch mentale Sache. Früher, sagt er, habe er da Probleme gehabt in heiklen Lagen wie jener im 3. Satz des Endspiels, inzwischen aber die Kinderkrankheit ausgetrieben. "Daran hab' ich gearbeitet. Und jetzt ist die Schwäche eine Stärke von mir!" Wenn Big Points anstehen, wird Federer zum Giganten, der sich unüberwindlich aufbaut.

Seine Grand-Slam-Bilanz 2006 ist unglaublich: 27 Siege, 1 Niederlage (Finale Paris, Nadal). Nach Siegen in Wimbledon und im US-Open hat Federer die Chance den Grand-Slam zu gewinnen in Australien und Roland Garros. Die Paris-Rechnung ist noch offen. Roger befindet sich aber unterwegs zum Tiger, der 12 Majors gewonnen hat. In New York haben sich die "Außerirdischen" erstmals getroffen. Vor ihm musste Federer einfach brillieren.

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