Formel 1: Bernie Ecclestones Vermächtnis

Formula One Chief Executive Ecclestone prepares for continuation of his trial in Munich
Formula One Chief Executive Ecclestone prepares for continuation of his trial in Munich(c) REUTERS (POOL)
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Bernie Ecclestone hat vorerst keine Gerichtstermine mehr, doch in der Rennserie gibt es Bedenken, ob der 83-Jährige im Amt bleiben kann. Flavio Briatore lehnen Teams als Nachfolger ab.

London. Bernie Ecclestone kämpft um sein Vermächtnis in der Formel1. Auch nach der Einstellung des Bestechungsprozesses in München türmt sich ein wahrer Problemberg vor dem streitbaren Geschäftsführer der Motorsportkönigsklasse auf. Und es stellt sich mehr denn je die Frage: Hat der 83-Jährige denn noch genug Kraft und vor allem auch die richtigen Antworten, um die Rennserie in eine krisenfeste Zukunft zu führen? Oder ist etwa die zuletzt immer häufigere Sichtung von Flavio Briatore bei diversen Rennen das Indiz dafür, dass der wortgewaltige Italiener dem Briten nachfolgen wird?

Ecclestone ist trotz aller Gerichtstermine, Klagen und Konflikte von seinem Verbleib im Amt des Chefvermarkters der Formel1 überzeugt. „Jetzt kann ich wieder tun, was ich am besten kann: die Formel1 lenken“, betonte der Brite. Schon ein paar Stunden nach seinem Abschied aus dem Münchner Landgericht saß der PS-Zampano wieder in seinem Büro beim Londoner Hyde Park. Ecclestone muss nacharbeiten, die wöchentlichen Reisen nach Bayern haben ihn belastet. „Ich habe an den Wochenenden arbeiten müssen, um das aufzuholen, was ich während der Woche nicht geschafft habe“, sagte er der Nachrichtenagentur PA. „Drei weitere Monate, das wäre schlecht gewesen...“

Briatore hat GP manipuliert

Also zahlt Ecclestone die Summe von 100 Millionen Dollar, umgerechnet 75 Millionen Euro, um sich nach Darstellung seines Anwalts, Sven Thomas, wieder voll und ganz dem Kerngeschäft widmen zu können. Nach mehr als 40 Jahren als Steuermann der Formel1 weiß „Mr. E“, dass die Zweifel der vergangenen Monate seine Position ins Wanken gebracht haben. „Im Fall der Debatte über seine künftige Rolle in der Formel1 sind die Akten keinesfalls geschlossen“, urteilte der „Guardian“.

Ecclestone muss beweisen, dass er die akuten Brandherde löschen kann. Da ist die Sorge um schwindende Zuschauerzahlen an einigen Strecken und vor dem Fernseher. Hinzu kommen die quälenden Debatten über die leiseren Turbomotoren und das sich ständig ändernde Regelwerk, die vom oft spektakulären Renngeschehen ablenken. Da Ecclestone zudem bisher kein Interesse an einem tragfähigen Konzept für den Umgang mit sozialen Netzwerken gezeigt hat, fürchten Teams um ihre Attraktivität für Fans und Sponsoren.

Für Kopfschütteln sorgte daher die Idee des Formel-1-Bosses, Briatore, einen überführten Rennbetrüger (Manipulationsskandal im Singapur-Grand-Prix 2008), in eine Kommission zur Verbesserung der Grand-Prix-Show zu berufen. Auf der Jagd nach frischen Einnahmen führt Ecclestone seinen Vollgaszirkus auch nach Russland und Aserbaidschan, er riskiert weitere Imageschäden der Rennserie. Für den einstigen Gebrauchtwagenhändler zählt aber eben nur eines: die Profitmaximierung.

Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo und Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche haben erkennen lassen, dass sie diese Linie langfristig für gefährlich halten. Zetsche drängte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ bei der Vermarktung der Formel 1 auf „Veränderungen und Entwicklungen“ und brachte die Berufung weiterer Entscheidungsträger neben Ecclestone ins Gespräch. Montezemolo forderte in einem Brief an CVC-Vorstand Donald Mackenzie einen Strategiegipfel.

Nur: Wie weit reicht Ecclestones Horizont noch? Wie groß ist sein Wille, die Macht zu teilen und geordnet zu übergeben? Im Alter von bald 84 Jahren sind seine Tage gezählt. Sein letzter großer Kraftakt könnte der seit Längerem angedachte Börsengang der Formel1 werden, der wohl auch wegen der Anklage gegen ihn auf Eis gelegt wurde. Mit einem weiteren Milliardenregen könnte Ecclestone seinen Arbeitgeber, CVC, und die internen Kritiker wieder ruhigstellen. Geld – das ist für Bernard Charles Ecclestone seit jeher die passende Antwort auf die zentralen Fragen. (red.)

AUF EINEN BLICK

Bernie Ecclestone, 83, saß wenige Stunden nach der Einstellung des Schmiergeldprozesses wieder in seinem Büro beim Londoner Hyde Park. Er will Chefvermarkter der Formel 1 bleiben, viele Teams haben aber Zweifel.
Flavio Briatore lehnen aber alle wegen seiner Vorgeschichte (Manipulation 2008 in Singapur) als Nachfolger ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2014)

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