Die fürstliche Stadtrundfahrt

In Monaco lässt sich am Rennwochenende mit jeglicher Terrasse oder jeglichem Balkon mit Sicht auf die Strecke gutes Geld verdienen.
In Monaco lässt sich am Rennwochenende mit jeglicher Terrasse oder jeglichem Balkon mit Sicht auf die Strecke gutes Geld verdienen.(c) REUTERS (Eric Gaillard)
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Der Grand Prix von Monaco ist einzigartig in der Formel 1: Die Tempojagd auf engen Straßen zwischen Casino und Hafen fasziniert, Reich und Schön geben sich hier ein Stelldichein.

Es ist unbestritten das Highlight der Formel-1-Saison: Statt steril wirkender Bahnen mit weitläufigen Kiesbetten und Auslaufzonen führt der Circuit de Monaco auch diesen Sonntag (14 Uhr, live ORF eins, RTL, Sky) wieder auf engen Straßen und Kurven mitten durch die Viertel Monte Carlo und La Condamine im Stadtstaat an der Mittelmeerküste, vorbei an Casino, Fürstenpalast und Hafen. Nirgendwo sonst ist die Dichte an Reich und Schön in den VIP-Boxen höher, lässt sich an einem Wochenende mit Terrasse oder Balkon mit Sicht auf die Rennstrecke mehr Geld verdienen. Seit 1955 ist die Königsklasse des Motorsports alljährlich in Monaco zu Gast, als einziger Kurs war die 3,337 km lange Runde seither jedes Jahr Bestandteil des WM-Programms.

Monacos Vertrag für den Grand Prix läuft noch bis 2021, im Gegensatz zu den Fans kommt das Rennen der monegassische Fürstenfamilie vergleichsweise günstig. Der Hauch von Glamour und Prunk war seinerzeit Bernie Ecclestone eine vergünstigte Ausrichtungsgebühr wert, wie Fürst Albert II kürzlich in einem Interview bestätigte. „Bernie war sich bewusst, was Monaco der Formel 1 gebracht hat.“


Alles ist noch enger. In Monaco ist es nicht allein die Faszination der Geschwindigkeit, die die Besucher in Scharen anlockt. Es ist das Zusammenspiel aus Häuserschluchten und Schikanen, das Ex-Weltmeister Nelson Piquet einst als „Hubschrauberfliegen im Wohnzimmer“ beschrieb. Alljährlich werden Straßenschilder und Blumenkästen entlang der Strecke abgeschraubt, dafür Leitplanken, mobile Curbs, Zäune und Tribünen errichtet. Heuer wird es zudem noch einmal enger: 20 Zentimeter sind die Boliden breiter als in den vergangenen Jahren. „Das wird eine echte Bewährungsprobe für die Auffassungsgabe, wo sich das Auto befindet“, ist Mercedes-Pilot Lewis Hamilton überzeugt.

Die Fans sind in Monaco hautnah dran am Geschehen, oft nur durch einen Zaun von ihren Idolen getrennt. Der schwere Unfall von Karl Wendlinger 1994 hatte zwar Entschärfungen zur Folge, nichtsdestoweniger gilt der Stadtkurs trotz der niedrigsten Durchschnittsgeschwindigkeit als gefährlichste aller Rennstrecken. Scheinen die Boliden bei der legendären Haarnadel Fairmont beinahe zum Stillstand zu kommen – es benötigt dafür sogar eine eigene Lenkradübersetzung –, rasen sie bei der Tunnel-Ausfahrt mit knapp 300 km/h über Zebrastreifen und Kanaldeckel hinweg. Erst im Vorjahr hat Jenson Button damit eine unliebsame Erfahrung gemacht, als sein McLaren im Training von einem aufgewirbelten Kanaldeckel getroffen wurde. Prompt ließen die Verantwortlichen alle überprüfen und neu verschweißen, auf dass derartige Vorfälle nicht mehr vorkommen.

Für etliche Formel-1-Piloten war und ist Monaco das eigentliche Heimrennen, haben sie doch, wie beispielsweise Hamilton, ihren Wohnsitz aus steuerlichen Spargründen ins Fürstentum verlegt. Für die Streckenkenntnis ist es nicht zwingend nötig, wie der inzwischen zurückgetretene Weltmeister Nico Rosberg den Weg bereits zu Fuß mit Schultasche absolviert zu haben, doch es ergeben sich mitunter andere Vorteile: Als Ayrton Senna 1988 in Führung liegend in der Portier-Kurve in die Leitplanken krachte, zog sich der Brasilianer kurzerhand einfach in sein nahe gelegenes Appartement zurück. Diese Option bietet sich heuer auch Max Verstappen. Der Red-Bull-Jungstar ist vor einigen Monaten vom elterlichen Heim nach Monaco übersiedelt und hat dort bislang „jede Minute genossen“.

Weniger positiv sind dem 19-Jährigen seine bisherigen Rennauftritte in Erinnerung: 2015, noch im Toro Rosso, schied er nach einem Unfall in Sainte Devote aus, im Vorjahr reiste er als Spanien-Sensationssieger an, patzte im Qualifying und verabschiedete sich schließlich nach einem neuerlichen Fahrfehler im Rennen vorzeitig. Im dritten Versuch möchte der Niederländer unbedingt erstmals das Ziel erreichen, Zurückhaltung sei auf diesem Kurs aber fehl am Platz. „Es gibt keine Runde in Monaco, bei der man wenig Risiken eingeht. Das gibt es einfach nicht. Wenn man schnell sein will, muss man das Limit suchen“, erklärte Verstappen.


Ferrari hängt Hamilton ab. Überholen ist auf dem engen Stadtkurs quasi ein Ding der Unmöglichkeit, deshalb kommt dem Startplatz umso mehr Bedeutung zu. Ferrari bestätigte im Qualifying seinen starken Trainingsauftritt und sicherte sich die erste Reihe. Überraschend war es jedoch Kimi Räikkönen, der sich vor Sebastian Vettel seine erste Pole Position seit 2008 schnappte. Damit hat die Scuderia beste Chancen auf den ersten Monaco-Sieg seit Michael Schumacher 2001.

Während Valtteri Bottas als Dritter im Mercedes noch Chancen hat, setzte es für Hamilton das nächste Debakel: Er verpasste das Finale der Qualifikation und geht nur vom 13. Rang aus ins Rennen. Der Brite zeigte sich anschließend ratlos, Mercedes-Sportdirektor Toto Wolff schrieb das Rennen für ihn ab: „In Monaco kann man daraus nichts mehr machen.“ Den eklatanten Unterschied in der Performance der beiden Silberpfeile konnte sich auch Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda nicht erklären, denn beide waren mit dem gleichen Set-up unterwegs. „Wir müssen uns genau anschauen, warum es bei einem Auto funktioniert hat und beim anderen nicht.“

Zahlenspiel

3,337Kilometer
ist eine Runde auf dem Circuit de Monaco lang. Insgesamt 78 Mal fahren die Piloten die Strecke zwischen Casino, Fürstenpalast und Hafen.

50Gangwechsel
pro Runde sind nötig, im gesamten Rennen sind es also gut 4000 Schaltmanöver.

158km/h
beträgt die Durch-schnittsgeschwindig-
keit, damit ist Monaco das langsamste Rennen der Saison. Mit dem doppelten Tempo verlassen die Piloten den Tunnel in Richtung Hafenschikane.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2017)

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