China: Pekings verdorrtes Vogelnest

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Sportler aus aller Welt erlebten 2008 in der chinesischen Hauptstadt perfekt organisierte Olympische Spiele. Doch vier Jahre später stehen viele der in Peking eigens gebauten olympischen Stätten weitgehend leer.

Peking. Zumindest ein Mal noch sollte das Pekinger Olympia-Stadium, im Volksmund auch „Vogelnest“ genannt, in altem Glanz erstrahlen. Zu Ehren der Pekinger Spiele vor vier Jahren standen sich der Londoner FC Arsenal und der englische Fußballmeister Manchester City im Pekinger Stadium gegenüber, sechseinhalb Stunden bevor in London das weltgrößte Sportereignis eröffnet wurde. Doch Stimmung wie im Sommer 2008 wollte beim Spiel am Freitagabend nicht mehr so recht aufkommen.

Nicht nur, dass es in Peking mal wieder in Strömen geregnet hat – die chinesische Hauptstadt leidet ohnehin seit Tagen unter den schlimmsten Regenfällen seit 60 Jahren. Mit 0:2 unterlag Arsenal den „Blues“ auch noch – an diesem Abend sympathisierten die meisten Pekinger eher mit dem Londoner Traditionsteam als mit der Mannschaft aus Manchester. Entsprechend schlecht war die Laune. „Das liegt am schlechten Fengshui des Stadions“, sagt Zhang Weide, der sich das Spiel angesehen hat. Für ihn stand das Gebäude von Beginn an unter schlechten Vorzeichen.

Das Vogelnest und der daneben stehende „Wasserwürfel“, wo die Schwimmwettkämpfe stattgefunden haben, sind die bekanntesten Bauwerke der Olympischen Spiele von Peking 2008. Das großzügig gebaute Gelände nördlich des dritten Ringes in der chinesischen Hauptstadt wirkt vier Jahre später zwar nahezu unverändert, aber auch weitgehend verlassen. Das Schwimmstadion hat die Stadtregierung immerhin zum Spaßbad umgebaut, nachdem es zwei Jahre außer für Werbegroßveranstaltungen für Volkswagen kaum genutzt worden ist. Das Nationalstadion – das Vogelnest – steht hingegen praktisch leer. Es wird nicht einmal für heimische Sportwettkämpfe genutzt.

Riesiges Stadion ohne Publikum

Dabei hat die Pekinger Regierung in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, das Vogelnest zu neuem Ruhm zu erwecken. Zweimal wurde der italienische Supercup dort ausgetragen, beim „Race of the Champions“ heizten 2009 auch Michael Schumacher und Sebastian Vettel durch das Stadion. Und einmal fand die Oper „Turandot“ in dem riesigen Gebäude statt, das auf den Zuschauerrängen immerhin 90.000 Menschen Platz bietet. Mehr als umgerechnet 400 Millionen Euro sind in das Gebäude geflossen. Die laufenden Kosten sollen laut einer Sprecherin 11,4 Million Euro im Jahr betragen.

Eine regelmäßige Veranstaltung konnte sich aber bis heute nicht etablieren. Pläne der Stadtoberen, den Pekinger Fußballverein Guo'an seine Heimspiele dort bestreiten zu lassen, kamen nicht zustande. Der korruptionsgeplagte Verein der Hauptstadt, der nicht einmal besonders erfolgreich spielt, zieht pro Spiel gerade einmal 10.000 Zuschauer an. Sie würden in diesem großen Stadium mickrig wirken.

Die Betreiber versuchen nun über saftige Eintrittspreise zumindest den Betrieb aufrechtzuerhalten. Fünfzig Yuan kostet der Einlass, umgerechnet rund 6,35 Euro. Und immerhin sind es offiziell derzeit immer noch 20.000 bis 30.000 Touristen pro Tag, die wegen der Architektur kommen. Wang Chun, Direktor der Olympiapark-Verwaltung, bezeichnet diese Zahlen aber als übertrieben. 2009 hätten sich 10.000 Besucher das Stadion angesehen, nun nur noch rund 6000. Und das Interesse sinkt weiter.

Planer von damals heute in Ungnade

Ausgerechnet Chinas derzeit wohl bekanntester Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei hat das Vogelnest maßgeblich mitgestaltet. Aus Furcht vor einer angeblichen Anzettelung von Protesten hatten Behörden ihn vergangenes Jahr für zwei Monate verhaftet und ihn anschließend unter Hausarrest gestellt. Das hinterlässt nun auch bei vielen Besuchern, die über die Verhaftung Bescheid wissen, einen bitteren Nachgeschmack. Zudem sind sich viele einig: Von außen sehe das Gebäude ohnehin besser aus.

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