Segeln: Das Los einer Bauchentscheidung

 Thomas Zajac und Tanja Frank trotzen Wind und Wellen und rittern heute um eine Medaille.
Thomas Zajac und Tanja Frank trotzen Wind und Wellen und rittern heute um eine Medaille.(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Die Nacra17-Crew Thomas Zajac und Tanja Frank startet am Dienstag auf Bronzekurs ins „Medal Race“. Ein Mann-über-Bord-Manöver und unbekannte Winde waren für sie kein Hindernis.

Rio de Janeiro. Georg Fundak, der Chef der österreichischen Segelflotte, war in den vergangenen Tagen auf einiges nicht wirklich gut zu sprechen. Der Ungar war stinksauer, er hinterfragte seinen Job, die dreijährige Aufbauarbeit in Rio de Janeiro. Er prüfte seine Windkarten, analysierte erneut die Strömungen in der Guanabara-Bucht und wunderte sich weiterhin über diesen schier unbekannten Westwind. Diesen habe man hier noch nie erlebt, vielleicht einmal kurz; Fundak war über diesen Umstand nicht sonderlich erbaut.

Der Wind brachte die Seinen ins Hintertreffen, parallel dazu verschlechterten krasse Fehlentscheidungen mancher Segler ihre Positionen. Und dass Lara Vadlau, das verriet ein Segelinsider, abseits der vorgegebenen Windrichtungen geradezu beratungsresistent unterwegs war, erhöhte keineswegs das Wohlbefinden. Die Medaillen schienen bei Olympia, wie für das komplette ÖOC-Team, dahin.

Doch Winde drehen sich, Strömungen ebenso, und nun, zum Abschluss der Nacra17-Fahrten, sind plötzlich die Wiener Thomas Zajac, 30, und Tanja Frank, 23, an der Spitze aufgetaucht und liegen als Dritte auf Medaillenkurs.

Nachfolger der Tornados

Im „Medal Race“ der Nacra-Klasse, es hebt am Dienstag um 19 Uhr MESZ an, zählen Punkte doppelt, da ist vieles möglich. Doch in Erwartung einer rauen See und des bedingungslosen Verlangens, Erfolge nicht verschreien zu wollen, stapelte Fundak tief. Er wolle die Seinen erst fahren sehen und lassen, dann sich freuen oder all die mühsamen erarbeiteten Karten doch noch durch den Aktenvernichter jagen. Dennoch, um diese Bestandsaufnahme kam auch er nicht umhin: Es geht zumindest um Bronze. „Die Top sieben haben aber noch Chancen auf einen Podestplatz.“

Was aber ist das, ein Mixed-Boot, und überhaupt: Nacra? Die Klasse wurde 2011 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ins Leben gerufen, zum Wohl der Frauenquote und als Nachfolger für die aus dem Programm gestrichenen Tornados. Zur Erinnerung, in dieser Klasse wurden Hans-Peter Steinacher und Roman Hagara gleich zwei Mal Olympiasieger: 2000 in Sydney und 2004 in Athen.

Die neue Serie gibt hier in Rio de Janeiro ihr Debüt und vermochte bislang mit hohem Tempo, flotten Wenden und gebogenen Steckschwertern, die die Boote bei höherem Speed sofort aus dem Wasser heben, zu begeistern. Billig ist Segeln ohnehin nicht, dieser Auftritt aber verschlingt exorbitant viel Geld: Ein Boot kostet 17.000 Euro. Die Segelfläche umfasst am Wind (Einfallswinkel des Windes weniger als 90 Grad) knapp 19 Quadratmeter, vor dem Wind (der Wind kommt von achtern, von hinten), mit Gennaker, 38 m².

Fundak berichtet, dass anfangs die Tendenz dahin ging, die Frauen steuern zu lassen und das vermeintlich stärkere Geschlecht ins Trapez zu stellen. Dort sind kräftige Hände gefragt, und Frauen können durchaus auch sehr gut steuern, doch in der aktuellen Olympiaregatta sind nur vier Damen (Neuseeland, Griechenland, Aruba, Niederlande) am Steuer – und es gibt 16 Herren. „In unserem Team war von Anfang an klar, dass Tom steuert“, sagt Fundak. Immerhin sei er als Hagara-Nachfolger aufgebaut worden, er beherrsche das Geschehen, verstehe diese Disziplin mit zwei Rümpfen. Das habe nichts mit schlechten Witzen über Autofahrkünste oder eventuell härteren Tönen auf hoher See zu tun, rein gar nichts. Es sei einfach „eine Bauchentscheidung gewesen“.

Warum niemand beide vorab auf der Liste der Medaillenanwärter gehabt hat? Fundak zuckt mit den Schultern. Der Wind, die Strömung, die Wellen – nur sie liefern die passenden Antworten. Dass Zajac auf der finalen Wettfahrt über Bord („Ich musste dem Boot hinterherschwimmen, ich hasse schwimmen“) ging, war später an Land eine Episode zum Schmunzeln. Ob Österreich heute auch lacht? Australien und Neuseeland liegen auf der Lauer, sind Vierter und Fünfter. Georg Fundak sagte dazu nichts. Er las still in seiner Windkarte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2016)

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