Nichts ist wichtiger als Gold für Gelb

Rio 2016 Fuszball Brasilien Honduras 160817 RIO DE JANEIRO Aug 17 2016 Brazil s Neymar
Rio 2016 Fuszball Brasilien Honduras 160817 RIO DE JANEIRO Aug 17 2016 Brazil s Neymarimago/Xinhua
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Brasilien spielt im Olympia-Finale, will historisches Gold im legendären Maracanã just gegen Deutschland gewinnen. Neymar soll eine Wiederholung der WM-Schmach (1:7) verhindern.

Rio de Janeiro. Wer zum Maracanã, dem unwidersprochen berühmtesten Fußballstadion der Welt, möchte, muss schon bei der Anreise Geduld, Demut und vor allem Stehvermögen mitbringen. Mit dem Taxi hinzufahren ist dieser Tage während der Sommerspiele schier unmöglich, der Verkehr ist absurd, es gibt zu viele Sperren. Es bleibt nur die Metro als Alternative und dort ereilt einen das Schicksal der gequetschten Sardine in der Dose.

Es wird munter gedrängelt, gestoßen, selbst ältere Damen fahren ihre Ellbogen aus. Hauptsache, die Tür des Zuges geht noch zu. Wer drin ist, hat Glück und wird gut durchgerüttelt. Zwölf Stationen sind es von Botafogo zum Maracanã, es dauert über eine Stunde. Elfmal das gleiche Spiel: Tür auf, keiner raus, dafür zig neue Passagiere rein. Nur wohin? Als beim Stadion alle aussteigen, fragt man sich, ob all diese Menschen tatsächlich im gleichen Waggon waren. Es ist verrückt.

Gringo! Wo ist dein Trikot?

Fußball ist Brasiliens Volkssport, nein: Manche halten es sogar für Religion und angesichts der Heerschar gelber Seleção-Trikots, die schon an normalen Wochentagen durch die Straßen laufen, ist diese Betrachtung auch durchaus nachvollziehbar. Hier, auf der Brücke zum Stadion, das 1950 gebaut wurde und sagenhaften 200.000 Fans damals im WM-Finale Platz geboten haben soll, ist alles nur noch Gelb. Wer kein gelbes Trikot hat, der ist ein Gringo...

Im Olympia-Halbfinale gegen Honduras machten die Brasilianer jedenfalls kurzen Prozess. Nach 15 Sekunden schoss Neymar, wer sonst, schon das 1:0, die Partie endete 6:0 und lässt das von der Wirtschaftskrise und sozialen Problemen geplagte Land nicht nur vom ersten Olympia-Gold träumen, sondern vom ersten Titel im Maracanã, dem Heiligtum mit einer Negativgeschichte. 1950 verlor Brasilien das WM-Finale gegen Uruguay mit 0:1, 2014 sollte hier der große Triumph gelingen, aber diese Show fiel ins Wasser. 1:7 im WM-Halbfinale gegen Deutschland, die Blamage von Belo Horizonte stürzte Brasilien in eine Sinnkrise.

Es passt also, dass am Samstag (22.30 Uhr, MEZ) Deutschland als Gegner wartet. „Revanche“, fordert die Zeitung „O Globo“ und spricht allen damit aus der Seele. Revanche für „vexame“, die Schande. Auch für Neymar ist die Situation neu. Der Star des FC Barcelona ist einer von drei Profis, mit denen jedes Team seine U23-Auswahl verstärken darf; 2014 war er nicht dabei. Er musste nach einem Horrorfoul die Schmach verletzt daheim vorm Fernseher mitverfolgen.

An ihn knüpft die Nation nun ihre Träume und Sehnsüchte, dieses Gold muss gewonnen werden. Bei den Beachvolleyballerinnen gingen beide Medaillenspiele verloren – Deutschlands Damen wurden erstmals Olympia-Sieger. Auch in der Halle schied die Damen-Seleção aus, bei den Herren ist zumindest das Halbfinale erreicht.

Innsbruck, Wien, Rio

Deutschlands Fußballer (2:0 im Halbfinale gegen Nigeria) werden von Horst Hrubesch, dem ehemaligen Tirol- (1991–1993) und Austria-Trainer (1995) betreut. Bei dieser Koinzidenz schreien Anhänger der Wahrscheinlichkeitsrechnung nun lauthals auf, denn es ist der gleiche Karriereweg wie ihn Joachim Löw (2001–2002; 2003–2004) beschritten hat und der Schwabe gewann 2014 den WM-Titel hier in Rio de Janeiro (1:0 n. Verlängerung gegen Argentinien).

Dass Deutschland auch bei den Frauen heute im Finale steht, Gegner ist Schweden, zeigt, dass Fußball nicht nur in Brasilien, sondern durchaus auch in Europa gepflegt gespielt wird. Und Hrubesch, als „Kopfball-Ungeheuer“ im Weltfußball bekannt, zeigt vor Brasilien, dem ehrwürdigen Stadion und 80.000 laut grölenden, pfeifenden Fans keinerlei Angst. „Was kann es denn Schöneres, Besseres geben als im Endspiel gegen Brasilien aufzulaufen, und im Maracanã Gold zu gewinnen . . .“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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