Eishockey: Alles andere als Gold uninteressant

(c) GEPA (Hans Oberlaender)
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Für Kanada, das Mutterland des Eishockeys, zählt bei den Olympischen Spielen in Vancouver nur die Goldmedaille. Veteran Scott Niedermayer und Jungstar Sydney Crosby sollen die Gastgeber zum Erfolg führen.

Verfolgt man die Sportberichterstattung in Kanada, könnte man dem Glauben verfallen, es gebe bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver lediglich eine einzige Goldmedaille. Dem ist zwar nicht so, aber den kanadischen Gastgebern ist das egal. Für sie ist der 28. Februar 2010 quasi ein nationaler Feiertag. Am letzten Tag der Spiele wird das gesamte Land innehalten, denn es geht um Eishockey-Gold.

Allerdings nur, wenn „Team Canada“ ins Finale einzieht. Und im Mutterland des Eishockeys wird dies ohnehin als Pflicht vorausgesetzt. Der Druck auf den Schultern jener 23 Jungs, die im Februar das Ahornblatt auf der Brust tragen dürfen, ist riesig. Fast schon unmenschlich. Beispiel gefällig? 13 TV-Stationen waren in Saskatoon live dabei, als Exekutivdirektor Steve Yzerman den Olympiakader bekannt gab. Und die Tageszeitung „Globe and Mail“ erhob das olympische Eishockeyturnier von Vancouver zum „wichtigsten Turnier aller Zeiten“.

Der Veteran Scott Niedermayer von den Anaheim Ducks wird das Unternehmen Gold als Kapitän anführen. „Wir glauben, dass wir ein Team haben, auf das Kanada stolz sein kann“, sagte Yzerman. Schaffen es die Eishockey-Cracks allerdings nicht, die in sie gesetzten Erwartungen beim Heimevent zu erfüllen, werden sie den Nimbus der ewigen Versager zu Lebzeiten wohl nicht mehr ablegen können.

Die Schmach ausmerzen

Seit den Spielen von Nagano 1998, als die NHL erstmals während der Winterspiele pausierte und ihren Stars die Möglichkeit gab, für ihre Heimatländer anzutreten, hat Kanada nur einmal – 2002 in Salt Lake City – Gold im Männer-Eishockey gewonnen. Das Damenteam hingegen hielt sich sowohl in Salt Lake City als auch 2006 in Turin schadlos.

Das Männerteam muss vor allem die peinliche Vorstellung von Turin wieder gutmachen. In Italien reichte es gar nur für Rang sieben, in der Vorrunde unterlagen die Kanadier außerdem dem „Eishockey-Zwerg“ Schweiz mit 0:2. Es war eine der bittersten Niederlagen in der Karriere von Puck-Legende Wayne Gretzky, 2006 Exekutivdirektor des kanadischen Teams. Nach Ansicht von Analysten war es damals übrigens die Arroganz, dass alles andere als Gold unmöglich sei, die dem Team das Genick brach.

Mike Babcock, Trainer der Detroit Red Wings, wird das Team coachen. Er ist sich des Drucks, der auf ihm und den Spielern lastet, bewusst: „Man kann es von zwei Seiten betrachten. Entweder liegt das Gewicht von 32 Millionen Menschen auf dir oder du hast den Wind und den Schwung von 32 Millionen Menschen. Ich weiß, wie ich es sehe.“

Um die Schmach von Turin nicht zu wiederholen, hat Babcock dem Team einen Generationswechsel verschrieben, zwölf der 23 Spieler sind 25 Jahre oder jünger. 15 der 23 sind Olympianeulinge. Beides trifft auf den 22-jährigen Jungstar Sidney Crosby zu. Die Nichtnominierung von „Sid The Kid“ hat vor vier Jahren heftige Diskussionen ausgelöst, diesmal soll Crosby, mit den Pittsburgh Penguins amtierender Stanley-Cup-Sieger, einer der Leistungsträger sein. „Natürlich ist der Druck ein ständiger Begleiter“, sagte Crosby. „Ich bin aber ziemlich glücklich darüber, als Kanadier in Kanada um Olympiagold kämpfen zu können.“

Das Management sieht in einer Mischung aus Jung und Alt das Erfolgsrezept. Torwart Martin Brodeur von den New Jersey Devils, unbestritten der beste Torwart Kanadas, ist mit 37 Jahren der Oldie. Er wird zum vierten Mal bei einem olympischen Turnier auf dem Eis stehen. Kapitän Niedermayer (36), Chris Pronger (35/Philadelphia Flyers), Joe Thornton (30/San Jose Sharks) und Jarome Iginla (32/Calgary Flames) gehören ebenfalls zu den fortgeschrittenen Semestern.

Die perfekte Mischung

Crosby (22), Eric Staal (25/Carolina Hurricanes), Jonathan Toews (21/Chicago Blackhawks) und – als jüngster Spieler – Drew Doughty (20/Los Angels Kings) gehören zum jugendlichen Flügel des Teams. Aufmerksam notiert wurde, dass mit Thornton, Dany Heatley und Patrick Marleau eine komplette Sturmreihe von San Jose im Aufgebot steht. Die Kanadier erlauben sich den Luxus, Spieler wie Jay Bouwmeester, Vincent Lecavalier und Martin St. Louis nicht in das Team zu berufen.

Und doch sind die Warnungen vor allzu großer Siegeszuversicht in den Sportsendern nicht zu überhören. Denn die USA, ebenfalls mit erfahrenen und ehrgeizigen NHL-Spielern am Start, sind traditionell gleichermaßen Mitfavorit wie Erzfeind. Und die warten schon in der Gruppenphase auf den Gastgeber. Weitere Gegner in Gruppe A sind Norwegen und die von VEU-Meistermacher Ralph Krueger betreute Schweiz.

Auch Titelverteidiger Schweden ist Sieganwärter und schöpft aus dem NHL-Pool. 19 der 23 Spieler verdienen ihr Geld in der stärksten Liga der Welt. Sie treffen in Gruppe C auf Finnland, Weißrussland sowie Deutschland. Aber auch Russland ist der Favoritenstatus nicht abzusprechen. In der rein europäischen Gruppe B bekommen sie es mit Lettland, Tschechien und der Slowakei zu tun. Der Weg für „Team Canada“ zu Olympiagold ist also lang und steinig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2010)

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