Tödlicher Rodelunfall mit 144 km/h in Olympia-Bahn

Trauer nach dem Rodelunglück.
Trauer nach dem Rodelunglück.(c) AP (Gero Breloer)
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Der georgische Rodler Kumaritaschwili starb, nachdem er mit 144 km/h gegen einen Stahlträger prallte. Die Rodelbahn gilt als extrem schnell. Der Bahndesigner spricht von einer Verkettung unglücklicher Umstände.

Das Olympia-Abschlusstraining der Rodler ist vom Tod des Georgiers Nodar Kumaritaschwili überschattet worden. Unmittelbar vor dem Ziel kam der 21-Jährige in der letzten Kurve nach einem Fahrfehler zu Sturz, wurde mit rund 144 km/h aus der Bahn katapultiert und prallte gegen einen Stahlträger der Bahnüberdachung. Kumaritaschwili war zunächst an Ort und Stelle ärztlich versorgt worden, man versuchte ihn zu reanimieren. Doch vergeblich, der Athlet starb nach der Einlieferung ins Spital.

IOC-Chef tief betroffen von tödlichem Unfall

IOC-Chef Jacques Rogge reagierte auf einer Pressekonferenz in Vancouver geschockt und kämpfte mit den Tränen. "Die gesamte olympische Familie ist tief betroffen. Dieser Unfall wirft ganz sicher einen Schatten auf diese Spiele. Das ist eine Tragödie. Unsere ersten Gedanken gelten seiner Familie, seinen Freunden und seinen Teamkollegen."

Ermittlungen nach Rodel-Unfall

Die kanadischen Behörden haben erste Untersuchungen aufgenommen. Staatsanwaltschaft und Polizei nahmen die Unglücksstelle an der Olympia-Bahn in Augenschein. Dafür wurde der Eiskanal weiträumig abgesperrt. Spekulationen, der Sturz sei durch mangelnde Erfahrung von Kumaritaschwili ausgelöst worden, erteilte der georgische Kultur-und Sportminister Nikolos Rurua auf einer Pressekonferenz in Vancouver eine Absage. "Er war ein starker Athlet und im Training am Donnerstag in seiner Gruppe Elfter. Solche Aussagen sind sehr unfair", erklärte der Politiker.

"Verkettung unglücklicher Umstände"

Udo Gurgel ist fassungslos. Für den Konstrukteur der olympischen Bob- und Rodelbahn im kanadischen Whistler war ein tödlicher Unfall nicht vorstellbar. "Das kann man nicht vorhersehen. Das war eine Verkettung sehr unglücklicher Umstände", sagte der Ingenieur aus Leipzig. Denn selbst unter dem Eindruck des tragischen Unglücks gibt es für ihn keinen Zweifel daran, dass der Eiskanal im Whistler Sliding Center höchsten Sicherheitsanforderungen entspricht.

Designer vermutet Fahrfehler

"Die Bahn ist nicht zu gefährlich. Punkt eins: Die Bahn ist sicher. Und Punkt zwei: Die Bahn ist schnell. Man muss das sehr sauber definieren. Nur wenn man schnell als gefährlich definieren will, ist sie gefährlich", erklärte er. Dennoch macht er sich Gedanken. "Wenn man sich vier Jahre mit dieser Bahn beschäftigt hat, ist man einfach erschüttert. Das tut einem unendlich leid, dass so etwas passieren konnte. Und man fragt sich natürlich, wie so etwas passieren konnte. Aber man ist auch anhand der Fernsehbilder nicht in der Lage, Rückschlüsse zu ziehen", sagte Gurgel und vermutete: "Es ist wohl ein Fahrfehler gemacht worden."

Von erfahrenem Profi entworfen

Die Hochgeschwindigkeits-Piste rund 130 Kilometer nördlich der Olympia-Stadt Vancouver ist die neunte Bob- und Rodelbahn, die Gurgel gemeinsam mit seinem Team in den vergangenen 40 Jahren entworfen hat. Seither werden die Bahnen an Computern konstruiert. "Seitdem ist noch keiner rausgeflogen.

Man sieht, dass die computerberechneten Bahnen sicher sind. Selbst Fahrfehler werden simuliert", sagte Gurgel. Die Tempo-Diskussionen nach dem tödlichen Unfall würden "nicht auf einer sachlichen Basis" geführt. "Die Bahn ist schnell. Das ist unbestritten. Aber das ist schon seit zwei Jahren bekannt", erklärte der Ingenieur und verwies darauf, dass alles mit den internationalen Bob- und Rodelverbänden FIBT und FIL abgestimmt war.

144 km/h nicht möglich?

Gurgel bestreitet, dass der 21-jährige Kumaritaschwili mit einer Geschwindigkeit von 144 Kilometern pro Stunde an den Stahlträger neben der Bahn geprallt sein soll. Zum einen sei dort im Zielbereich keine Geschwindigkeitsmessung, sondern lediglich vor dem Eingang zur verhängnisvollen Kurve 16. Und zum anderen gehe die Kehre 130 Meter lang bergauf. "Dadurch ist eine Verringerung der Geschwindigkeit um 14 bis 16 km/h zu verzeichnen. Das fängt Fehler ab", erläuterte der Designer.

Zudem habe er gesehen, dass die Bande an der Unglücksstelle bereits vorher durch Platten um 20 Zentimeter erhöht worden sei. Der Georgier aber sei über einen Meter hoch geflogen. "Dort werden sicherlich die Banden mit Holzplanken weiter erhöht und verlängert", prognostizierte er. Genau diese Maßnahmen wurden dann am Samstag in Whistler vor dem Männertraining vorgenommen.

Todesfälle bei Winterspielen

Es war der erste Todesfall in einem Olympia-Bewerb (Wettbewerb oder Abschlusstraining) bei Winterspielen. 1964 in Innsbruck starb der Australier Ross Milne bei einem Trainingslauf für die Abfahrt. Der damals 19-Jährige prallte gegen einen Baum abseits der Piste und starb in der Uniklinik Innsbruck an seinen schweren Verletzungen. 1992 in Albertville war bei der Demonstrationssportart Speedski der Schweizer Nicholas Bochatay ums Leben gekommen. Er war bei der Fahrt zum Finale mit einer Pistenraupe kollidiert. 1964 in Innsbruck war der britische Rodler Kazimierz Skrzypezki zwei Wochen vor Beginn der Spiele im Training tödlich verunglückt.

Die Rodler sind bestürzt. "Das Unfassbare ist passiert. Jetzt müssen wir alle diese Nachricht erst einmal verarbeiten", sagte ÖRV-Cheftrainer Rene Friedl mit Tränen in den Augen nach der Mannschaftsführersitzung, an deren Ende die Nachricht vom Tod des Georgiers bekannt wurde.

Georgisches Team tritt an

Das georgische Team tritt trotz der Tragödie bei den Spielen an. "Unser Team hat sich entschieden, sich loyal gegenüber dem olympischen Geist zu verhalten und wird die Winterspiele für ihren verunglückten Kollegen bestreiten", erklärte Sportminister Rurua.

Schnellste Bahn der Welt

Der Eiskanal in Whistler ist der schnellste der weltweit 21 Bahnen. "Geschwindigkeiten von deutlich über 150 km/h sind möglich", sagte Gurgel. Im Training erreichte der 21-jährige Tiroler Manuel Pfister mit 154 km/h einen inoffiziellen Geschwindigkeits-Weltrekord. "Die Kurven werden mit einem Geschwindigkeitspuffer versehen. Was dort gefahren wird, ist nicht im Endbereich. Gerechnet und untersucht wird mit zehn Prozent mehr", erklärte der Ingenieur. Zudem würden auch auf der Bobbahn in St. Moritz 148 km/h erreicht. "Auch Turin war schon eine schnelle Bahn mit drei schnellen Kurven. In Vancouver sind es vier."

Banden werden noch mehr erhöht

Der Rodelbewerb im Herren-Einsitzer wird am Samstag und Sonntag wie geplant durchgeführt. Das entschied die Jury des Internationalen Verbandes (FIL) sechs Stunden nach dem Unfall. Wie ÖRV-Sportdirektor Markus Prock berichtete, müssen allerdings die Banden im Zielbereich noch erhöht werden. Prock trat ebenso wie auch die deutsche Teamführung für eine Durchführung des Rennens ein. "Unseren Fahrern haben wir die Teilnahme freigestellt, aber das war kein Thema. Sie wollen fahren", sagte der ÖRV-Sportdirektor. Österreich ist durch die Brüder Daniel und Manuel Pfister sowie durch Wolfgang Kindl vertreten.

Herren auf der Damenbahn

Die Organisatoren des olympischen Rodel-Bewerbs der Herren haben auf den tödlichen Trainingssturz mit einer Verkürzung der Bahn im Whistler Sliding Centre reagiert. Samstagfrüh (Ortszeit) entschied die Jury des Weltverbands wenige Stunden vor dem Bewerb (Sonntag, 2.00 Uhr MEZ), die Athleten vom Damenstart aus ins Rennen zu schicken.

Vor dem Bewerb werden zwei Trainingsläufe vom Damen-Start absolviert. Die Damen und Doppelsitzer werden aus Sicherheitsgründen ihre Rennen vom Junioren-Start aus in Angriff nehmen.

(Ag./Red.)

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