Olympische Spiele: Das Warten auf die Euphorie

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Am Freitag erreichte die olympische Fackel Großbritannien. Man hofft, dass sich die Briten nun endlich für die Spiele begeistern.

Erst jüngst gab es wieder „olympische“ Nachrichten, die nicht jedem gefielen: Auf Wohnhäusern in der Nähe des Olympia-Parks in London, einem Schauplatz der kommenden Sommerspiele, sollen Luftabwehrraketen stationiert werden – zur Sicherung der Veranstaltung.

In London sorgte das für Empörung. Zudem kreuzt wegen der Spiele ein Kriegsschiff auf der Themse, Drohnen und noch mehr Überwachungskameras als in London sowieso schon üblich sollen die Sicherheit gewährleisten. All das macht die Olympischen Spiele bei den meisten Briten nicht gerade beliebt: Laut Meinungsumfragen interessiert sich die Hälfte aller Briten kaum dafür. Zwei Drittel glauben gar, das Event sei „nicht gut für das Land“.

„Das wird unglaublich!“

Aber seit Freitag soll sich alles ändern: Da kam die olympische Fackel aus Griechenland in Cornwall an, dem Südwestzipfel Großbritanniens, und mit ihr soll auch Begeisterung die Insel erreichen. „Das wird unglaublich!“, versichert Sebastian Coe, der Chef des Organisationskomitees „Locog“ (London Organising Committee of the Olympic Games). „Da wird richtig was losgetreten werden, sobald die Fackel britischen Boden erreicht.“

Die Euphorie erwartet sich Coe durch die Route des Fackellaufs, die fast ganz Britannien abdeckt. Und so werde das Feuer aus Olympia, das zum dritten Mal nach 1908 und 1948 in London sein wird, eine Welle der Begeisterung auslösen. Die Fackel, für deren Gestaltung aus goldverziertem Aluminium das britische Designerbüro Barber Osgerby ausgezeichnet wurde, wird am 27. Juli durch ihre Flamme die Spiele eröffnen. Bis dahin wird sie durch 8000 Läufer über etwa 12.000 Kilometer getragen worden sein, in Großbritannien wird sie 1018 Orte passieren und für 95 Prozent der britischen Bevölkerung in einem Radius von rund 16 Kilometern erreichbar sein. Diese Route, meint Coe, zeige die Nähe der Spiele zu den Menschen.

Eskortiert von elf Autos werden nicht nur alle „Hauptstädte“ Großbritanniens durchlaufen – neben London auch Cardiff (Wales), Edinburgh (Schottland) sowie Belfast in Nordirland –, die Fackel kommt sogar nach Dublin, obwohl Irland seit 1922 unabhängig ist. Zudem werden Attraktionen wie Loch Ness in Schottland und der steinzeitliche Steinkreis von Stonehenge in Südengland passiert, dazu Inseln wie die Orkney- und Shetlandinseln. Als Transportmittel dienen auch Pferde, Straßen- und Eisenbahn, Motorräder, Boote und ein Heißluftballon.

Eine Superlative bildet der Fackellauf nicht: Auf dem Weg nach Peking anno 2008 legte die Fackel, getragen von 21.880 Läufern, 137.000 Kilometer zurück und erreichte sogar den Gipfel des Mount Everest. Allerdings gab es am Rande des 130 Tage währenden Laufs erhebliche Proteste gegen die Menschenrechtslage in China. Die Tradition des Fackellaufs kommt übrigens just von den Olympischen Spielen in Berlin anno 1936.

Geldverschwendung? Inspiration!

Umstritten sind die Spiele auch aus ökonomischen Gründen: Großbritannien ist in der Rezession, die Arbeitslosigkeit mit 2,63 Millionen Menschen bzw. 8,3 Prozent hoch wie seit zwei Jahrzehnten nicht. Die öffentlichen Ausgaben werden binnen fünf Jahren um umgerechnet rund 100 Milliarden Euro gekürzt – während die vierwöchigen Spiele die Regierung rund elf Milliarden Euro kosten. Viele Briten sehen darin enorme Geldverschwendung.

Dennoch, so Coe, seien die Spiele wichtiger denn je: So wie 1948, als Großbritannien noch arg kriegsversehrt war, könnte Olympia 2012 das Land inspirieren: „Wir finden uns wieder in schwierigen Zeiten und nutzen den Sport, um die Welt zu verbinden und uns von Leistung inspirieren zu lassen.“

Auf einen Blick

Die Olympischen Sommerspiele finden heuer vom 27. Juni bis 12. August in der britischen Hauptstadt London statt; sie war bereits 1908 und 1948 Austragungsort der Bewerbe und setzte sich gegen die Rivalen Paris, Madrid, New York und Moskau durch. 2008 fanden die Sommerspiele in Peking statt, 2016 werden sie in Rio de Janeiro in Brasilien veranstaltet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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