Vienna City Marathon

Die 32. Auflage des Vienna City Marathon lockt ein Rekordfeld auf die Straße. Österreich bewegt sich also doch noch – zumindest einmal im Jahr. Gewinnen wird aber ein Afrikaner, das ist garantiert.

Steht der Wien-Marathon auf dem Programm, laufen unverbesserliche Nostalgiker zur Hochform auf. Und mit ihnen keimen die sehnlichen Wünsche nach dem Heimsieg auf. Seit 1987 wartet man vergebens auf einen Österreicher, der sich in Wien die Marathon-Krone aufsetzt. Damals war Gerhard Hartmann der gefeierte Held, er hatte zum dritten Mal in Serie triumphiert. 28 Jahre ist das nun her und es wird getrost weitere 28 Jahre oder noch viel länger dauern, ehe ein Österreicher einen großen Marathon gewinnt – wenn überhaupt.

Das Rennen über 42,195 Kilometer ist nicht nur ein Mythos, der das Überwinden des inneren Schweinehundes, der Qualen und die unfassbare Verlockung der Ziellinie in sich birgt, sondern ist auch ein Geschäft. Der Veranstalter hat Sponsoren, Liveübertragung und Berichte sind ihm nicht nur dank des Rekordfeldes von knapp 43.000 Läufern gewiss. Stadt und Wirtschaft freuen sich über Touristen und steigende Nächtigungszahlen. Während es für das Gros der Läufer ein traumhaftes Hobby bleibt, ist es für wenige Afrikaner, zumeist Äthiopier und Kenianer, ein rentabler Auslauf. 15.000 Euro warten als Rekordprämie, dazu kommen Startgeld und Siegerscheck. In diesem Punkt hat Wien mit New York, Boston, London, Rom, Rotterdam, Tokio etc. etwas gemein – ein Heimsieg ist nicht in Sicht.

Es gibt aber einen großen Unterschied. Österreichische Sieger sind auch in anderen Disziplinen der Leichtathletik und Sommersportarten nicht zu finden oder nur sehr rar gesät. Der historische Nuller bei den Sommerspielen in London 2012 war keineswegs Zufall, es war logische Folge. Ob sich in Rio de Janeiro 2016 etwas ändern wird, ist – trotz 20 Millionen Euro Förderung und einer Projekt-Rio-App (!) – fraglich. Realistische Medaillenchancen haben zwei, vielleicht drei Athleten. Das ist die emotionslose Wahrheit.

Das schier unstillbare Verlangen, einen Landsmann auf dem Siegerpodest zu sehen, ist mitunter auch eine chauvinistische Illusion derer, die sich sonntags ausnahmslos auf der Couch vor dem Fernseher räkeln. Sie vermitteln diese limitierte Haltung auch ungefiltert ihren Kindern. Der Sport ist ja, zugegebenermaßen, nur einen Knopfdruck entfernt. Die Negativspirale beginnt sich immer in den eigenen vier Wänden zu drehen, daran können Kindergarten- oder Schulprogramme nur noch wenig ändern, so tägliche Turnstunden denn überhaupt stattfinden.

Letztlich sind am Sonntag in Wien aber trotzdem 43.000 Sieger unterwegs. Sie bewegen sich, sie betreiben Sport. Sie zeigen es vor, sie animieren, sie sind Vorbilder – zumindest für einen Tag.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2015)

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