Ein brisantes E-Mail

Der Absender des brisanten Fenninger-Mails scheint gefunden, ein Buchhalter des ÖSV wurde von Peter Schröcksnadel fristlos entlassen. Der Präsident zweifelt aber an der Einzeltäter-Theorie und forscht weiter.

Ein E-Mail bewegt ganz Österreich. Eigentlich konnte man nach der von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel einseitig zelebrierten Versöhnung mit Anna Fenninger davon ausgehen, dass die Problemzonen rund um die Olympia- und Gesamtweltcup-Siegerin ausgeräumt sind. Es schien irgendwie kein Thema mehr zu sein, dass sie mit Rücktritt gedroht hatte, sollte sie keine bessere Betreuung und ihr Manager Klaus Kärcher nicht mehr Freiraum bei seiner Arbeit erhalten. Es schien beinahe vergessen. Es war jedoch ein fataler, geradezu amateurhafter Trugschluss, diesem Thema nicht weiter Gehör zu schenken. Die elektronische Post verleiht nämlich diesem Sommertheater weiterhin Brisanz.

Es mutete regelrecht absurd an, dass der ÖSV parallel zu den aktuellen Rücktritten – am Montag wird wohl Kathrin Zettel nach Marlies Schild (Raich), Regina Sterz, Nicole Hosp und Andrea Fischbacher ihren Abschied verkünden – seine beste Skifahrerin wegen ihres deutschen Begleiters und ja, ihrem an die „Sportwoche“ weitergeleiteten Droh-E-Mail, vom Hof jagen würde. In diesem Punkt hat Schröcksnadel Geschick und Größe bewiesen – er hat trotz entbehrlicher Zwischenrufe notorisch-naiver Besserwisser aus Politik, Medienbranche und Sportwelt – die Entscheidung, wie allerdings auch nicht anders zu erwarten war, selbst getroffen. Er hat Fenninger trotz fragwürdiger Aussagen auf Facebook doch noch die Hand gereicht.

Skurril wird allerdings die Aufarbeitung, für die Suche nach dem Absender des nur für ÖSV-Augen gedachten Fenninger-Mails wurden Kriminalpolizei und Stuttgarter Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die An- und Beschuldigungen aus beiden Lagern waren höchst amüsant, „CSI-E-Mail“ fand nun wider Erwarten tatsächlich Indizien, die zum Bösewicht führten. ÖSV-Buchhalter Paul S. war mit Kärchers Arbeit nicht einverstanden, er wollte mit dem Mail dem Skiverband „helfen“. Schröcksnadel braucht aber keine Hilfe, so eine schon gar nicht. Diese Tatsache rückt ja viele ÖSV-Aussagen in ein denkbar schiefes Licht. Der unbescholtene, langjährige Mitarbeiter wurde fristlos entlassen – ein von Konsequenz zeugender Schritt.

In einem Punkt öffnete Schröcksnadel aber Spekulationen, womöglich auch nur Liebhabern ewiger Verschwörungstheorien, eine Tür: Der Sportfunktionär glaubt partout nicht an eine Einzeltäter-Theorie. Stand der Buchhalter nicht in der Empfängerliste, muss er von einem anderen ÖSV-Mitglied das brisante Schriftstück erhalten haben. Kärcher kommt in diesem Fall nicht infrage. Springt der Buchhalter nun als Bauernopfer für einen Leistungsträger über die Klinge? Im ÖSV sitzen honorige Herren, große Funktionäre, sehr wichtige Mitarbeiter, arbeiten viele gute Trainer – und womöglich noch ein sehr engagierter Fremdkörper.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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