Der Auftritt von "the normal one"

Nahbarkeit, Linie, System, Ideen, Motivationsgeschick, Interesse und Humor – das Anforderungsprofil moderner Fußballtrainer. Der Auftritt von "the normal one" – wie Klopp oder Koller Spiele und Sympathien gewinnen.

Fußball ist der Engländer höchstes Gut, Spiele der „Three Lions“ sind von nationaler Bedeutung, ihre Erfolglosigkeit ist gemeinsam gelebte Depression. Auf Klubebene jedoch begeistern die Klubs. Spiele der Premier League sind ausverkauft, und wenngleich internationale Triumphe etwas länger her sind – Chelsea gewann 2013 die Europa-, 2012 die Champions-League –, sind Arsenal, Blues, Citizens oder United zu Gast, herrscht immer Stimmung.

Ein Klub fehlt im Konzert der Großen – und zwar seit Jahren. Er dümpelt trotz Tradition, (US-)Kapitals und eines fantastischen Publikums im Mittelmaß herum. Der letzte, entscheidende Schritt misslingt seit 1990 immer. Aber: Liverpool ist Kult.

Keine Fanschar intoniert „You'll never walk alone“ von Gerry & The Pacemakers schöner als die Dauerkartenbesitzer an der Anfield Road. 18 Meistertitel, fünf Erfolge im Europacup der Landesmeister/Champions League (zuletzt 2005), drei Uefa-Cupsiege und zwei Tragödien (Heysel-Stadion 1985, Hillsborough 1989) haben den Klub geprägt. Ikonen wie Dalglish, Rush, Gerrard etc. sind allgegenwärtig, Vergleiche mit ihnen sind für Kicker der aktuellen Generation jedoch kontraproduktiv. Es ist ein Hauch von Österreichs Cordoba-Syndrom.

Der Fenway Sports Group ist der teure Misserfolg – 350 Millionen Euro für Transferflops seit 2012 – zu bunt geworden, mit Jürgen Klopp wurde ein deutscher Startrainer engagiert. Er soll die Trendwende bewirken, schon seine Präsentation sorgte für nie erlebte Aufbruchstimmung. Er sagt: „Hört auf zu zweifeln, fangt an zu glauben!“

Gute Trainer sind Psychologen, Moderatoren, Motivatoren, sie setzen neue Reize, beleben das Spiel. Klopp kann das, und obwohl es Unkenrufe gibt, die ihm bis Saisonende kapitales Scheitern bescheinigen ob der Sprachbarriere, sieht der nüchtern analysierende US-Investor in dem BVB-Meistermacher die Antwort auf alle offenen Fragen. Verfolgt Klopp den Rat nicht englischer Vorgänger wie Gérard Houllier oder Rafael Benítez, ist die (Aus-)Sprache vollkommen belanglos. Sucht er die Nähe der Fans auf der Tribüne The Kop, verzeihen sie alle Niederlagen – solange sie sehen, dass es Spieler und Trainer versucht haben. Sie sind gewohnt zu leiden, zu warten, zu hoffen – und enttäuscht zu werden. Zieht dann aber ein topbezahlter Trainer arrogant grußlos vorbei, ist das Feuer wie im Fall von Brendan Rodgers im Nu erloschen.

Klopp lacht, versprüht entgegen der notorischen Tristesse Euphorie. Er hat Auftreten, Linie und System, er gibt Hoffnung. Er sei nicht wie José Mourinho „the special one“, sondern „the normal one“. So müssen Trainer agieren, das haben Klopp und Marcel Koller gemein. Mit Anpfiff aber entscheidet letztlich ohnehin nur noch der Erfolg.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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