Treppenwitze und Anachronismus sind nicht geschäftsschädigend

Die Formel 1 demonstriert das seit Jahrzehnten. Es rollen Milliarden für TV-Rechte und Teams, flotte Reifenwechsel und Straßenverkehrsordnung genügen.

Zu leise, viel zu teuer. Die Motoren surren nur noch wie heisere Kampfgelsen, Überholmanöver sind bloß reine Utopie. Der Sieger wird im Stillstand, also beim Reifenwechsel, ermittelt. In Wahrheit ist das für eine Motorsportserie ein Treppenwitz. Doch es sind Vorwürfe, die die Formel 1 treffen – und sie sind zumeist wahr.

Das Paradoxon ist, dass diese Liga dennoch Milliarden scheffelt, von der Industrie, egal, ob Autos, Fluglinien, Getränke oder TV, und Millionen Fans angenommen wird. Manche Rennen sind binnen Stunden restlos ausverkauft, etwa in Texas oder Mexico City. Warum aber ist der Grand Prix von Spielberg ein millionenschweres Event vor gähnend leeren Rängen und Wiesen?

Die Formel 1 galt für viele Länder, deren Macher und Politiker, als echtes Schmuckstück, das man um schier jeden Preis haben musste. Wo ein Grand Prix startete, so das weltweite Signal, sind Aufschwung, Wohlstand, Business und Glamour zu Hause. Dieses Verlangen ist Geschichte, längst zweifelt manch Kanzler nicht mehr an der Integrität des Ecclestone verliehenen Goldenen Ehrenzeichens, wenn sein Rennen aus dem Kalender fliegt, weil andere mehr Geld bieten. Oder diktatorische Länder bevorzugt werden, weil die EU mit Werbeverboten und Marktregulierungen dieses „Rennfahren für Reichtum“ unterbindet. In Österreich, das ist die Wahrheit, fährt die Formel 1 nur, weil Dietrich Mateschitz es will – und bezahlt.

Ecclestone folgt, wie der Weltfußball oder Olympia, dem Lockruf des Geldes. Nun erreichten ihn bedauerliche Meldungen: Malaysia steigt nach 2018 aus, die Ausgaben für ein Rennwochenende von 64,6 Millionen Euro seien zu hoch. Singapur erwägt diesen Schritt bereits 2017. Auch in Montreal, São Paulo und Hockenheim (Fixabsage für 2017) soll die Rechnung nicht stimmen.

Geld schläft nie, es sind die üblichen Mätzchen vor dem Saisonschluss. Es geht nur um Gewinnmaximierung, längst nicht mehr im zweistelligen Millionenbereich. Das zeigt das Beispiel McLaren. Beim Sechsten der Konstrukteurs-WM wurde Ron Dennis nach 36 Dienstjahren von den Mitgesellschaftern abserviert. Man muss den eitlen Briten wirklich nicht mögen, allerdings verstand er sein Geschäft und hatte Investoren parat, die 1,88 Milliarden Euro für die Übernahme ausgeben wollten. Es war zu wenig . . .

Werden solche Deals abgelehnt, geht es nur noch um viel mehr Geld. Liberty Media kaufte die Formel 1 für acht Milliarden Dollar, das hat gewiss einen guten Grund. Wer solche Summen ausgibt, dem ist völlig egal, ob überholt wird, der Motor schnurrt oder sich global ein paar Fans ärgern. Anachronismus ist keineswegs geschäftsschädigend, Hauptsache, das vorab ausfinanzierte Rennen läuft sonntags weltweit vor mehr als 70 Millionen Menschen im TV oder online.

markku.datler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2016)

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