Novak Djoković genoss seinen dritten Wimbledon-Triumph, auch Trainer Boris Becker war 30 Jahre nach seiner „Mondlandung“ erleichtert. Roger Federer, 34, gelobte erneuten Anlauf.
London. Er hat es Kritikern und ewigen Zweiflern mal wieder so richtig gezeigt: Fünf Wochen nach der Niederlage im French-Open-Finale wollte Novak Djoković nicht erneut ein Endspiel verlieren. Der Serbe lief, schlug, retournierte und gab gegen Roger Federer keinen Ball verloren. Nach dem 7:6 (7:1), 6:7 (10:12), 6:4, 6:3-Erfolg des Weltranglistenersten gegen den Schweizer zollte vor allem Boris Becker seinem Spieler Respekt. Er habe sein Jubiläum veredelt, vor 30 Jahren ist Becker erstmals selbst beim Champions Dinner gestanden. Nun wieder hier zu sein, sei „unbeschreiblich“.
Man halte im „Team Djoković“ zusammen, diese Einheit imponiere dem Deutschen, der wie Djoković nach 2011 und 2014 auch dreimal in Wimbledon (1985, 1986, 1989) gewinnen konnte. „Wir bemühen uns, ihm zu helfen. Aber er ist der Mann, er muss es auf den Platz bringen. Er hat es geschafft!“
Die Zusammenarbeit der beiden Tennisgrößen ist von Erfolg gekrönt. Sie verstehen sich, Kommunikation und System, vor allem aber die Spielweise imponieren. Seit Dezember 2013 arbeitet Becker mit Djoković zusammen. Mittlerweile haben sie nach Wimbledon 2014 und den Australian Open 2015 ihren dritten gemeinsamen Grand-Slam-Titel gewonnen.
Das Becker-Mysterium
Das anfangs noch als schlechter Scherz aufgenommene Trainer-Experiment mit Becker wurde und wird in Serbien mitunter noch immer kritisch beäugt. „Stärker als die Provokateure. Djoković hat gezeigt, dass er am motiviertesten ist, wenn alle, oder jedenfalls die Mehrheit, gegen ihn sind“, schrieb die serbische Zeitung „Blic“. Dem Spieler sind diese Zeilen nicht verborgen geblieben, noch auf dem Platz ergriff Djoković das Mikrofon. „Es hat ein bisschen gedauert, bis wir uns verstanden haben“, sagte er über Becker. „Aber sein Anteil am Pokal ist so groß wie meiner.“ Der wahre Einfluss des 47-Jährigen ist nur schwer zu fassen. Doch Becker kann eigene Erfahrungen und alle Psychotricks weitergeben und an winzigen Details arbeiten.
Djoković allerdings verriet neben dem Becker-Mysterium noch ein weiteres Geheimnis seines Erfolges. Seit er im Oktober vergangenen Jahres Vater wurde, hat er nur drei Matches verloren. „Deswegen rate ich: Heiratet, zeugt Kinder!“
Beim Champions Dinner wurde das Turnier noch einmal besprochen, Auszeichnungen verteilt und natürlich die Sieger aller Bewerbe ins Rampenlicht gebeten. Djoković war so guter Dinge, er wagte sogar ein Tänzchen mit Serena Williams. Er im eleganten Anzug mit Krawatte, sie in schulterfreier weißer Abendrobe, die Trophäen funkelten im Hintergrund – Fotografen gierten nach diesem Motiv. Nach zwei Wochen im Südwesten Londons haben die 33-Jährige aus Palm Beach Gardens und der 28-Jährige aus Belgrad ihre Ausnahmestellungen untermauert. Beide führen unangefochten die Weltranglisten an, Williams durfte in der Guildhall auf ihren sechsten Wimbledon-Sieg und den 21. Grand Slam ihrer Karriere anstoßen. Djoković feierte mit seiner Ehefrau Jelena den zweiten Triumph in Serie.
„Jetzt weiß auch Roger: Novak ist der König von Wimbledon!“, schrieb die serbische Zeitung „Nase novine“. „Novosti“ nannte den neunmaligen Grand-Slam-Champion den „König des Tennis-Tempels“, für „Kurir“ ist er schlicht „Seine Majestät Novak!“ Naturgemäß sahen es die Schweizer Blätter anders, die „Neue Zürcher Zeitung“ schrieb: „Die Legende Roger Federers wächst auch ohne 18. Titel weiter. Federers Popularität, die Aura, die ihn umgibt, hängt längst nicht mehr von Resultaten ab.“
„Es hat halt nicht gereicht“
Roger Federer, der zum zweiten Mal in Serie das Finale auf dem „heiligen Rasen“ verloren hat, konnte mit diesem Rat letztlich gar nichts anfangen. Der bald 34-Jährige hat bereits vier Kinder. Lange Zeit sah es in den vergangenen vierzehn Tagen so aus, als würde der Schweizer mit Leichtigkeit zu seinem achten Rekordtitel in Wimbledon fliegen. Doch erneut musste er die Überlegenheit Djokovićs anerkennen. „Immerhin bin ich an der Nummer eins gescheitert. Gegen ihn darf man verlieren“, sagte Federer jedoch trotzig und enttäuscht. „Trotzdem werde ich jetzt nicht beginnen, es zu akzeptieren. Ich bin einer der wenigen Spieler, die ihn schlagen können. Wir sehen uns 2016 wieder.“
Der siebenfache Wimbledon-Gewinner und 17-fache Grand-Slam-Turnier-Rekordsieger bot gegen Andy Murray im Halbfinale laut eigener Aussage eines der besten Spiele seiner Karriere. „Ich habe besser gespielt als erwartet. Ich habe mich gut bewegt, aggressiv gespielt. Das muss ich mitnehmen“, sagte er zuversichtlich. „Es hat halt nicht gereicht. Das Leben geht weiter.“ Und damit das Warten auf seinen ersten Grand-Slam-Titel seit 2012.
Nach einem Urlaub mit der Familie stehen im August die Vorbereitungsturniere für US Open und ab September das vierte und letzte Major-Turnier der Saison in New York auf dem Programm. Vielleicht zeigt es ja dann der Schweizer allen Kritikern und ewigen Zweiflern. Wie man es macht, hat ihm Djoković eindrucksvoll vorgespielt. (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2015)