Tennis: Weißer Sport mit dunklen Flecken

Auch Novak Djoković sollte für Geld verlieren.
Auch Novak Djoković sollte für Geld verlieren.(c) REUTERS (JASON REED)
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16 Profis aus den Top 50 sollen Spiele manipuliert haben. Einige der Beschuldigten nehmen an den Australian Open teil. Federer fordert Namen; Djoković wurde einst Geld angeboten.

Melbourne/Wien. Das Timing war jedenfalls clever: Knapp eine Stunde bevor mit dem Auftakt der Australian Open das Tennisjahr so richtig Fahrt aufnimmt, haben Enthüllungen der BBC und des Internetmediums BuzzFeed für Aufregung gesorgt. 16 Profis aus den Top 50 sollen in den vergangenen zehn Jahren in Spielabsprachen verwickelt gewesen sein.
Die Informationen basieren auf geheimen Dokumenten, weitergeleitet durch Whistleblower. Namen werden keine genannt. Die BBC berichtet lediglich von einem Kern bestehend aus zehn besonders verdächtigen Akteuren. Und bei BuzzFeed heißt es, vier Profis hätten beinahe alle ihrer verdächtigen Partien verloren – die Chancen dafür würden bei weniger als eins zu 1000 liegen.

Tennis ist tatsächlich eine ideale Plattform für Wettbetrüger. Im Mann-gegen-Mann-Sport kann vergleichsweise leicht und ohne Aufsehen manipuliert werden. Auch, weil bei Onlinewetten nicht nur auf Sieg oder Niederlage, sondern auf beinahe alles gesetzt werden kann – vom ersten Aufschlag bis hin zum ersten Doppelfehler. Hinter Fußball liegt Tennis gleich auf Platz zwei auf dem globalen Wettmarkt, der sich jährlich auf drei Bio. US-Dollar belaufen soll.

Gerüchte, dass gerade bei unterklassigen Turnieren nicht immer alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es schon länger. Ein um Weltranglistenplatz 100 klassierter Profi spielt ein Preisgeld von gut 250.000 Dollar im Jahr ein. Für Sponsoren sind diese Spieler kaum von Interesse. Flüge, Hotels, Trainer müssen also selbst bezahlt werden. Die Versuchung ist groß, denn mit Matchabsprachen lassen sich mühelos Beträge verdienen, die das Preisgeld mitunter übersteigen.

Grand-Slams im Visier

Unter den Verdächtigten soll sich aber sogar der Sieger eines Grand-Slam-Turniers befinden, auch im ehrwürdigen Wimbledon sollen mindestens drei Partien manipuliert worden sein. „Es ist einfach, herauszuposaunen, Grand-Slam-Sieger seien involviert“, sagte Roger Federer in Melbourne nach seinem souveränen Erstrundenerfolg über Nikolos Basilaschwili. „Je besser ein am Skandal beteiligter Spieler klassiert wäre, desto überraschter wäre ich.“ Dem 34-jährigen Superstar fehlen aber „die Namen und die neuen Fakten“. Er selbst sei in seiner fast 20-jährigen Karriere nie diesbezüglich kontaktiert worden.

Novak Djoković hingegen schon. Der Weltranglistenerste hat in Melbourne bestätigt, 2007 für eine Niederlage in St. Petersburg 200.000 $ angeboten bekommen zu haben. „Für mich ein Akt von Unsportlichkeit, ein Verbrechen im Sport“, erklärte Djoković nach seinem ungefährdeten Dreisatzsieg über Chung Hyeon. Die Versuche seien damals zurückgewiesen worden. „In den vergangenen sechs, sieben Jahren“ habe er ich nichts Vergleichbares mehr gehört.

Bisher ist Österreichs ehemalige Nummer 55 der Welt, Daniel Köllerer, der am höchsten klassierte Tennisprofi, der für Spielmanipulationen verbannt wurde. Im Mai 2011 ist der Oberösterreicher lebenslang gesperrt worden. Seit 2010 hat die Tennis Integrity Unit (TIU) 18 Verfahren abgeschlossen, fünf Spieler und ein Offizieller sind lebenslang gesperrt worden.

Doch BBC und BuzzFeed werfen den Verantwortlichen nun vor, bewusst Informationen verschleiert zu haben. Die Sportorganisationen seien immer wieder gewarnt worden, Bestrafungen blieben aus. In einer eiligst einberufenen Pressekonferenz hat die ATP diesen Vorwurf auf das Schärfste zurückgewiesen. Es gelte eine absolute Null-Toleranz-Politik, versicherte ATP-Chef Chris Kermode.

Thiem nimmt erste Hürde

Im Schatten der Enthüllungen rang Dominic Thiem in Runde eins Leonardo Mayer (ARG/36.) nach über drei Stunden 6:2, 7:6 (6), 4:6, 7:6 (0) nieder. Österreichs Nummer eins trifft nun erstmals auf Nicolás Almagro (ESP/73.). Für Tamira Paszek kam gegen Roberta Vinci (ITA/13.) das Aus (4:6, 2:6).

Die Australian Open nehmen nun weiter ihren Lauf, über dem als „Happy Slam“ vermarkteten Turnier hängt aber längst ein Schatten. Gleich acht der beschuldigten Profis sollen in Melbourne am Start sein. Solange keine Namen bekannt werden, besteht wohl die Gefahr eines Generalverdachts. Die Aufmerksamkeit garantiere aber auch, dass der Geschichte auf den Grund gegangen wird, meinte Federer: „Es ist gewiss kein Zufall, dass die Story wenige Stunden vor Beginn der Australian Open lanciert wurde.“ (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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