Punkte, Sätze oder gar Matches zu verlieren sei relativ einfach, sagt Andreas Haider-Maurer. Ein Radiobeitrag der BBC Dienstagabend blieb vieles schuldig, Namen wurden keine genannt.
Auch am Tag nach dem Bericht der BBC und Buzzfeed über einen Wettskandal war die Aufregung in der Tenniswelt groß. Fans, Spieler, Sponsoren – sie alle machen sich ihre Gedanken, sorgen sich um die Reinheit eines Sports, den wohl nur naive Beobachter als sauber vermutet haben. „Tennis“, sagt Andreas Haider-Maurer, „ist wohl die einfachste zu manipulierende Sportart überhaupt.“ Es gehe darum, Auffälligkeiten zu erkennen, Beweise sind hierfür gefragt, aber nur schwer zu finden. „Man serviert einen Doppelfehler oder verliert den ersten Satz.“ So einfach ist das Spiel mit dem schmutzigen Geschäft.
Dienstagabend wurden durch einen 38-minütigen BBC-Radiobeitrag viele neue Erkenntnisse erwartet, sie blieben allerdings genauso aus wie Namen von verdächtigten Spielern. Am Montag hatte Roger Federer eben diese gefordert, jedoch fehle es den Ermittlern an Zugängen zu Bankkonten und Telefonen – die elementaren Fragen bleiben damit unbeantwortet, ein Image-Schaden ist dem Tennissport aber schon jetzt entstanden.
Haider-Maurer übt seinen Beruf seit 2005 als Profi aus, im Gegensatz zum Weltranglistenersten, Novak Djoković, wurde er nie von dubiosen Wettern angesprochen. „Aber ich weiß von Spielern, die E-Mails erhalten haben. Das spricht sich herum.“ Die Kontaktaufnahme erfolgt also nicht immer im persönlichen Dialog, auf elektronischem Weg wähnt sich so mancher eher in Sicherheit. Die Spieler sind in solchen Fällen verpflichtet, Auffälligkeiten der Spielervereinigung ATP zu melden, man sollte dafür sogar in London vorstellig werden und aussagen. „Allein dadurch kannst du schon in Verdacht geraten, anderen ist der Aufwand dafür zu groß. Ich habe schon davon gehört, dass solche E-Mails einfach ignoriert werden“, berichtet der 28-Jährige im Gespräch mit der „Presse“.
Karriere versus schnelles Geld
Eine Tennissaison verschlingt viel Geld, 150.000 Dollar dienen als Richtwert. Trainer, Reisen, Material?– all das ist für viele nur mit Preisgeldern nicht zu finanzieren. Spieler, die sich über einen längeren Zeitraum in den Top 100 der Rangliste oder knapp außerhalb befinden, „können schon gutes Geld verdienen“.
Umso überraschender ist für Haider-Maurer die Ansage, dass 16 Spieler aus den Top 50 der vergangenen zehn Jahre und sogar ein Grand-Slam-Sieger (Doppel) auf der schwarzen Liste stehen sollen. Diese hätten es „eigentlich nicht nötig“. Gefährdeter seien dahingehend eigentlich Akteure, die in der Weltrangliste schlechter klassiert sind. Haider-Maurer gibt dennoch zu bedenken: „Mit so einer Aktion magst du vielleicht 100.000 Dollar verdienen, aber du gefährdest deine gesamte Karriere. Mir wäre es viel zu riskant.“
Nicht zuletzt deshalb forderte der Schotte Andy Murray mehr Information und Sensibilisierung, besonders für Nachwuchsspieler. „Es ist wichtig, dass vor allem jüngere Spieler ausgebildet und darauf hingewiesen werden, was sie in solchen Situationen machen sollten und wie eine Entscheidung die gesamte Karriere und den gesamten Sport beeinflussen kann.“ Die Verlockung sei schließlich groß, das bestritt der Brite nicht: „Wenn Leute mit solchen Summen auf dich als junger Spieler zukommen, kann man Fehler machen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)