Juan Martin del Potro gewann als 20–Jähriger die US Open, wenig später folgten Operationen und der Absturz.
Wimbledon/Wien. Die aktuelle Weltrangliste spiegelt nicht ansatzweise Potenzial und Können von Juan Martin del Potro wieder. Der Argentinier wird an Position 165 geführt, im November 2010 war er bereits die Nummer vier. In diesen hohen Ranking-Sphären würde sich Del Potro (18 Turniersiege) wohl auch heute noch noch bewegen, hätte sein Körper nicht regelmäßig Widerstand geleistet.
Operationen an den Handgelenken – allein drei am linken Handgelenk in den vergangenen 27 Monaten – warfen den „Turm von Tandil“ völlig aus der Bahn. In Wimbledon bestreitet der Südamerikaner sein erstes Grand-Slam-Turnier seit zweieinhalb Jahren (Australian Open 2014). „Ich genieße jede Minuten, jede Stunde, jedes Match“, sagte Del Potro dieser Tage in London.
An der Church Road möchte der 27-Jährige die nächsten Schritte auf dem Weg zurück setzen, wenngleich er weiß, dass Vorsicht das oberste Gebot ist. Die Angst vor dem nächsten Rückschlag kann er unmöglich ausblenden, Ende 2015 hat der Südamerikaner bereits über ein vorzeitiges Karriereende nachgedacht. Die Lust am Tennis aber siegte letztlich nochmals über jegliche Zweifel, Del Potro wagte im Frühjahr den vielleicht letzten Comeback-Versuch. Spielt der Körper mit, ist dem US-Open-Sieger von 2009 noch viel zuzutrauen. „Er hat das Spiel, um es mit den Besten aufzunehmen“, meint Patrick McEnore, früherer US-Daviscup-Kapitän.
Noch ist Del Potros Spiel nur ansatzweise wiederzuerkennen. Bei seinem 6:1, 7:5, 6:0-Erstrundensieg in Wimbledon gegen den Franzosen Stephane Robert gelangen ihm 20 Winner mit der Vorhand, aber kein einziger mit der Rückhand. Das Vertrauen in das linke Handgelenk ist noch nicht zur Gänze zurückgekehrt. Statt die Rückhand beidhändig zu schwingen bevorzugt er den einhändigen Slice – eine reine Vorsichtsmaßnahme. Heute trifft Del Potro in der zweiten Runde auf Stan Wawrinka, Nummer vier des Turniers. „Das wird eine Standortbestimmung für mich.“ (cg)
Wimbledon 2. Runde
Herren: Djoković (SRB/1) – Mannarino (FRA) 6:4, 6:3, 7:6. Federer (SUI/3) – Willis (GBR/Q) 6:0, 6:3, 6.4. Mahut (FRA) – Ferrer (ESP/13) 6:1, 6:4, 6:3.
Damen: Halep (ROU/5) – Schiavone (ITA) 6:1, 6:1. Keys (USA/9) – Flipkens (BEL) 6:4, 4:6, 6:3.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2016)