Die hohen Künste der absoluten Weltklasse

 Andy Murray triumphierte in Wien bereits zum zweiten Mal, an seinen präzisen Schlägen und seinem Tempo scheiterte jeder Kontrahent.
Andy Murray triumphierte in Wien bereits zum zweiten Mal, an seinen präzisen Schlägen und seinem Tempo scheiterte jeder Kontrahent. (c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Andy Murray triumphierte zum zweiten Mal nach 2014 in der Wiener Stadthalle. Der Brite begeisterte wie sein Finalgegner Jo-Wilfried Tsonga das Publikum und kam seinem großen Ziel, der Nummer eins, einen Schritt näher.

Wien. Wenn Andy Murray auf dem Tennisplatz flucht und wild in Richtung seiner Box gestikuliert, dann hat das per se nichts Negatives zu bedeuten. Der Schotte pflegt den Hang zur Exzentrik, er braucht und zeigt Emotionen, weil er nur dann sein bestes Tennis praktizieren kann. Am Sonntagnachmittag fluchte und gestikulierte Murray in der Wiener Stadthalle – und er spielte außergewöhnlich gutes Tennis.

Der 6:3-7:6(6)-Finalsieg über den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga war sein siebenter Titel in dieser Saison, der 42. seiner Karriere. Murray agierte über weite Strecken der Begegnung fehlerlos, schien einem ungefährdeten Sieg entgegenzusteuern. Erst beim Stand von 6:3, 4:3, nach 1:20 Stunden Spielzeit, fand Tsonga die allererste Breakchance vor. Er nutzte sie, die Begegnung fand plötzlich auf Augenhöhe statt, sie entwickelte sich zu einem Schlagabtausch auf allerhöchstem Niveau – mit dem besseren Ende für Murray.

Der Höhenflug geht weiter

Der Mann aus Dunblane ist seit den Sommermonaten der bestimmende Akteur auf der ATP-Tour. „Es ist definitiv das beste Jahr, das ich je hatte, speziell die vergangenen fünf Monate sind außergewöhnlich“, sagt Murray, der seinem Ziel, zum ersten Mal den Weltranglisten-Thron zur erklimmen, wieder einen Schritt näher gekommen ist.
Gewinnt der amtierende Wimbledon-Champion diese Woche beim ATP 1000 in Paris und erreicht Branchenprimus Novak Djoković in Frankreich nicht das Finale, übernimmt Murray noch vor den abschließenden ATP World Tour Finals in London (ab 13. November) die Spitze.

Der Traum ist also zum Greifen nah, er bekommt realistische Züge. „Mit jedem Spiel komme ich der Nummer eins näher, aber es ist immer noch ein weiter Weg. Ich muss weiter lernen, weiter arbeiten, mich konzentrieren.“

Die Vision Djoković

Das Event in der Wiener Stadthalle entwickelt sich prächtig, „wir sind als 500er endgültig angekommen“, attestierte Turnierdirektor Herwig Straka. Positives Feedback der ATP habe diesen Eindruck bestätigt. Rund 57.000 Zuschauer waren in der vergangenen Woche in die Halle geströmt, die Fans haben das Turnier angenommen, auch aufgrund der starken Besetzung. „Wir haben mit Murray den aktuell besten Spieler der Welt gesehen“, bemerkte Straka, der auch künftig „drei bis vier Top-Ten-Spieler“ in die Bundeshauptstadt locken möchte.

Im internationalen Vergleich der insgesamt 13 ATP-500-Turniere muss sich Wien (Cut-off bei Weltranglistenplatz 55) aber ohnehin nicht verstecken, im Gegenteil. Nur in Peking (53) und Tokio (54) war die Spielerdichte noch unwesentlich höher. Die Marschroute für die Zukunft sei vorgegeben, das Spielerfeld müsse hochkarätig bleiben.
Straka träumt von der Verpflichtung von Novak Djoković, der Serbe wäre gewiss ein Ticketseller. „Seine Zusage ist mein größter Wunsch.“ Das Ja des Superstars wäre toll und teuer, es müssten zusätzliche Mittel aufgebracht werden. Mitunter von der Erste Bank, deren Vertrag als Hauptsponsor zwar mit der diesjährigen Auflage auslief, aber höchstwahrscheinlich eine Fortsetzung finden dürfte. Erste Gespräche sind positiv verlaufen.

Wie die Erste-Bank-Open dürfte auch das Tie-Break-Tens-Format in der Stadthalle eine Zukunft haben. Es habe sich als Kick-off-Veranstaltung behauptet. Straka: „So können wir das Turnier schon am Sonntag, noch vor dem eigentlichen Hauptbewerb, starten.“ 2017 trifft sich die Elite von 21. bis 29. Oktober in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2016)

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