Andy Murray - Von der Sehnsucht getrieben

TENNIS - ATP World Tour Finals 2016
TENNIS - ATP World Tour Finals 2016(c) GEPA pictures/ Alan Grieves
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21 Spiele in Folge hat Andy Murray gewonnen, der Erfolgslauf soll bei den World Tour Finals in London seinen Höhepunkt erfahren – auch, um die Weltranglistenspitze zu verteidigen.

Ekstase. Die prall gefüllte O2-Arena in London, seit 2009 Schauplatz der ATP World Tour Finals, mutierte Mittwochnachmittag erstmals in dieser Woche zu einem Tollhaus. Verantwortlich dafür waren Kei Nishikori und, natürlich, Andy Murray. Es war kein gewöhnliches Kräftemessen der Weltklasse, dieses Spiel entwickelte sich mit Fortdauer zu einer Schlacht epischen Ausmaßes, geprägt von endlos langen Rallyes.

Nach 3:20 Stunden und einem 6:7 (9), 6:4, 6:4 stand Murray als gefeierter Sieger fest, es sollte zum längsten, auf drei Gewinnsätze ausgetragenen Match in der Geschichte des Saisonabschlussturniers werden. „Es gab praktisch keine kurzen Ballwechsel, keine Zeit zum Verschnaufen“, meinte Murray bei der Pressekonferenz, die erst zwei Stunden nach Matchende stattfand. Der Schotte gönnte sich, wie so oft nach besonders kräftezehrenden Spielen, ein Eisbad. „Es hilft dir, dich ein bisschen besser zu fühlen.“ Wobei sich die Folgen solcher enormen Strapazen zumeist erst „mit zehn, zwölf Stunden Verzögerung“ richtig bemerkbar machen. „Dann wird der Körper steif, beginnt zu schmerzen.“

London, keine Liebesbeziehung

Viel Zeit zum Regenerieren hat Murray nicht, auch auf der Zielgeraden einer zehneinhalb Monate langen Saison müssen die Stars der Szene weiter wie auf Knopfdruck funktionieren, sonst können kurze Schwächemomente rasch zum Turnieraus führen. Der Lokalmatador hält nach zwei Spielen bei ebenso vielen Siegen, ist aber noch nicht fix für das Halbfinale qualifiziert.

Gegen Stan Wawrinka (15 Uhr, ORF-Livestream) benötigt Murray heute einen Satzgewinn, um sicher aufzusteigen. Zwar führt der Brite im direkten Vergleich mit 9:7-Siegen, die jüngere Geschichte aber mahnt ihn zur Vorsicht. Von den jüngsten vier Duellen gewann Wawrinka drei, unter anderem vor einem Jahr in London, als er mit einem Zweisatzsieg in der Gruppenphase das Schicksal des Mannes aus Glasgow besiegelte.

Murray wird dieser Tage von seinem Traum, erstmals die World Tour Finals zu gewinnen, angetrieben. Das Masters, die Australian Open sowie die French Open stehen noch auf der To-do-Liste, mit Wimbledon (2013, 2016), den US Open (2012) und Olympia (Gold 2012 und 2016) hat er längst seinen Seelenfrieden geschlossen. Murray und das Masters, das war bislang wahrlich keine Liebesbeziehung. Bei sieben Starts erreichte er dreimal das Halbfinale, aber noch nie das Endspiel. Ein beträchtlicher Makel für einen Spieler seiner Qualität. Oft fehlte es Murray am Ende einer Saison an den nötigen Kraftreserven, auch die Form litt häufiger. 2016 jedoch scheint anders zu sein.

Der perfekte Showdown

Der 29-Jährige agiert wie in einem spielerischen Rausch, gewann zuletzt hintereinander die Turniere von Peking, Shanghai, Wien und Paris. Seine letzte Niederlage auf der Tour liegt zweieinhalb Monate zurück, bei den US Open unterlag er damals Nishikori, in London glückte nun die Revanche. Der Sieg gegen den Japaner war der bereits 21. in Folge. Im Optimalfall erhöht Murray bis Sonntag noch auf 24, er sagt: „Ich habe hoffentlich noch drei Matches in dieser Saison.“

Zusätzlichen Anreiz erhält die Veranstaltung durch Murrays Kampf um die Verteidigung der erst vor zwei Wochen errungenen Spitzenposition in der Weltrangliste. Der Lendl-Schützling muss in London mindestens so gut abschneiden wie Verfolger Novak Djoković, um auch am Jahresende erstmals in seiner Karriere die Nummer eins zu sein. Eine finales Aufeinandertreffen hätte diesmal also besonders viel Brisanz. Murray: „Für das Turnier, für jeden Tennisinteressierten wäre ein Endspiel zwischen Novak und mir wohl der perfekte Jahresabschluss.“

AUF EINEN BLICK

Andy Murray (29) benötigt im letzten Gruppenspiel gegen Stan Wawrinka (15 Uhr, ORF-Livestream) einen Satzgewinn, um das Halbfinale der ATP Finals in London zu fixieren. Auch durch einen Sieg von Marin Čilić im Parallelspiel gegen Kei Nishikori würde der Schotte aufsteigen. Novak Djoković steht bereits als Halbfinalist fest. Der Serbe gewann auch sein drittes Gruppenspiel gegen Ersatzmann David Goffin (6:1, 6:2).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2016)

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