Petra Kvitova: Das härteste Match ihres Lebens

Petra Kvitova lieferte in Paris  die bislang größten Emotionen, ihre Geschichte bewegt die Tenniswelt.
Petra Kvitova lieferte in Paris die bislang größten Emotionen, ihre Geschichte bewegt die Tenniswelt.(c) APA/AFP/LIONEL BONAVENTURE
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Petra Kvitova wurde von einem Einbrecher in ihrer Wohnung mit einem Messer schwer verletzt, bei den French Open in Paris gab sie fünf Monate später ein tränenreiches Comeback. „Ich sehe das Leben jetzt von einer anderen Seite.“

Wenn die Nummer 16 der Weltrangliste nach einem problemlosen Auftaktsieg über die Nummer 85 noch am Platz Tränen vergießt, dann muss diesem Spiel etwas Außergewöhnliches vorausgegangen sein. Die Emotionen der Petra Kvitova nach ihrem 6:3, 6:2-Sieg bei den French Open über die Amerikanerin Julia Boserup ließen niemanden am Court Philippe Chatrier unberührt. Denn die Geschichte der Tschechin ist eine dramatische.

Am 20. Dezember des Vorjahres wurde Kvitova in ihrer Wohnung in Prostejov Opfer eines Einbruchs. Die 27-Jährige stieß den Täter, der ein Messer zückte, von sich, die Klinge verletzte ihre linke Hand schwer. Alle fünf Finger, Sehnen und Nerven wurden dabei in Mitleidenschaft gezogen, eine fast vierstündige Notoperation rettete die Hand. Chirurg Radek Kebrle sagte: „Die Verletzungen waren wirklich grauenvoll. Die Chancen, dass die Hand so gut verheilt, dass Petra wieder Tennis spielen kann, gering.“

Tischtennis, Badminton, Tennis

Es waren nicht nur rein körperliche Schmerzen, die Kvitova plagten, zwangsläufig wirkt sich ein solches Verbrechen auch auf die eigene Psyche aus. „Ich habe in den Tagen danach nicht gut geschlafen, bin nicht wirklich allein geblieben, war immer in Gesellschaft meiner Familie, Freunde oder Trainer.“ Kvitova sieht Menschen auf der Straße seitdem anders, nimmt ihr Umfeld nun bewusster war. Sie sagt: „Es wird langsam besser.“ Der Täter ist bis heute nicht gefasst, die Umstände des Verbrechens sind unklar. Für weiterführende Hinweise wurden 500.000 tschechische Kronen ausgesetzt.

Nur drei Tage nach der Operation präsentierte sich Kvitova erstmals der Öffentlichkeit, sprach über den Vorfall, ihre Pläne. Die linke Hand war dabei dick einbandagiert. An eine Rückkehr auf den Tennisplatz zweifelte sie dennoch keine Sekunde. Die vordergründige Aufgabe der zweimaligen Wimbledon-Siegerin war es zunächst aber nicht mehr, Winner zu schlagen und Matches zu gewinnen, sondern ihre Finger beweglich zu halten, damit sie nicht versteifen.

Nach zwei Monaten wurde die Schiene entfernt, die nächste Herausforderung war das Ergreifen von Gegenständen. Das Gefühl, erstmals wieder einen Schläger in der Hand zu halten, war unbeschreiblich, an Tennis aber weiter nicht zu denken. Sie steigerte langsam die Belastung, zunächst mit Tischtennis, dann mit Badminton. Schritt für Schritt. Ein weiteres Monat später kehrte sie erstmals auf den Platz zurück. Die Kraft in der Hand reichte allerdings noch nicht aus, sie musste behutsam aufgebaut werden, weswegen anfangs weichere Bälle ihren Zweck erfüllten. Dass die Vernarbungen immer wieder schmerzten, die Finger anschwollen, brachte Kvitova nicht von ihrem Weg ab.

„Die Sonne sehen, wie schön“

Früher als erwartet erklärte die Linkshänderin ihr Comeback für Roland Garros. Sie fühle sich bereit, wolle wissen, wie ihr Körper und ihre Psyche reagieren würden, erklärte Kvitova im Vorfeld. Die Motivationsprobleme, die sie noch vor zwei Jahren schier zermürbten, sind passé, die Sehnsucht nach dem Tennissport hatte sie in den vergangenen Monaten immens angetrieben. Eine Faust kann sie mit links noch nicht ballen, auch Daumen und Zeigefinger sind noch lange nicht voll funktionsfähig. „Aber meinen größten Kampf habe ich schon gewonnen“, sagte Kvitova in Paris. Sie möge Herausforderungen, dieser Umstand ist wohl fest in der DNA einer jeden Sportlerin verankert. „Diese war natürlich die größte.“

Heute (ab 11 Uhr, live in Eurosport) kehrt Kvitova bei den French Open zum zweiten Mal auf den Platz zurück, Gegnerin ist die US-Amerikanerin Bethanie Mattek-Sands, eine Qualifikantin. Sollte Kvitova gewinnen, dann könnten wieder Tränen fließen. Wenn nicht, dann weiß sie zumindest das Leben wie noch nie zuvor zu schätzen. „Manchmal stehe ich einfach draußen, sehe die Sonne und sage mir: 'Wie schön.'“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2017)

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