Das Spiel seines Lebens

Oliver Marach steht im Wimbledon-Finale
Oliver Marach steht im Wimbledon-Finale APA/GEORG HOCHMUTH
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Sein erstes Doppelfinale bei einem Grand Slam ist für Oliver Marach das Highlight der Karriere. Der Steirer, 37, benötigte dafür 38 Anläufe – und muss heute seinen Trauzeugen besiegen.

London. Die plumpe Treppenwitzfrage nach der Halbierung des Siegerpokals kann der Tennisspieler Oliver Marach nicht mehr hören. Dass sich Doppelspieler für gewöhnlich ihre Trophäen teilen, hat an sich seine Richtigkeit, auch beim Preisgeld gilt das 50:50-Prinzip. Jetzt, beim Grand Slam in Wimbledon, hat Marach doppelt Glück. Erstmals steht der 37-jährige Steirer – im 38. Anlauf – im Finale eines Grand Slam, mit dem Kroaten Mate Pavić trifft er heute (17 Uhr, live, Sky) auf den Polen Łukasz Kubot und den Brasilianer Marcelo Melo. Und, London ist „gottlob“ die Grand-Slam-Ausnahme, hier wird dem Doppel besondere Bedeutung zuteil: Jeder Spieler bekomme eine Silberschüssel.

Marach strahlt, der Tennis-Evergreen kann das Erreichte kaum glauben. Sieben Jahre nach dem Erfolg von Jürgen Melzer greift wieder ein Österreicher nach dem Doppelsieg in Wimbledon. Einen Grand-Slam-Titel haben erst zwei Österreicher geholt: eben Melzer 2010 und bei den US Open 2011 sowie Julian Knowle bei den US Open 2007. Einen Tag vor seinem 37. Geburtstag hätte sich der Steirer auch kein besseres Geschenk wünschen können. Der Grazer, der seit 1998 als Profi im Tenniszirkus unterwegs ist und in seiner Karriere 15 ATP-Turniere gewonnen hat, lacht.

Grazer aus Panama City

Marach sagt, dass es sein „Highlight“ sei, er davon geträumt, auf dieses Spiel so sehr gehofft habe. Dass er jetzt gegen Kubot, seinen Trauzeugen, mit dem er fünf Events gewonnen hat, spielen muss, macht die Sache für ihn noch persönlicher. Der Pole harmonisiert aber auch mit Melo, die jüngsten Titel in Hertogenbosch und Halle klären die Favoritenrolle prompt.

„Sie sind heuer das beste Doppel, es wird ein hartes Match“, erklärte Marach, der seit neun Jahren mit seiner Frau und den Töchtern Leah und Amelie in Panama City lebt. „Aber wenn wir so spielen wie im Viertelfinale, haben wir eine gute Chance. Da haben wir wirklich unmenschlich gespielt.“ Ausgezahlt habe sich jetzt alles, das Warten, die Verletzungen (eine bei den French Open aufgetretene Handgelenksverletzung hat Marach in Stuttgart und Antalya behindert), die ewigen Fragen, die Skepsis. Marach hat sich zweimal für das Doppel-Masters qualifiziert, aber dieses Spiel heute überstrahle alles. „Es ist ein Wahnsinn, mein größter Erfolg!“ Jedem Spieler sind 100.000 Pfund, umgerechnet knapp 113.000 Euro, sicher. Das Spiel mit Pavić tauge ihm, nur verschreien wolle er nichts mehr. Nach 19 Jahren auf der Tour könne ihn nichts mehr erschüttern, er wolle diese Aufgabe genießen. „Ich kann voll spielen, nehme aber zur Sicherheit Schmerztabletten.“ So viel zum Genuss . . .

Venus, 20 Jahre später

Als 17-jähriger Teenager war Venus Williams 1997 erstmals auf der Anlage des All England Club aufgetaucht. Dass sie in der ersten Runde gegen die Polin Magdalena Grzybowska verloren hat, ist aber nur noch eine Fußnote einer unglaublichen Erfolgsgeschichte. 20 Jahre später ist die stille, gläubige Venus, die unter einer Autoimmunkrankheit leidet, eine Tennisikone. Gegen die 23 Jahre alte Spanierin Garbiñe Muguruza bestreitet sie heute ihr erstes Wimbledon-Endspiel seit 2009 (15 Uhr, live, Sky) – als älteste Finalistin seit Martina Navrátilová vor 23 Jahren.

Mit einem Sieg gegen die Paris-Siegerin 2016 wäre Williams die älteste Grand-Slam-Championesse der Geschichte, es wäre der sechste Wimbledonsieg nach 2000, 2001, 2005, 2007 und 2008, ihr insgesamt achter Grand Slam. Dass sich die ehemalige Nummer eins zur Queen von Wimbledon krönen kann, ist zwar keine Sensation, war aber nach der Vorgeschichte mit ihrer Beteiligung an einem tödlichen Autounfall vor einem Monat nicht zu erwarten. Sie trug daran keine Schuld, doch die Fragen waren belastend. In diesem Punkt hat sie jetzt mit Marach eines gemein: Sie muss sie nicht mehr hören. (fin)

WIMBLEDON


Herren-Doppel, Halbfinale: Marach/Pavić (AUT/CRO-16) – Mektić/Škugor (CRO) 4:6, 7:5, 7:6, 3:6, 17:15, Kubot/Melo (POL/BRA-4) – Kontinen/Peers (FIN/AUS-1) 6:3, 6:7, 6:2, 4:6, 9:7.

Herren, Halbfinale: Cilic (CRO/7) – Querrey (USA) 6:7, 6:4, 7:6, 7:5.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2017)

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