Schlierenzauer: "In Österreich finde ich Anerkennung und Geborgenheit"

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Skispringer Gregor Schlierenzauer liebt das Leben aus der Tasche, träumt von Olympiagold und dem perfekten Sprung. Er weiß, was Heimweh ist, Ruhm bedeutet und Geld wert ist.

Die Vorbereitungen der Olympia-Saison laufen, es warten ein dichter Weltcup-Kalender, PR-Termine, viele Reisen – der Alltag der Skispringer hebt an. Das verlangt Planung. Welchen Stellenwert hat Zeit für Sie?

Gregor Schlierenzauer: Zeit muss man sich nehmen, um abseits des Wirbels auch Momente für sich allein zu haben. Aber Skispringen macht mir Spaß, und Termine gehören doch dazu. Ich habe überall auch immer meine Kamera dabei. Sie gibt mir Ablenkung, und ich nehme mit, was ich erleben darf. Es ist besser, als in irgendeinem Hotelzimmer zu versauern. Bei WM oder Olympia hast du viel Zeit, weil du länger vor Ort bist, dir mehr anschauen kannst. Da gewinnt Zeit an Bedeutung, es gibt nichts Wichtigeres.

Begleitet die vielen Reisen nicht auch eine gewisse Monotonie? Es sind zumeist die gleichen Orte, Schanzen, Menschen...

Ich finde es lässig, ehrlich! Es ist ja nicht selbstverständlich, dass man auf diesem Niveau dabei sein darf. Routine ist es nicht, das ist auch ein komisches Wort. Selbst Monotonie klingt falsch. Es ist spannend, interessant und aufregend, so ist es. So muss man es sehen und verstehen, wenn man diesen Job macht. Auch wenn einen jeder erkennt auf der Straße oder ruhigere Momente seltener werden. All das hat seinen Reiz, ja. Du erlebst viel binnen kürzester Zeit. Es ist aber natürlich anstrengend, immer wieder gibt es diese Automatismen. Wenn man so will, sind es dann die negativen Aspekte. Aber ich bringe meine Leistung, daran habe ich Spaß!

Erkannt zu werden, beliebt zu sein – das ist die Folge von Erfolg, Ruhm ist aber vergänglich. Auch in Österreich.

Ruhm, das ist ist etwas Besonderes, das du dir erarbeitet hast, und ich empfinde es als Belohnung. Wenn es zu viel wird, muss ich mich natürlich zurückziehen. Das geht in Österreich aber sehr gut. Das habe ich sehr zu schätzen gelernt.

Wo finden Sie diese Geborgenheit?

Daheim, in den eigenen vier Wänden, im Stubaital. Ich machte zuletzt Urlaub in New York und Jamaika. Es war herrlich, eine tolle Stadt und ein fantastisches Land. Aber Österreich ist anders, hier kann ich noch besser abschalten, mich zurückziehen – hier bin ich zu Hause. Tirol, die eigenen vier Wände, dort finde ich meine Zufriedenheit.

Sie haben also oft Heimweh?

Heimweh hat man immer wieder. Vor allem dann, wenn man länger unterwegs ist. Dann denkst du oft nach. Es hat aber nichts mit dem klassischen Heimweh zu tun, wie man es sich jetzt vorstellen würde. Das Leben aus der Tasche, Hotels, Reisen, das weckt irgendwann den Drang, wieder nur daheim sein zu wollen.

Sie sind mit mit 50 Siegen der erfolgreichste Skispringer. Sie nennen Erfolg ein Privileg. Warum?

Als Sportler würde ich es so bezeichnen, ja. Darauf habe ich doch seit Jahren hingearbeitet. Der Stellenwert meiner Siege ist für mich enorm. Matti Nykänen (war mit 46 Siegen jahrzehntelang die Nummer eins, Anm.) hat mir im vergangenen April persönlich gratuliert, bei meinem Fest am Stubaier Gletscher. Für mich war das eine große Ehre! Er hat alle Strapazen auf sich genommen und ist gekommen. Aber so richtig realisiert man diese Siegesserie wohl erst, wenn die Karriere vorbei ist...

...sie ist doch noch lange nicht vorbei?

Nein – die dauert schon noch ein wenig. Es macht mich stolz, Siege geben mir Motivation, und ich jage halt meine eigenen Ziele. Aber nicht vergessen, es geht nicht nur um Siege, sondern um die Suche nach dem perfekten Sprung. Den will ich irgendwann landen.

Passend wäre es im Februar 2014, bei den Winterspielen in Sotschi. Nur noch Olympiagold fehlt in Ihrer Sammlung.

Natürlich, es geht um Olympiagold. Ich will und kann dort gewinnen. Das Ziel ist aber der Weg dorthin. Es kann auch passieren, dass wir alle zwei Wochen lang in Russland eine super Zeit haben, aber mit null Medaillen von den Spielen heimfliegen. Das ist nicht planbar. Es ist eine Challenge, und der stelle ich mich.

In Russland sorgt das Anti-Homosexuellen-Gesetz für Aufsehen. Wie gehen Sie damit um? Verstehen Sie die Proteste?

Den Wirbel bekomme ich natürlich mit. Ich erfahre aus Medien, was rundum in der Welt läuft. Ganz ehrlich: Ich glaube, im heutigen Zeitalter kann und soll jeder machen, was er will! Ich sehe es jedoch neutral und mache mir jetzt wenig Gedanken darüber, was dann dort bei den Spielen passieren wird.

Wäre Olympiagold der wertvollste Sieg für Sie? Neben fünf WM-Goldenen, Skiflug-Titeln, den beiden Tourneesiegen etc.

Das Höchste, was man sich als Kind wünscht, ist doch, überhaupt in diesem Konzert dabei zu sein. Später will man diese Konstanz immer wieder wiederholen. Mein Weg verläuft so sensationell, daher kann ich gar nicht beantworten, ob es das Höchste wäre. Es ist alles relativ. Es gibt auch Olympiasieger, die vorher oder nachher nie wieder etwas gewonnen haben. Und das will ich auf keinen Fall. Es wäre die Draufgabe, ein weiteres Highlight.

Welche Rolle spielt Geld für Sie, neben all den Medaillen?

Du darfst doch generell nichts tun nur allein des Geldes wegen. Was ist mit dem Spaß, der persönlichen Befriedigung, deinen Zielen? Im Sport ist es aber natürlich eng miteinander verbunden. Es wird mit den Preisgeldern ja auch offen ausgeschildert. Ich mache aber das, was mir Freude bereitet. Es gibt sicherlich Wichtigeres, Geld ist für mich nicht alles.

Der ÜBERFLIEGER

Alle Versprechen erfüllt
Als Gregor Schlierenzauer 2006 im Weltcup debütierte, wurde der Junioren-Weltmeister als Talent gepriesen. 2013 startet der Tiroler mit 50 Weltcupsiegen (Rekord), sechs WM-Goldenen, als Tourneesieger und Gesamtweltcupsieger (je zweimal) in die Olympiasaison. In Sotschi will er im Februar 2014 Gold im Einzel gewinnen.

Familienmensch mit Basis im Stubaital
Schlierenzauer, 23, wohnt in Fulpmes, wird weiterhin von seinem Onkel Markus Prock betreut und gilt trotz hoher Sponsorverträge (Red Bull), Fotoausstellungen und Auszeichnungen (Ehrenzeichen der Republik, Aufsteiger des Jahres, viermal Teil der Mannschaft des Jahres) als Familienmensch. Er spielt gern Poker, kocht gern und versucht sich mitunter auch als Golfspieler. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2013)

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