Ballett auf Eis, aber mit Galgenhumor

EISKUNSTLAUF - Icechallenge 2013
EISKUNSTLAUF - Icechallenge 2013(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Hans Oberlaender)
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Kerstin Frank wird bei den Winterspielen in Sotschi ihre Olympia-Premiere geben. Die 25-Jährige trotzt heimischen Trainingsbedingungen und fiebert der großen Bühne entgegen.

Wien. Den Eisring Süd umgibt ein Charme längst vergangener Tage. Die Zeichen der Zeit sind dem 1982 eröffneten Gebäude in Wien Favoriten an allen Ecken und Enden anzumerken. Für Kerstin Frank aber ist die Halle fast wie ein zweites Zuhause, kennt sie doch jeden Winkel. Hier begann sie als Kind mit dem Rollkunstlaufen, hier lebte erstmals die Begeisterung für das Eiskunstlaufen auf, und hier trainiert die 25-Jährige auch für ihre erste Teilnahme an Olympischen Spielen 2014 in Sotschi.

Ende September sicherte sich Frank mit dem neunten Platz bei der Nebelhorn-Trophy in Oberstdorf eines der letzten sechs Olympiatickets. Als unmittelbar nach ihrer Kür die Qualifikation feststand, fiel ihr „nicht ein Kieselstein, sondern ein Mega-Felsbrocken“ vom Herzen. Olympia sei schließlich der Traum eines jeden Sportlers und das Ziel, auf das sie so lange hingearbeitet hatte, wurde traumhafte Wirklichkeit. Bis die geschaffte Qualifikation realisiert war, dauerte es allerdings ein paar Tage. Umso präsenter ist Olympia nun. „Das hast du immer im Hinterkopf. Aber ich versuche nicht jeden Bewerb als Sotschi-Test zu sehen, bei dem alles klappen muss, sondern Schritt für Schritt hinzuarbeiten.“

Der nächste Schritt folgte am Freitag mit der Ice Challenge in Graz. Die ISU-B-Wettbewerbe sind Franks Alltag, denn der Zutritt zur höchsten Bewerbsklasse ist nach einem komplizierten Schlüssel streng limitiert. Bei jedem der sechs Grand Prix gibt es nur zehn Startplätze. Veranstaltungsländer und oftmals auch das politische Gewicht intervenierender Verbände beeinflussen die Vergabe.

Training in Eigenregie

Als Österreicherin auf Platz 39 der Weltrangliste hat Kerstin Frank daher nur äußerst geringe Chancen. „Mit solchen negativen Erfahrungen muss man umgehen können. Wer keine hohe Frustrationsschwelle hat, ist in einem Sport mit Punktewertungen sowieso falsch“, meint die zweimalige EM-Zwölfte nüchtern.

Bei Wettkämpfen stets an Franks Seite ist Sonja Harand, ehemals Balun. Bereits seit zehn Jahren fungiert die vierfache Staatsmeisterin und Ehefrau von Eishockey-Legende Kurt Harand als ihre Trainerin. Gemeinsam erarbeiteten sie auch das heurige Kurzprogramm zu „Bohemian Rhapsody“ und die Kür zur „Fledermaus“ von Johann Strauss. Die Vorbereitung aber erledigt Frank oft in Eigenregie, auf rund sechs Stunden kommt sie pro Tag. Drei bis vier davon auf dem Eis, dazu Balletteinheiten und Krafttraining im Fitnesscenter.

In Wien muss Frank dafür tagtäglich pendeln, weshalb die Heeressportlerin zuletzt vermehrt in den Allgäu nach Oberstdorf oder den US-Stützpunkt Hackensack auswich. „Die Halle in den USA ist auch nicht wirklich schön, aber man hat alles beisammen“, erzählt Frank im Gespräch mit der „Presse“. „In Wien bin ich allein unter kleinen Kindern. Dort trainiere ich mit vielen guten Leuten. Das motiviert und pusht.“

Auf den Beginn der seit Jahren geplanten Umbauarbeiten auf dem Eisring wagt Frank gar nicht mehr zu hoffen. „Aber besser so als gar nicht. Wo soll ich sonst trainieren, wenn umgebaut wird? Dann geht es mir am Ende wie den Schwimmern bei der Stadthalle.“ Auch Galgenhumor ist im Eiskunstlauf eine Pflicht...

In den USA hat Frank nicht nur optimale Trainingsbedingungen, sondern auch ihre Liebe gefunden. Seit einem Jahr ist sie mit dem für Japan startenden Eistänzer Chris Reed liiert. Das gegenseitige Verständnis für den Leistungssport erleichtere die Beziehung trotz der Distanz. Obgleich Franks Mutter das komplette Management übernommen hat, bleibt der passionierten Reiterin und Leserin nur wenig freie Zeit. So muss auch das angefangene Jusstudium vorerst warten.

„Rampensau“ auf dem Eis

In Sotschi taucht Frank nicht nur wegen ihrer Olympia-Premiere in eine andere Welt ein. Läuft sie während der Saison oftmals in fast leeren Hallen, erwartet sie dort ein Auftritt im Iceberg Skating Palace. Über 30 Millionen Euro kostete der Neubau, 12.000 Zuschauer finden darin Platz.

Franks Familie wird die Reise an die russische Schwarzmeerküste nicht antreten, zu groß wäre die nervliche Anspannung beim Auftritt der Tochter. Die 25-Jährige selbst fürchtet Lampenfieber nicht. „Ich bin eine kleine Rampensau. Je mehr Zuschauer, desto wohler fühle ich mich“, sagt sie. „Vor einer solchen Kulisse aufgerufen zu werden und die Atmosphäre aufzusaugen – das sind die Momente, deretwegen man den Sport macht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2013)

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