Ein Sprung in die Abfahrtskrise

Erik Guay
Erik GuayAPA/EPA/ETTORE FERRARI
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Die Österreicher erlitten im Gröden-Klassiker wie im Vorjahr ein schweres Debakel, schafften keine Top-10-Platzierung. Den Sieg holte sich der Kanadier Erik Guay.

In Übersee war die Skiwelt für die Österreicher noch in Ordnung. In vier Speed-Rennen hat es sechs Podestplätze zu feiern gegeben, im Grödnertal hingegen ist das rot-weiß-rote „Power-Team“ brutal auf dem Boden der Realität gelandet. Kein Platz auf dem Stockerl am Freitag im Super-G, keine Top-Platzierung in der klassischen Abfahrt am Samstag. Die Saslong bringt kein Glück mehr, seit dem Rücktritt von Michael Walchhofer können die ÖSV-Asse in Gröden mit der absoluten Spitze nicht mehr mithalten. „Wir sind nicht die Götter“, hat Herren-Cheftrainer Mathias Berthold im Gespräch mit der „Presse“ erst vor wenigen Tagen gemeint, „die alles in Grund und Boden fahren.“ Er sollte recht behalten, die Statistik ist sogar noch gnadenloser. Die Österreicher sind im Kalenderjahr 2013 weiterhin sieglos, den letzten Erfolg gab es in Bormio 2012. Da werden Erinnerungen an das Jahr 1987 wach.

Geschlossen schwach.
Augenzeuge des mäßigen Abschneidens seiner Truppe wurde auch Peter Schröcksnadel. Der ÖSV-Präsident nimmt das Ergebnis von Gröden aber weiter nicht tragisch. „Wir haben eine starke, geschlossene Mannschaft“, sagt er. „Diesmal waren wir leider geschlossen hinten.“ Das Team sei grundsätzlich in Ordnung, das gefalle ihm alles recht gut. Abgesehen eben von den Resultaten. Aufgefallen sei ihm vor allem, dass die österreichischen Piloten mit den Bedingungen auf der Ciaslat-Wiese, einer der Schlüsselstellen, nicht zurande gekommen sind. „Das muss man lernen, da haben wir Probleme. Das erfordert eine eigene Art des Skifahrens.“ Peter Schröcksnadel wird's wissen, immerhin war er einmal Seniorenweltmeister. „In Bormio aber“, gibt der Präsident Entwarnung, „wird alles wieder anders ausschauen.“ Und obendrein dürfe man nicht vergessen, dass Olympia in den Hinterköpfen herumspuken würde. „Die Burschen waren jetzt nicht locker genug.“ In Übersee sei das etwas anderes gewesen, fern der Heimat habe das keine Rolle gespielt. Wie gesagt: In Bormio soll alles wieder anders werden. Trotz Sotschi und Olympia-Qualifikationsstress.

Schnellster Mann auf der Saslong war Erik Guay. Der Kanadier feierte seinen vierten Weltcupsieg, den zweiten in der Abfahrt. Der 32-Jährige ist ein Spezialist für spezielle Rennen, sein bislang größter Erfolg war der Triumph bei der Weltmeisterschaftsabfahrt 2011 in Garmisch-Partenkirchen. „Die Sprünge“, sagt der von Red Bull gesponserte Frankokanadier, „waren richtig toll“. Ein anderer hätte vielleicht „geil“ gesagt, das kommt Guay nicht über die Lippen. Er hat vor allem eines gelernt – sich in Geduld zu üben. Auch der Kanadier aus Quebec wurde schon oft von Verletzungen zurückgeworfen, hat sich aber immer wieder erfolgreich zurückgekämpft.

Die Erinnerungen an Gröden sind für Erik Guay gar nicht so erbaulich, im Jahr 2003 hat er hier eine schwere Knieverletzung erlitten. Jetzt springt er über die Kamelbuckeln wie ein junger Hund, auch die Ciaslat, heuer besonders heimtückisch, konnte ihm keine Probleme bereiten. „Das war“, lacht er, „ganz nach meinem Geschmack.“ Im Sommer musste sich Guay einer Knieoperation unterziehen, hinter seinem Antreten in Lake Louise und Beaver Creek war lange ein Fragezeichen gestanden.

Glücklich auch der Norweger Kjetil Jansrud, der Zweiter wurde. „Ich habe aber gewusst, dass ich nicht schnell genug war“, sagte er unmittelbar nach seiner Fahrt. Er tippte eher auf seinen Landsmann Aksel Lund Svindal als Sieger, der Gewinner des Super-G am Freitag wurde Vierter, baute damit die Führung im Gesamtweltcup aus. Auch für Jansrud war Gröden eine echte Belastungsprobe, er hatte sich erst bei der Weltmeisterschaft in Schladming 2013 das Kreuzband gerissen.

Bester Österreicher war Max Franz, der Kärntner landete auf Rang elf. Unmittelbar vor Georg Streitberger. Im Vorjahr hat Ergebnis noch um ein Stück katastrophaler ausgeschaut – damals war Joachim Puchner als 13. bester ÖSV-Läufer. Enttäuschend vor allem die arrivierten Läufer wie Hannes Reichelt oder Klaus Kröll, der Steirer war allerdings nach seinem Sturz im Super-G etwas gehandicapt. Die Trainer haben bis Bormio einiges zu analysieren.

Fakten

Erik Guay feierte in Gröden seinen vierten Weltcupsieg, nach fast sieben Jahren Pause den zweiten in der Abfahrt. 2011 gewann der Kanadier in Garmisch-Partenkirchen WM-Gold in der Abfahrt.

Die dritte Saisonabfahrt brachte somit den dritten Sieger. In Lake Louise hatte der Italiener Dominik Paris triumphiert, in Beaver Creek der Norweger Aksel Lund Svindal, der in Gröden als Vierter das Podest um fünf Hundertstel knapp verpasste.

Sieglos

2013 ohne Abfahrtserfolg
Die Österreicher konnten heuer bisher keinen einzigen Sieg in der Abfahrt erringen. Der letzte Erfolg ist Hannes Reichelt Ende Dezember in Bormio gelungen.

Erik Guaytriumphiert
Der Kanadier Erik Guay gewann in Gröden vor dem Norweger Kjetil Jansrud und dem Franzosen Johan Clarey. Der ÖSV blieb wie schon im Vorjahr ohne Top-10-Platzierung.

Ergebnis



ABFAHRT in Gröden NATION ZEIT

1. Erik Guay (CAN)1:56,65
2. Kjetil Jansrud (NOR)+0,12
3. Johan Clarey (FRA)+0,24
4. Aksel Lund Svindal (NOR)+0,29
5. Bode Miller (USA)+0,39
6. Patrick Küng (SUI)+0,63
7. Manuel Osborne-Paradis (CAN)+0,80
8. Werner Heel (ITA)+0,86
9. Jan Hudec (CAN)+0,90
10. Peter Fill (ITA)+0,92

Gesamtweltcup



Stand nach 11 von 35 RennenPunkte

1. Aksel Lund Svindal (NOR)510
2. Marcel Hirscher (AUT)335
3. Ted Ligety (USA)269

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2013)

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